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Theresa May - der "aufgehende Stern"

Wolfgang Dick5. Juli 2016

Großbritannien sucht einen neuen Premier und Theresa May hat ihre Favoritenrolle im ersten Wahlgang der konservativen Tory-Fraktion bewiesen. Mit ihr bekäme London eine britische Ausgabe der deutschen Kanzlerin.

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Großbritannien Theresa May in London. (Foto: Reuters/D. Martinez)
Bild: Reuters/D. Martinez

Theresa May hat auch mit 59 noch eine persönliche Schwäche: extravagante Schuhe. Damit gerät sie immer wieder in die Schlagzeilen. Zu einem Termin erschien sie in flachen schwarzen Pumps mit Metall-Stacheln. Ob es sich um eine Kampfansage handelte, ist nicht bekannt. May hätte so etwas wohl auch nicht nötig. Sie gilt als absolutes Gegenteil der meisten britischen Politiker, als die britische Ausgabe der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sei solide und integer, nicht eitel, sehr fleißig und agiere nüchtern und pragmatisch.

So beschreiben sie nicht nur viele konservative Parteifreunde (Conservative Party oder auch Unionist Party, umgangssprachlich auch "Tories" genannt), sondern auch diejenigen, die die Verheiratete aber kinderlose Tochter eines anglikanischen Geistlichen auch persönlich näher kennen.

May mit langem Atem

Mit diesen Eigenschaften bewerkstelligt die Frau, die in Oxford studierte und danach sechs Jahre lang bei der Bank of England arbeitete, auch seit 2010 ihr Amt als Innenministerin. Viele bewundern sie dafür, denn seit 100 Jahren hat keiner mehr so lange auf diesem Posten durchgehalten. Ein Grund, warum Theresa May auch immer wieder mit der "eisernen Lady", Margret Thatcher, verglichen wird. Doch solche Vergleiche sind May eher peinlich. In einem BBC-Interview stellte sie kürzlich klar, dass sie sich nicht zum Mittagessen treffe, um Gerüchte auszutauschen. Ihr Herz trage sie nicht auf der Zunge. Sie kümmere sich nur um die Aufgaben, die vor ihr liegen. So wie ihre Kandidatur als Nachfolgerin von Premierminister David Cameron.

Frankreich Bernard Cazeneuve und Theresa May in Calais. (Foto: REUTERS/Regis Duvignau)
Theresa May mit dem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve zu Gesprächen über den Eurotunnel in CalaisBild: Reuters/R. Duvignau

Was May sich unter Brexit vorstellt

Versöhnerin oder neue Hardlinerin? Diese Frage beschäftigt vor allem die Briten, die den Brexit schwer bedauern. Was wäre von May in Downing Street 10 zu erwarten?

May hatte sich im Wahlkampf vor der Abstimmung zum Brexit zurückgehalten, zeigte sich aber offen für Kritik an der Union. Sie unterstützte zwar David Camerons "remain"-Kampagne, äußerte sich ansonsten aber kritisch über die EU. Es mangele vor allem an Sicherheitskontrollen, beklagte sich May mehrfach - zuletzt zitiert im Mai im "Independent".

Hält am Brexit fest

Bei der offiziellen Bekanntgabe ihrer Kandidatur sagte May, es werde kein zweites Referendum geben. Sie kündigte an - sollte sie Regierungschefin werden - den offiziellen Ausstieg Großbritanniens aus der EU frühestens in einigen Monaten einzureichen. Artikel 50 der EU-Verträge und damit das Austrittsgesuch werde nicht vor Ende des Jahres aktiviert, sagte May. Der Brexit solle aber in jedem Fall gelten. Das Votum der Briten für einen EU-Austritt sei eine deutliche Botschaft gegen die geltende Freizügigkeit gewesen, sagte Theresa May im britischen Fernsehen. Spätestens nach dem Brexit plant sie die Einwanderung nach Großbritannien zu begrenzen. Als Innenministerin hat sie sich besonders in Einwanderungsfragen als Hardlinerin gezeigt. Das dürfte ihr im parteiinternen Wettkampf zum Vorteil gereichen, viele Tories fordern eine Einwanderungsreform.

Ihre schärfste Äußerung: "Wo es Einwanderung gibt ist es unmöglich einen Zusammenhalt in einer Gesellschaft aufzubauen." May wollte bereits Förderprogramme für ausländische Studenten an britischen Universitäten einschränken und Arbeitern aus der EU erhöhte Gesundheitsbeiträge abfordern.

Theresa May verlässt Downing Street No 10. (Foto: © Imago/Xinhua)
Demnächst ihr Amtssitz als Premier? Theresa May verlässt mit Kabinettskollegen Downing Street 10Bild: Imago/Xinhua

Kandidatin mit viel Rückhalt

Mit nicht einmal 30 Jahren engagierte sich Theresa May schon in der Lokalpolitik. Anfang der 1990er Jahre gelang ihr der Sprung ins britische Unterhaus. Sie war vor Jahren bereits so offen und beschrieb ihre eigene Partei als "nasty party" - eine "fiese Partei". Damit wollte May die Lage ihrer Partei verbessern. Übel genommen hat ihr diese besondere Art von Ehrlichkeit offenbar niemand. Ihre eigene Partei steht laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ICM mit über 60 Prozent hinter ihr.

Auch bei der ersten Abstimmung in der Fraktion stimmten 165 der 330 Tory-Abgeordneten für May. Auf den zweiten Platz kam Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom mit 66 Stimmen, gefolgt von Justizminister Michael Gove mit 48 Stimmen. Arbeitsminister Stephen Crabb erhielt 34 und Ex-Verteidigungsminister Liam Fox 16 Stimmen. Fox war als Letztplatzierter somit automatisch aus dem Rennen, aber auch Crabb zog seine Kandidatur kurz darauf zurück. Er unterstütze nun – wie Fox - die Favoritin, Innenministerin Theresa May, sagte Crabb der BBC.

Ein Grund für Mays Popularität soll die große Sehnsucht nach Ruhe und Verlässlichkeit bei den Tories sein.

Cameron im Rücken

Theresa May wird als Wegbereiterin für David Cameron angesehen. Der Premier hat sich deshalb in der Vergangenheit immer wieder für May als seine Nachfolgerin stark gemacht. Das Meinungsforschungsinstitut ICM ermittelte, dass Theresa May auch in der Bevölkerung sehr gut ankommt. Die Zeitung "The Sun on Sunday" zitiert das ICM mit dem Satz: "Sie wird überwältigend deutlich als kompetenteste Kandidatin angesehen. Bei Männern wie Frauen, in jeder Region des Landes und unter Unterstützern und Mitgliedern aller Parteien." Die Mehrheit der sonst angriffslustigen britischen Presse schwärmt ebenfalls von Theresa May als Kandidatin der Vernunft. Der "Telegraph" bezeichnete Theresa May als "aufgehenden Stern".