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The Big Easy

Juliane Sucker1. September 2005

New Orleans - auch die "große Leichtigkeit" genannt - hat eine ganz besondere Geschichte. Die ist der Stadt jetzt zum Verhängnis geworden.

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Sechs Meter unter dem Meeresspiegel gelegen, auf Schlamm gebaut, jährlich von Tropenstürmen heimgesucht: New Orleans stand seit seiner Gründung vor knapp 300 Jahren unter einem schlechten Stern. Doch was Architekten und Statikern schlaflose Nächte bereitete, ließ die Herzen zahlreicher Entdecker höher schlagen. Der nahe gelegene Golf von Mexiko lockte Kaufleute und Händler an, die neue Handelswege witterten.

Heute, 287 Jahre nach Gründung von La Nouvelle Orleans, ist das Ausmass der Schäden, die Hurrikan "Katrina" verursacht hat, noch nicht vollständig abzusehen. Schnell werden die Stimmen derjenigen laut, die den maroden Häuserbau der Südstaaten-Region immer schon kritisiert haben.

Suppenschüssel New Orleans

Einfache Holzhäuser, auf den Schlamm bauend, waren sich die europäischen Siedler im 18. Jahrhundert - zumeist aus Frankreich geflüchtete Hugenotten – ihrer prekären Wohnlage sehr wohl bewusst. Und so ließ Stadtvater Jean Baptiste LeMoyen die Marsch kurzerhand trockenlegen. Doch "trocken" wurde die Perle im Mississippi-Delta damit noch lange nicht, denn an ein technisch ausgereiftes Pumpsystem war zu dieser Zeit noch nicht zu denken.

Das erkannte auch Napoleon I., der sich ganz Louisiana einverleibt hatte. Zu heiß, zu feucht, zu viele Muecken. Für 15.000 Dollar trat er das Land an die Vereinigten Staaten ab. Der "Louisiana-Purchase" - ein Schnäppchen für die Amerikaner, war für Bonaparte eine willkommene Finanzspritze für seine kostspieligen Feldzüge quer durch Europa. Nun wehte im Südstaat nicht mehr die französische Trikolore, sondern die amerikanische Flagge.

Es ist die Leichtbauweise, stupid!

An der Bauweise änderte sich mit Einzug der Amerikaner nichts. "The Big Easy" – "Die große Leichtigkeit", wie die Stadt im Volksmund genannt wird, gilt auch für den Häuserbau. Leicht sind das Wellblech, die Dachlatte, die Spanplatte. Dahinter steht eine Mischung aus langjähriger Tradition und Kosten-Nutzen-Rechnung. Und auch politische Gruende spielen eine Rolle: Denn hohe Versicherungsprämien und Bauauflagen sind nicht nur unpopulär, derartige Massnahmen gefährden vor allem auch die Wiederwahl.

Seit der Besiedlung 1718 sturmerprobt

New Orleans hatte seit seiner Gründung immer wieder mit Überschwemmungen zu kämpfen. Mit leistungsstarken Pumpen sollten die Sümpfe entwässert werden, künstliche Dämme und Deiche die Wassermassen vor den Stadttoren aussperren. Doch eine Rechnung ist nie ganz aufgegangen: Man hatte gehofft, dass das umliegende Marschland überschüssiges Wasser aufsaugen würde. Dieser Effekt trat nie ein - im Gegenteil: der Schlamm setzte sich ab und mit ihm sackten die Häuser. Wohl hat man nach dem fatalen Hurrikan "Andrew" 1992 die Bauvorschriften intensiv diskutiert, zu grundlegenden Besserungen ist es jedoch nicht gekommen. Die starke Lobby der Verbraucherschutzorganisationen, die die Kosten beim Hausbau möglichst gering halten will, hat erneut den längeren Atem bewiesen. Das ist fatal für eine Region, die einen geographischen Sonderfall darstellt und vom Klima wenig begünstigt ist. Den Bau jedoch von Holzbuden mitten hinein in eine große Wanne, in eine Gegend, die von Wasser umzingelt ist, darf man wohl mit gutem Gewissen als fahrlässig bezeichnen.

Land unter

Der Mississippi-Fluss, die Sümpfe des Deltas und der Golf von Mexiko in unmittelbarer Nähe, der Pontchartrain-See und ein weitverzweigtes System von Kanälen und Schleusen direkt vor der Haustür: Die Hugenotten sahen die Lage New Orleans von jeher als schlechtes Omen. Wohin sollte man das Wasser auch pumpen, wenn der See, so wie es dieser Tage geschieht, in die Stadt strömt? Über Alternativen wie das so genannte Mudjacking, bei dem die Gebäude aufgebockt werden, um sie so vor dem Absinken zu schützen, muss man sich dieses Mal wohl keine weiteren Gedanken machen.

"Endstation Sehnsucht" nannte Tennessee Williams 1947 sein in New Orleans spielendes Theaterstück. An diesem Punkt ist man dort dieser Tage angelangt: Hurrikan "Katrina" könnte eine der schönsten Städte der USA in ein Sumpfbecken mit giftigen Chemikalien und Müll verwandeln - in eine menschenleere Geisterstadt.