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PolitikAsien

Thailändische Gastarbeiter zwischen Armut und Krieg

Julian Küng aus Bangkok
22. Januar 2024

Nach Ausbruch des Kriegs im Nahost mussten knapp zehntausend thailändische Gastarbeiter Israel verlassen. Die ersten kehren nun zurück, um Geld zu verdienen.

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Thailändische Geiseln aus Hamas-Gefangenschaft befreit | Rückkehr nach Angriff in Israel, Szene bei Empfang durch Angehörige in Flughafengebäude
(Archiv) Fünf Wochen nach der Rückkehr nach Thailand am 4. Dezember 2023 will Gastarbeiter Owat Suriyasri wieder nach Israel reisenBild: Sakchai Lalit/AP/picture alliance

Etwas mulmig ist es Bowon Nonthasi schon beim Packen seiner Reisetaschen. In wenigen Tagen wird er sein thailändisches Heimatdorf wieder verlassen und nach Israel zurückkehren. "Die Armut hier macht mir mehr Angst als der Krieg", sagt der thailändische Gastarbeiter, während seine Verwandten hinter ihm zustimmend nicken.

Anfang Oktober war er den Hamas-Terroristen nur durch Glück entkommen, als sie den Agrarkibbuz nahe Gaza stürmten. Bowons Flucht gelang nur, weil er an seinem freien Tag früh aus den Federn musste, um einem Nebenjob nachzugehen. Währenddessen legte die Hamas die Wohnbarracken der Gastarbeiter in Schutt und Asche. Mindestens zwölf Menschen kamen bei dem Angriff auf den Kibbuz Holit ums Leben.

Thailand | Thailändischer Gastarbeiter Bowon Nonthasi
Thailändischer Gastarbeiter Bowon Nonthasi und seine FamlieBild: Julian Küng/DW

Saisonarbeiter dringend gesucht

"Mein Chef in Israel will mich unbedingt wieder zurück auf dem Feld", sagt der 34-Jährige etwas stolz. Eine Wahl hat der tüchtige Erntehelfer sowieso nicht, wie er sagt. Hier im armen Nordosten Thailands sei der Lohn als Landarbeiter zu niedrig, um für seine Familie zu sorgen. "Ich habe zwei Töchter, 5 und 8 Jahre alt. Außerdem bauen wir unser eigenes Haus, das noch nicht fertig ist."

Auf eine versprochene Finanzhilfe der thailändischen Regierung in Höhe von umgerechnet 1.300 Euro wartet er noch heute. Lediglich eine magere Entschädigung von 390 Euro erhielt er aus Bangkok nach seiner Heimkehr. Auf den Fruchtplantagen im Süden Israels mache er mehr als das Dreifache. "Dort verdiene ich pro Monat 5.300 israelische Schekel", sagt er. Das sind umgerechnet rund 1.300 Euro.

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Israels Landwirtschaft in der Krise

Bowon ist nicht der Einzige, der eine Rückkehr wagt. Seit Jahresbeginn sind bereits 2.500 thailändische Arbeiter nach Israel eingereist, bestätigt die Nichtregierungsorganisation Kav LaOved gegenüber der DW. Wie viele davon Rückkehrer oder Neuankömmlinge sind, ließe sich noch nicht beziffern. Klar ist aber, dass Israel dringend Erntehelfer braucht.

Die Agrarwirtschaft des jüdischen Staates leidet unter akutem Arbeitermangel. Tomaten und Gurken verrotten auf den Feldern, weil kaum jemand zum Pflücken da ist. Vor allem in den Gebieten um den Gazastreifen, die auch "Israels Gemüsebeet" genannt werden, weil dort 75 Prozent des im Land konsumierten Gemüses angebaut wird.

Laut einer Umfrage des MIGAL-Galilee-Forschungsinstituts haben 89 Prozent der israelischen Landwirte Schäden erlitten und nahezu alle erwarten in den nächsten Monaten weitere Verluste. Fast drei Viertel der Befragten sind von Personalengpässen betroffen.

Den palästinensischen Feldarbeitern hat die israelische Regierung die Arbeitserlaubnis entzogen. 9,697 thailändische Gastarbeiter wurden seit Kriegsausbruch mit Evakuierungsflügen der heimischen Behörden ausgeflogen. Um sie nun zur Rückkehr zu bewegen, setzte sich Israels Botschafterin in Thailand, Orna Sagiv, persönlich bei Abgeordneten im thailändischen Parlament ein. Sie versprach dem Ausschuss für Arbeit, dass sie "alles in ihrer Macht Stehende tut, um die Sicherheit der Arbeiter in Israel zu gewährleisten."

Psychische Spätfolgen

Die Landarbeiter des südostasiatischen Königreichs stehen vor einem Dilemma: Setzen sie sich den Gefahren des Krieges aus oder bleiben sie zu Hause und leben in Armut. Auch Owat Suriyasri ist noch unentschlossen. Der 40-Jährige war eine der Geiseln, die von der Hamas in Gaza festgehalten wurden.

Thailand Sisaket | Freigelassene Geisel Owat Suriyasri
Owat Suriyasri saß in Gefangenschaft der HamasBild: Julian Küng/DW

Wieder zurück bei seiner Familie im thailändischen Sisaket gehe es ihm zwar etwas besser, aber das Trauma sitze noch tief. "Ich will zurück und helfen. Mein Chef in Israel ist wirklich toll, aber meine Psyche ist noch nicht bereit", sagt er vor seinem bescheidenen Einzimmerhaus.

Auch physische Spuren hat die zweimonatige Tortur hinterlassen. Die mahnende Narbe an seinem Bauch stammt vom 7. Oktober, als Hamas-Kämpfer ihn und seinen Arbeitskollegen Pattanayut Tonsokree mit vorgehaltener Waffe auf ein Motorrad zwangen. Auf dem Weg nach Gaza stürzte das völlig überfüllte Fahrzeug. Das Gewehr seines Entführers, das an seinen Rücken gedrückt war, verkeilte sich und riss ihm eine Fleischwunde in den Bauch. Pattanayut brach sich die Rippe.

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Erniedrigung während Gefangenschaft

Blutend und nur mit einer Hose bekleidet wurde Owat in die unterirdischen Tunnelanlagen gebracht. Gefangen in einer engen feuchten Zelle, in der er kaum Platz fand. An guten Tagen gab es ein oder zwei Fladenbrote, manchmal auch etwas Marmelade. An schlechten Tagen mussten sie sich mit verbrannten Brotstücken oder den Essensresten der Wächter begnügen.

Sie mussten Wasserkanister durch das enge Tunnel-Labyrinth schleppen. Auch das Säubern der Latrine war Aufgabe der Thailänder. "Es war eine Art Plastiktüte auf dem Boden mit einem Tritt, aber ohne Wasser. Einfach nur Schichten von Scheiße. Wenn das Ding voll war, befahlen sie uns, es wegzutragen", sagt der 40-Jährige. "Es war so abstoßend." Danach bekamen die Geiseln nur ein bisschen Wasser, um sich zu reinigen. Auf seiner Haut bildete sich eine Kruste aus Schmutz. "Wenn ich mit der Hand darüberstrich, lösten sich Schuppen ab."

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Frei, arbeitslos und hoch verschuldet

Am 28. November hatte sein siebenwöchiges Martyrium endlich ein Ende. Während der Feuerpause zwischen Israel und der Hamas kam er frei und durfte zurück nach Thailand, wo ihn seine Frau und seine zwei Buben in die Arme schlossen.

Zwar ist Owat frei, aber er konnte in Thailand keinen Job finden. Zudem stehe er vor einem Schuldenberg, der täglich wachse. "Es ist miserabel. Ich kann die Ratenzahlungen meines Autos nicht mehr begleichen und meinem Bruder schulde ich auch noch Geld." Seine Frau musste Geld leihen, weil er während der Geiselhaft nichts verdiente.

Von der israelischen Regierung gab es nach seiner Freilassung eine Soforthilfe von 2.300 Euro in Form einer "Geldkarte". Als Kriegsbetroffener hätte er aber zudem Anrecht auf eine monatliche Unterstützung von 1.700 Euro für mindestens ein halbes Jahr. Doch die Auszahlung stockt.

Thailand | Ehemalige Geisel Pattanayut Tonsokree
Pattanayut Tonsokree hat schon neuen Reisepass beantragtBild: Julian Küng/DW

Israel arbeite daran, diese neuen Herausforderungen für das Wohlfahrtssystem zu bewältigen, erklärt Assia Ladizhinskaya von der Hilfsorganisation Kav LaOved, die sich für die Rechte von Gastarbeitern einsetzt. "Eine endlose Kette unschuldiger Menschen braucht Lösungen, Entschädigungen und seelische Unterstützung", sagt Ladizhinskaya der DW. "Entscheidungen werden zwar täglich getroffen, aber sie haben leider noch nicht alle erreicht."

Ohne finanzielle Unterstützung bleibt Owat Suryasri wohl nichts anderes übrig als die Rückkehr nach Israel. Für Korea, ein weiteres beliebtes Zielland thailändischer Gastarbeiter, sei er mit seinen 40 Jahren bereits zu alt. Auch sein ehemaliger Mitgefangener Pattanayut fliegt wohl bald wieder zurück auf die Felder nahe Gaza, um Geld zu verdienen. Er hat nämlich gerade einen neuen Reisepass beantragt.