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Monarchie als Hemmschuh der Demokratie

Rodion Ebbighausen28. Januar 2013

Kritik am thailändischen König ist verboten. Ein rigides Gesetz schränkt die Meinungsfreiheit ein. Aber nicht nur das Gesetz, sondern die Monarchie insgesamt gefährdet die Demokratie.

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Thailand's King Bhumibol Adulyadej arrives back at the Siriraj Hospital, after a ceremony at the Anatasamakom Throne Hall, in Bangkok December 5, 2012. King Bhumibol celebrates his 85th birthday on Wednesday. REUTERS/Kerek Wongsa (THAILAND - Tags: POLITICS ANNIVERSARY ROYALS HEALTH)
Nationalfeiertag ThailandBild: Reuters

Am 23.01.2012 war der Journalist und Aktivist Somyot Pruksakasemsuk zu insgesamt elf Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass er mit der Herausgabe zweier Artikel in der Zeitschrift "Voice of Thaksin" aus dem Jahr 2009 gegen das sogenannte "Lèse-Majesté"-Gesetz verstoßen hat.

Das Gesetz stellt in Thailand jede kritische Meinungsäußerung gegen den König, seine Familie oder die Monarchie unter Strafe. Menschenrechtsorganisationen ist es seit Jahren ein Dorn im Auge. Denn seit seiner Einführung im Jahr 1908 wurde das Gesetz immer wieder genutzt, um politische Gegner mundtot zu machen. "Es scheint, als würden die Gerichte immer mehr zum obersten Beschützer der Monarchie. Das geht auf Kosten der Meinungsfreiheit", sagte Brad Adams, Asiendirektor von Human Rights Watch, angesichts des jüngsten Falls.

Der verborgene Machtfaktor

Das Lèse-Majesté-Gesetz ist allerdings nur der sichtbare Ausdruck einer viel tiefergehenden Problematik: Es geht um die Machtfülle der Monarchie, die jeder Kontrolle entzogen ist.

Thailand Aktivist Somyot Pruksakasemsuk vor Gericht die Hände zum Victory-Zeichen (Foto:Sakchai Lalit/AP/dapd).
Thailand Aktivist Somyot Pruksakasemsuk vor GerichtBild: AP

Offiziell ist Thailand seit 1932 eine konstitutionelle Monarchie. Das bedeutet, dass die Macht des Königs durch die Verfassung eingeschränkt ist. In Thailand ist diese Beschränkung allerdings extrem intransparent, erklärt Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung in Bangkok: "Die Monarchie spielt eine wichtige Rolle im Hintergrund. Aber die Rolle ist so schwer einzuschätzen, weil darüber nicht berichtet wird und keiner etwas Genaues weiß."

Diese unbestimmten Machtbefugnisse trugen und tragen viel zum stetigen Kampf um die Vorherrschaft im Land bei. Der Politikwissenschaftler und Asienexperte Marco Bünte beschreibt Thailands Geschichte als einen "Teufelskreis aus Militärputsch, Verfassungsgebung, Krise und erneutem Militärputsch." Die Monarchie hatte daran einen erheblichen Anteil.

Die Machtergreifung der Monarchisten

Als der König 1946 den Thron bestieg, stand die Monarchie am Abgrund, wie der Autor Paul M. Handley in seiner König-Bhumibol-Biographie "The King Never Smiles" schreibt. In den folgenden Jahren gelang es dem König und den Mitgliedern der Monarchie allerdings, ihre Position zu stärken: "Bhumibols Rückgewinnung der Macht und des Ansehens der Monarchie war kein Zufall, sondern die Frucht einer mühsamen, entschlossenen und manchmal skrupellosen Anstrengung hartnäckiger Prinzen", so Handley.

Die Macht des Königs beruht dabei vor allem auf Ansehen und moralischer Integrität. Mit gewaltigem finanziellem und propagandistischem Aufwand wurde das Bild eines gottgleichen buddhistischen Königs – eines "Dharmarajas" – aufgebaut, an das viele Thailänder bis heute glauben. Die Kunst besteht laut Handley darin, "Macht auszuüben, ohne über politische Macht zu verfügen". Üblicherweise geschieht dies über den Geheimen Kronrat, in dem ehemalige Mitglieder der Regierung und Ex-Militärs vertreten sind, die nach wie vor Verbindungen zu den Schaltstellen der Macht besitzen. Die Entscheidungen des Rates sind geheim und entziehen sich damit jeder demokratischen Kontrolle. In der Folge habe sich das Land zu einer buddhistisch-theokratischen Gesellschaft nach dem Motto "Nation, Religion und König", schreibt Handley.

Zu der immensen auf Charisma und Prestige beruhenden Macht des Königs kommt sein Reichtum. Dabei wird der Besitz nicht direkt ihm selbst zugeordnet, denn das könnte seinem buddhagleichen Image schaden. Stattdessen wird das Geld offiziell vom Crown Property Bureau (CPB) verwaltet. Das CPB ist eine vollständig eigenständige Institution, weder der Palastverwaltung noch dem Staat zugehörig und auch kein privates Unternehmen. Es ist nicht nur für die Grundbesitzungen der Königsfamilie zuständig, sondern ist auch beteiligt an den größten Unternehmen des Landes. Es zahlt keine Steuern. Das exakte Vermögen zu beziffern ist schwierig, aber das Forbes Magazine schätzt, dass die thailändische Monarchie jährlich mehr als 370 Millionen Euro ausgibt.

Demokratie kommt nicht voran

Die politische und wirtschaftliche Potenz des Königshauses ist vor allem deshalb problematisch, weil aufgrund des Lèse-Majesté-Gesetzes niemand darüber berichten darf. "Somit agiert eine wichtige Figur in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft Thailands im Dunkeln", sagt Jost Pachaly von der Heinrich-Böll-Stiftung und nennt auch gleich ein Beispiel: Seit vielen Jahren kämpfen die sogenannten Rothemden und Gelbhemden in Thailand um Macht und Einfluss. Die Rothemden sind Anhänger einer politischen Bewegung unter dem Namen "Vereinigte Nationale Front für Demokratie gegen Diktatur". Ihre Macht basiert vor allem auf der Unterstützung der armen Landbevölkerung. Die Gelbhemden organisieren sich in der "Volksallianz für Demokratie". Sie sind königstreu und rekrutieren sich vorwiegend aus der städtischen Mittelschicht, dem Militär und der Verwaltung.

Ein Mönch zieht einen Karren mit seinem (Foto:Wally Santana/AP/dapd)
Die Unruhen von 2010 wüteten wochenlang in BangkokBild: Wally Santana/AP/dapd

2010 kam es zu den bisher heftigsten Auseinandersetzungen, bei denen im Verlauf von drei Monaten 90 Menschen starben und mehr als 1.000 verletzt wurden. Im Anschluss an diese Auseinandersetzungen wurde ein nationaler Versöhnungsprozess angestoßen, der aber nicht vorankommt, wie Pachaly feststellt: "Alle reden über den Versöhnungsprozess, aber es gibt keinen Fortschritt, weil sich beide Hauptgruppen in Stellung bringen und abwarten." Beobachter gehen davon aus, dass es nach dem Tod des Königs zu einem Machtvakuum kommt. Es ist nicht auszuschließen, dass die politischen Kräfte des Landes so erbittert um die Macht kämpfen werden, dass es zu einem Bürgerkriegsszenario führen könnte.

Die Monarchie ist demnach nicht nur zu Lebzeiten des Königs ein Hindernis der Demokratie, sondern darüber hinaus eine echte Gefahr für die Stabilität des Landes, wenn der König stirbt.