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Film

Warum Wikinger uns faszinieren

13. April 2022

Im Kino läuft mit "The Northman" wieder ein Wikinger-Film an: Sie sind brutale Krieger, die mit ihren Booten übers Meer kommen und ihre Opfer gnadenlos abmetzeln. Doch wird da nicht ein Klischee bedient?

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Starker Wikinger auf Schiff.
Die Wikinger waren gefürchtete KriegerBild: Khosrow R. Kordi/Zoonar/picture alliance

Sie kämpften mit Streitäxten und Schwertern, waren extrem blutrünstig, trugen bedrohlich wirkende Hörnerhelme und nach jeder Schlacht gab es ein wildes Gelage, bei dem der Met in Strömen floss. "Halt", sagt der Historiker Dominik Waßenhoven von der Universität zu Köln, "ich glaube, dass diese Darstellung ein bisschen der Phantasie von mittelalterlichen Autoren geschuldet ist." So hätten die Wikinger ganz normale Helme ohne Hörner getragen, das sei schon lange nachgewiesen. Auch an den vielen Gelagen zweifelt Waßenhoven: "Ein Klischee, das aber immer wieder gerne in den populären Medien aufgegriffen wird", sagt er.

Und wie sieht es mit der Überlieferung aus, dass die Wikinger mehr Angst und Schrecken verbreiteten als alle anderen Krieger seinerzeit? Auch das kann der Historiker so nicht bestätigen: "Also, sie waren sicherlich nicht harmlos. Aber ich würde sagen, sie waren nicht per se blutrünstiger oder sind brutaler zu Werke gegangen als ihre Zeitgenossen." 

Filmstill The Northman: Wikinger reiten an Land, hinter ihnen ein Schiff
Szene aus "The Northman": Wikinger auf Raubzug Bild: Focus Features/Entertainment Pictures/picture alliance

Zeitgenössische Berichte zementierten den Ruf der Wikinger

Ihr Ruf, klärt Waßenhoven auf, habe etwas mit der Perspektive der Opfer zu tun. Die Wikinger überfielen gern abgelegene Klöster und dort saßen Mönche, die des Lesens und Schreibens mächtig waren. So auch im Jahr 793, als die Krieger aus dem hohen Norden das Kloster Lindisfarne im Norden Englands überfielen. Eine Chronik berichtet: "Sie töteten einige der Brüder, schleppten einige in Fesseln mit sich, viele vertrieben sie, nackt und mit Beschimpfungen überhäuft, manche ertränkten sie im Meer."  Doch damit nicht genug, so die Überlieferung: Die Barbaren aus dem Norden schleppten die goldenen Kelche und Reliquienschreine und das Vieh davon und steckten die Gebäude in Brand. Die Bauern der Umgebung nahmen sie mit, um sie als Sklaven zu kaufen. 

Norwegen: Die Wikingerschule

Später sollte ein angelsächsischer Mönch niederschreiben: "Nie zuvor war solch ein Schrecken über Britannien gekommen, wie wir ihn nun durch eine heidnische Rasse erleiden." Die Nachricht von der Plünderung verbreitete sich in Windeseile, die Nordmänner wurden für die christlichen Mitteleuropäer zum Symbol des Schreckens. Oft unterschlagen wird dabei, dass die Wikinger auch Handel trieben. Mit Fisch, Rentierfellen, gedrechselten Holzarbeiten, Goldschmiedearbeiten, Metallwerkzeugen, Waffen und den erbeuteten Gütern. 

Begnadete Seefahrer

Dass die Wikinger sich überhaupt außerhalb ihrer Heimat auf Raubzüge begaben, hat damit zu tun, dass ihre Heimat in Skandinavien einer wachsenden Bevölkerung nicht genug Ressourcen lieferte. Das karge hügelige Land war nicht ideal, um Getreide und Gemüse anzubauen. Zum anderen aber waren sie begnadete Bootsbauer. "Die Schifffahrt in dieser Zeit war eher - und auch noch über die nächsten Jahrhunderte - an den Küsten basiert. Die Wikinger aber bauten Langboote, mit denen sie aufs offene Meer fahren konnten", so Waßenhoven gegenüber der DW. Und nicht nur das: "Weil sie so flach waren, konnten sie damit auch Flüsse hochfahren." An einem guten Tag legten die Ruderer 15 bis 17 Knoten die Stunde (etwa 30 Kilometer) zurück. Ideale Voraussetzungen also, um auf Raubzug zu gehen. Mit ihren schnellen, seetüchtigen Booten erreichten sie Russland, England, Frankreich und sogar Amerika. 

Wikingerschiff auf einem See.
Die Schiffe der Wikinger brachten sie bis nach Amerika - lange vor Kolumbus Bild: Eder Hans/Zoonar/picture alliance

Daher haben sie auch ihren Namen. Das Wort Wikinger bedeutet nämlich vermutlich: "Seekrieger, der sich auf langer Fahrt von der Heimat entfernt". Wenn ihre Segel am Horizont erschienen, bedeutete das für die Bevölkerung nichts Gutes. Mit Äxten und Schwertern stürmten sie an Land, überfielen Klöster, Dörfer und ganze Städte.

Vom Ende der Nordmänner

Anfangs verschwanden sie so schnell, wie sie gekommen waren. Ab Mitte des 9. Jahrhunderts aber überwinterten sie zunehmend im mehrfach von ihnen heimgesuchte England und siedelten sich dort an, ebenso in der Normandie: "Der Begriff Normandie kommt ja auch von den Normannen, also von den Nordmännern", so Waßenhoven. "Dort schlossen sie mit der Zeit Friedensverträge mit den fränkischen Machthabern und wurden sozusagen als Küstenschutz gegen andere plündernde Wikingergruppen  eingesetzt."

Im Laufe von 100 Jahren also von drei Generationen, assimilierten sie sich: Nicht nur in der Normandie, auch in Britannien. "Als Wilhelm der Eroberer 1066 England eroberte, war damit das Ende der Wikingerzeit gekommen", sagt Waßenhoven. Auch die fortschreitende Christianisierung der unerschrockenen Stämme aus dem Norden sorgte wohl dafür, dass sie sesshaft wurden und die Segel ihrer Drachenschiffe einholten.

Filmstill The Northman Wikingerfilm: Ein Mann mit nacktem Oberkörper und Streitäxten läuft durch ein Dorf
The Northman ist auf Rache aus, weil sein Vater ermordet wurde Bild: Focus Features/Entertainment Pictures/picture alliance

Heute bekommt man die "echten" Nordmänner nur noch in Hollywood zu sehen - als mystische Helden und bärtige Barbaren: genau so, wie es das Klischee seit Jahrhunderten überliefert hat. Und wie sie uns immer wieder faszinieren. 

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur