Terrorhelfer Motassadeq wird abgeschoben
15. Oktober 2018Mit der Haftentlassung des Marokkaners Mounir El Motassadeq schließt sich ein Kapitel: Er war das einzige Mitglied der sogenannten Hamburger Terrorzelle, das in Deutschland zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. 15 Jahre Haft, so lautete das Urteil, das die Richter am Oberlandesgericht Hamburg im Januar 2007 fällten.
Sie legten Motassadeq die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last, der Hamburger Terrorzelle. In dieser Gruppe hatten sich muslimische Studenten aus verschiedenen arabischen Ländern gemeinsam radikalisiert. Die jungen Männer hatten sich in Lagern der Al Kaida in Afghanistan an Waffen ausbilden lassen, auch Motassadeq, und sich auf Selbstmordattentate vorbereitet.
Beihilfe zum Mord
Die Richter verurteilten Motassadeq außerdem wegen der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen. So viele Menschen saßen in den vier Flugzeugen der "American Airlines", die die Attentäter am 11. September 2001 in den USA entführten. Sie lenkten die Maschinen in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York und ins Pentagon in Washington. Die vierte Maschine stürzte in ein Feld in Pennsylvania, als Passagiere versuchten, den Entführern die Kontrolle über das Flugzeug wieder zu entreißen. 3000 Menschen kamen bei den verheerenden Anschlägen ums Leben.
"Der Angeklagte wusste, dass große Selbstmordanschläge mit Flugzeugen begangen werden sollten", heißt es im Urteil. Die genauen Ziele, in die nur ein kleiner Kreis von Personen eingeweiht war, habe er nicht gekannt. Aber er habe den Aufenthaltsort der späteren Attentäter verschleiert, während sie ihre Pilotenausbildung in den USA absolvierten, ihre Post erledigt und Überweisungen für sie getätigt.
"An unterer Stelle der Hierarchie"
Somit habe er bei der Vorbereitung der Anschläge geholfen, wenn auch "an unterer Stelle der Hierarchie", wie es im Urteil heißt. Motassadeqs Anwälte forderten hingegen seine Freilassung, ihr Mandat habe mit den Anschlägen nichts zu tun gehabt und sei unschuldig. Da die Bewertung der Beweise umstritten war, zog sich das Verfahren über einen Zeitraum von fünf Jahren hin. Im Jahr 2004 wurde Motassadeq sogar unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen: Er durfte Hamburg nicht verlassen und musste sich regelmäßig bei der Polizei melden.
Die Hamburger Terrorzelle
Bei den Anschlägen vom 11. September 2001 spielte die Hamburger Zelle eine entscheidende Rolle. Führender Kopf war der Ägypter Mohammed El Amir, besser bekannt als Mohammed Atta. Atta steuerte eines der entführten Flugzeuge in den Nordturm des World Trade Centers. Sein Testament trug die Unterschrift Motassadeqs.
Motassadeq kannte auch die Todespiloten Marwan al-Shehhi und Ziad Jarrah, die ebenfalls in Hamburg studierten. Eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung der Anschläge spielte außerdem der Jemenit Ramzi Binalshibh, der 2002 in Pakistan festgenommen wurde und im US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftiert ist. Freigesprochen wurde der Marokkaner Abdelghani Mzoudi, der genau wie Motassadeq in Hamburg vor Gericht gestellt wurde. Ihm konnten die Richter keine Beteiligung an den Anschlägen nachweisen.
Keine vorzeitige Haftentlassung
Der heute 44-jährige Motassadeq, der als strenggläubig, freundlich und gebildet beschrieben wird, wuchs in der marokkanischen Stadt Marrakesch auf und kam nach dem Abitur 1993 nach Deutschland. In Münster lernte er zuerst Deutsch und studierte später an der Technischen Universität Hamburg-Harburg Elektrotechnik. Dort lernte er seine Frau kennen, eine russische Konvertitin, mit der er drei Kinder hat. Sie zog nach seiner Inhaftierung nach Marokko, um dort auf seine Rückkehr zu warten.
Seine Strafe saß Motassadeq im Gefängnis in Hamburg-Fuhlsbüttel ab, wo er fünfmal am Tag betete und seinen religiösen Pflichten nachging. Er erwarb sich den Respekt seiner Mithäftlinge, vor allem jener muslimischen Glaubens, und schloss sein Studium der Elektrotechnik ab. In der extremistisch-islamistischen Szene sei er nicht mehr vernetzt, heißt es in Sicherheitskreisen. Aber er habe seine islamistisch-dschihadistische Einstellung nicht geändert, weshalb sein Antrag auf vorzeitige Haftentlassung im Jahr 2014 abgelehnt wurde.
Abschiebung nach Marokko
Unter der Bedingung, dass er umgehend nach Marokko abgeschoben wird, kam er nun einige Monate vor dem Haftende Mitte Januar 2019 aus dem Gefängnis frei. So könnte er im Fall seiner Wiedereinreise wieder festgenommen werden. Dem Vernehmen nach will Motassadeq bei seiner Familie in Marokko bleiben. Deutschen Boden darf er bis zum Jahr 2064 nicht mehr betreten.