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Thailands Visumspläne für digitale Nomaden

David Hutt
21. August 2022

Ein neues Visaprogramm soll mehr ausländischen Fachkräften die Möglichkeit geben, von Thailand aus zu arbeiten. Doch wer das möchte, muss nachweisen, dass er Geld auf dem Bankkonto hat - viel Geld.

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Mann und Frau an einem Pool
Thailand möchte attraktiver werden für digitale NomadenBild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance

Wer nach Thailand will, kann sich bald um ein neues Visum bewerben. Das für zehn Jahre geltende "goldene Visum" richtet sich insbesondere an wohlhabende Ausländer, vor allem an Beschäftigte in der Tech-Branche, und digitale Nomaden. Bald sollen diese "Fachkräfte, die von Thailand aus arbeiten", wie die thailändische Regierung sie nennt, Anträge auf ein solches Visum stellen können.

Der thailändischen Wirtschaft soll dieses Visum im kommenden Jahrzehnt umgerechnet rund 26 Milliarden Euro einbringen. Im Gespräch mit der Deutschen Welle schätzt Narit Therdsteerasukdi, stellvertretender Generalsekretär des Thailand Board of Investment, dass mindestens die Hälfte der Antragsteller für das so genannte "Long-Term-Residence"- oder "LTR"-Visumsprogramm aus Europa kommen werden. "Wir sind überzeugt, dass das LTR in unseren Zielgruppen in Europa auf großes Interesse stoßen wird", meint er und fügt hinzu: "Thailand zählt jetzt schon zu den beliebtesten Reisezielen für Europäer. ­[…] Die Reaktionen, die wir auf unsere Kampagne vor der Einführung hatten, zeugten von einem starken Interesse. Ich gehe davon aus, dass das LTR nach dem Start noch populärer wird."

Nur Japan investiert mehr in Thailand als die EU-Länder. Im Jahr 2020 betrug der Wert der europäischen Auslandsbestände in Thailand 19,8 Milliarden Euro. Auslandsbestände geben die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in Unternehmen mit Sitz im Ausland an.

Wer kann das neue Visum beantragen?

Das neue Visumsprogramm, für das ab dem 1. September Anträge entgegengenommen werden, bietet Arbeitsvisa für Ausländer, die einer von vier Kategorien angehören. Die wichtigste Voraussetzung ist ein Vermögen von mindestens einer Million US-Dollar (995.000 Euro) sowie ein Jahreseinkommen von 80.000 US-Dollar (79.600 Euro). Je nach Kategorie variieren die Regelungen jedoch leicht.

Antragsteller in der Kategorie "Hochqualifizierte Fachkräfte" müssen in einer Branche arbeiten, die von der thailändischen Regierung als wesentlich eingestuft wird. Die Kategorie "Fachkräfte, die von Thailand aus arbeiten" richtet sich hauptsächlich an Beschäftigte in der Tech-Branche. Ihre Arbeitgeber müssen einen Gewinn von mindestens 150 Millionen US-Dollar (149 Millionen Euro) über drei Jahre nachweisen können. Wer sich in der Kategorie "Wohlhabende Weltbürger" bewirbt, muss mindestens 500.000 US-Dollar (497.000 Euro) in die thailändische Wirtschaft investieren. Dazu zählen auch Anleihen und Immobilien.

"Hochqualifizierte Fachkräfte", die ein Visum erhalten, kommen in den Genuss eines besonderen Einkommensteuersatzes von 17 Prozent. Im Vergleich: Der Steuersatz einer Person mit einem Einkommen über 140.000 US-Dollar (139.400 Euro) liegt gegenwärtig bei 35 Prozent. Alle Inhaber eines LTR-Visums erhalten eine Arbeitserlaubnis sowie das Recht auf Wiedereinreise. Ein LTR-Visum gilt zehn Jahre lang und kann verlängert werden. Neben dem Hauptinhaber gilt es für bis zu vier Familienangehörige, einschließlich Ehepartner und Kinder.

Symbolbild | Portugal: populäre Heimat für digitale Nomaden
Arbeiten im Urlaubsparadies - für immer mehre Europäer eine verlockende VorstellungBild: Colourbox

Die gesetzliche Verpflichtung, für jeden ausländischen Mitarbeiter vier thailändische Mitarbeiter einzustellen, gilt für Unternehmen, die vom Visumsprogramm profitieren, Berichten zufolge nicht.

Im Jahr 2018 führte Thailand sein Smart-Visa-Programm ein, das ebenfalls Anreize für wohlhabende ausländische Investoren bot. Fast 50 Prozent der Antragssteller, denen ein Visum erteilt wurde, stammten Therdsteerasukdi zufolge aus europäischen Ländern. Die Kategorie "Hochqualifizierte Fachkräfte" sei, so sagt er, "eigentlich eine Verlängerung und Erweiterung der Privilegien des Smart-Visa-Programms".

Neue Visa "nicht entscheidend" für die Wirtschaft

Die Reaktionen europäischer Unternehmer waren "allgemein positiv, doch die meisten werden erst einmal abwarten", stellt Guillaume Rebiere, Geschäftsführer der Europäischen Handelskammer in Thailand, gegenüber der Deutschen Welle fest. "Einige Unternehmer, die bereits in Thailand ansässig sind, haben Interesse an den Visa geäußert, weil es den bürokratischen Aufwand für sie reduzieren würde. Bislang haben wir jedoch nicht beobachten können, dass das Interesse an einer Verlagerung der Geschäftstätigkeit nach Thailand nennenswert gestiegen ist."

Hans van den Born, geschäftsführender Direktor der Niederländisch-Thailändischen Handelskammer, berichtet Ähnliches. "Die Reaktionen waren erst einmal verhalten", erzählt er der Deutschen Welle. "Ich denke, es braucht mehr Zeit und viel mehr Kommunikation mit dem Zielpublikum, damit sich das ändert."

Analysten gehen davon aus, dass die Prognosen der thailändischen Regierung etwas zu optimistisch ausfallen. Sie geht von einer Million Antragstellern bis zum Jahr 2027 aus. Trägt jeder dieser Antragsteller 28.000 US-Dollar (27.850 Euro) zur thailändischen Wirtschaft bei, wäre das Programm Schätzungen des Thailand Board of Investment zufolge 17,6 Milliarden US-Dollar (17,5 Milliarden Euro) wert.

Die Zahl der Visa, die seit dem Start des Smart-Visa-Programms im Februar 2018 ausgestellt wurden, ist mit 1200 enttäuschend gering. Das neue LTR-Programm soll allerdings deutlich mehr Anreize bieten und weniger bürokratisch sein. "Ich glaube nicht, dass es entscheidenden Einfluss auf künftige niederländische Investitionen haben wird. Viele andere wichtige Faktoren sind dafür ausschlaggebend, ob Unternehmen sich dafür entscheiden, in unserem Teil der Welt zu investieren", erläutert van den Born, fügt aber hinzu, dass das Programm potenziellen Investoren vermutlich eher das Gefühl gibt, willkommen zu sein.

Thailand will die Pandemie hinter sich lassen

Thailand hat wie die meisten anderen Länder in Südostasien stark darunter gelitten, dass während der Pandemie die Besucher ausblieben. Vor der Pandemie trug die Tourismusbranche etwa ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Ob das neue Visumsprogramm dabei helfen wird, wieder mehr ausländische Investitionen ins Land zu locken, bleibt abzuwarten.

Lynn Tastan vom internationalen Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG in Thailand weist auf die Nachteile der LTR-Visa hin. "Eine der größten Herausforderungen ist es, die erforderlichen Nachweise zu erbringen, dass man die Anforderungen des LTR-Programms erfüllt", erklärt Tastan. "Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der LTR-Visa ist es, den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten zu reduzieren. Multinationale Unternehmen suchen nach Corona nach Wegen, hybride oder ortsunabhängige Arbeitsmodelle zu ermöglichen. Thailand ist dabei ein attraktives Ziel und konkurriert mit dem LTR-Programm innerhalb der Region um mobile Arbeitskräfte", fügt sie hinzu.

Auch andere südostasiatische Länder denken über die Einführung ähnlicher Visumsprogramme nach. Das benachbarte Kambodscha startete kürzlich das Programm "My 2nd Home" mit Anreizen für Ausländer mit 100.000 US-Dollar (99.500 Euro) Investitionskapital, während Indonesien überlegt, ein Fünf-Jahres-Visum für "digitale Nomaden" einzuführen, um kaufkräftige Besucher anzuziehen.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.