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Tex Rubinowitz gewinnt Bachmann-Preis

Holger Heimann6. Juli 2014

Der Ingeborg-Bachmann-Preis, einer der wichtigsten Literatur-Preise, geht in diesem Jahr an den Wiener Tex Rubinowitz. Imponiert hat das Wettlesen nicht: Viele Texte waren nur Durchschnitt.

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Tex Rubinowitz (Foto: EPA/GERT EGGENBERGER)
Bild: picture alliance/dpa

Für jene, deren Erinnerungsvermögen einigermaßen intakt ist, muss es verwunderlich gewesen sein, dass sich beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis rein gar nichts verändert hatte. Die 38. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt knüpften bruchlos an die Lesungen vom Vorjahr an. Dabei war 2013 eine hitzige Diskussion um den Fortbestand des Wettbewerbs entbrannt. Es ging ums Geld, wie meist in solchen Fällen, aber auch um die Frage, ob das traditionelle Format fernsehtauglich sei.

Nichts mehr von solcher womöglich durchaus produktiven Verunsicherung war geblieben, ganz so, als hätte es die Debatte nie gegeben. Dabei ist die Antwort recht klar: Das Wettlesen ist nur schwerlich fernsehtauglich zu nennen. Und es lohnt sich durchaus, darüber nachzudenken, auf welche Art mehr als die 20.000 Zuschauer gewonnen werden können, die gewöhnlich die Liveübertragung der Lesungen und Diskussionen auf 3sat verfolgen.

Die magere Zahl illustriere eine "nicht hitverdächtige Quote", räumte auch Petra Gruber von 3sat Österreich ein, um aber gleich anzufügen, dass die monetären Gesetze des Marktes nicht über den Reichtum der Sprache triumphieren dürfen. Wer würde da widersprechen wollen. Die Fans des Wettbewerbs jedenfalls hörten das Treuebekenntnis gern und applaudierten heftig.

Glückwünsche im Gästebuch

Es war also alles wie immer, beinah jedenfalls. Und für die meisten, die in Klagenfurt Jahr für Jahr live dabei sind, muss sich auch gar nichts verändern. Die euphorischen Zufriedenheitsbekundungen und Glückwünsche, die in einem Gästebuch festgehalten wurden, jedenfalls lassen auf äußerst zufriedene Besucher schließen.

Autorin Maja Haderlap bei der Eröffnung des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014 (Foto: APA/GERT EGGENBERGER)
Eröffnung mit Siegerin: Maja Haderlap gewann den Ingeborg-Bachmann-Preis 2011Bild: picture-alliance/picturedesk.com/Gert Eggenberger

Dabei wurde deren enthusiastischer Überschuss doch arg gedämpft: Um den apostrophierten "Reichtum der Sprache" zu entdecken, musste man in diesem Jahr häufig länger suchen. Die Jury, letztmals mit Burkhard Spinnen als Vorsitzendem, tat dies wie gewohnt klug und zuweilen auch freudvoll - obschon der neue Juror Arno Dusini, Professor an der Uni Wien, merklich fremdelte.

Schwierige Abstimmung

Aber manchmal halfen auch die gewagtesten Interpretationen nicht, um in recht durchschnittlichen Texten, in denen bevorzugt trauernde Frauen auftraten und komplizierte Beziehungen und Traumata verhandelt wurden, Bemerkenswertes und Gelungenes aufzuspüren. Eine gewisse Ermattung schien über dem diesjährigen Wettbewerb zu liegen. Die Ratlosigkeit jedenfalls nach dem Abschluss der Lesungen war groß: Wer verdiente die Auszeichnungen, vor allem aber den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis?

Dass sich auch die Jury selbst schwer tat, verdeutlichte die langwierige Abstimmung. Den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt schließlich nicht unverdient Tex Rubinowitz für die neurotische Liebesgeschichte "Wir waren niemals hier". Eine Erzählung, die lässig und zärtlich zugleich die Mühen der Verständigung zwischen den Geschlechtern illustriert. Einmal mehr gewann mit dem von Daniela Strigl eingeladenen Wiener Schriftsteller und Zeichner, der in Hannover geboren wurde und eigentlich Dirk Wesenberg heißt, ein Autor aus dem Umkreis des Autorennetzwerkes der Zentralen Intelligenz Agentur.

Wer außerdem gewann

Der Berner Michael Fehr imponierte vor allem durch seinen expressiven Vortrag, mit dem er auf der Klagenfurter ORF-Bühne ein zeitgenössisches Schweizer Bauerntheaterstück zur Aufführung brachte. "Simeliberg" führt in rhythmisierter Prosa in eine ländlich abgeschiedene Welt von Bedrohung und Gewalt. Die Jury, beeindruckt wohl nicht zuletzt von der außergewöhnlichen Performance des von Geburt an sehbehinderten Autors, zeichnete Fehrs Beitrag mit dem Kelag-Preis - dotiert mit 10.000 Euro - aus.

Eine Brille liegt auf einem aufgeschlagenen Buch (Foto: Romain Fellens)
Traumata und trauernde Frauen: Viele Texte waren nur DurchschnittBild: Bachmannpreis

Mit dem 3sat-Preis und damit 7.500 Euro wurde der in Sri Lanka geborene Senthuran Varatharajah für einen E-Mail-Dialog zwischen zwei Asylanten prämiert. Die Berlinerin Katharina Gericke erhielt für "Down Down Down - To the Queen of Chinatown", eine Moabiter Liebesgeschichte, die mit Versatzstücken der Oper spielt, den Ernst-Willner-Preis. Der mit 5.000 Euro dotierte Publikumspreis schließlich ging an Gertraud Klemm und ihre "Ujjayi" überschriebene Frustrationssuada einer überforderten Mutter.

Mit Windpocken im Bett

Der Text, der vermutlich beste Chancen gehabt hätte beim diesjährigen Wettbewerb, wurde leider nicht gelesen, jedenfalls nicht von der Autorin. Karen Köhler hatte ihre Teilnahme wegen einer Windpocken-Erkrankung kurzfristig absagen müssen. Ein Novum: Noch nie seit Bestehen des Wettbewerbs war das Teilnehmerfeld dezimiert gewesen. Es gab nicht wenige, die sich gewünscht hätten, dass Köhler ihre Erzählung "Il Comandante" im Hamburger Krankenbett lesen und ihr Vortrag via Skype ins ORF-Theater von Klagenfurt transferiert würde und so auch diskutiert werden könnte.

Allein die Satzung verhinderte dies - und vielleicht auch die Sorge der Jury, einen Präzedenzfall zu schaffen, auf den sich zukünftig Autoren berufen könnten, die kurz vor der Abreise das große Lampenfieber überkäme. Außer Konkurrenz war Köhlers traurig-anrührende Geschichte um ein krebskrankes Mädchen dann aber doch zu hören - vorgetragen unter anderem von ihrem Verleger Jo Lendle - getreu dem Motto "die Windpocken dürfen nicht siegen". Gut möglich, dass von diesem 38. Wettlesen in Klagenfurt am nachdrücklichsten eine abwesende Autorin im Gedächtnis bleibt.