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China eine Nummer zu groß für Boll und Co.

6. August 2021

Wieder einmal geht olympisches Gold im Tischtennis-Teamwettbewerb an China. Dennoch haben Timo Boll, Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska in Tokio Großes geleistet.

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Tokio I Olympia 2020 I Tischtennis
Timo Boll (l.) und Patrick Franziska zogen im Doppel den KürzerenBild: Kin Cheung/AP/picture alliance

"Gegen China im Finale von Olympischen Spielen - das ist die größte Herausforderung im Tischtennis, vielleicht im ganzen Sport", hatte Dimitrij Ovtcharov schon vor dem Kampf um Gold in Tokio gesagt. "Aber es haben auch viele versucht, Rafael Nadal bei den French Open der Tennisprofis zu schlagen. Jetzt hat Novak Djokovic es geschafft. Vielleicht wird das Glück auf unsere Seite wechseln." Das tat es nicht.

Ovtcharov, Timo Boll und Patrick Franziska mussten sich im Finale den drei Ersten der Tischtennisweltrangliste, Fan Zhendong, Xu Xin und Ma Long, klar geschlagen geben. 0:3 hieß es nach dem Doppel und den beiden Einzeln. Immerhin konnte Ovtcharov gegen Fan zwei Sätze gewinnen, Boll einen gegen Ma. Mehr war nicht drin. Seitdem der olympische Teamwettbewerb 2008 eingeführt wurde, hieß der Olympiasieger immer China. "Wir haben unsere kleine Chance gehabt", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf hinterher. "Wir sind sehr stolz auf dieses Turnier und mit der Silbermedaille mehr als zufrieden."

Tischtennis-Übermacht

China ist schließlich die Tischtennis-Großmacht schlechthin, um nicht zu sagen eine Übermacht. Seitdem die Sportart - 1988 in Seoul - erst relativ spät olympisch wurde, haben die Spielerinnen und Spieler aus dem "Land der Morgenröte" - inklusive der Spiele in Tokio - 32 von 37 möglichen Goldmedaillen gewonnen. Das kommt nicht von ungefähr.

Tokio I Olympia 2020 I Tischtennis
Ma Long holte sich in Tokio Gold im Einzel und mit dem chinesischen TeamBild: Kin Cheung/AP/picture alliance

Tischtennis ist in China der Volkssport Nummer eins, die Zahl der Aktiven wird auf mehr als 60 Millionen geschätzt. Sie treffen sich in unzähligen Betriebsmannschaften oder auch öffentlichen Spielhallen an den Platten. Der Staat finanziert ein umfangreiches Förderprogramm: Schon im Kindesalter werden die Talente gescoutet, im Grundschulalter geht es für die größten der kleinen Hoffnungsträger aufs Sportinternat, wo sie von Toptrainern ausgebildet werden. 

Boll ein Star in China

Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sind neben dem Österreicher Werner Schlager die einzigen Spieler, denen es seit dem Jahr 2000 gelang, wenigstens für einige Monate die Topspieler Chinas von der Spitze der Weltrangliste zu verdrängen. Boll schaffte dieses Kunststück gleich viermal: zweimal 2003, 2011 - und 2018, als er mit 37 Jahren zum bisher ältesten Spieler aller Zeiten zur Nummer eins der Welt wurde.

Tokyo 2020 | Tischtennis: Timo Boll aus Deutschland
Auch mit 40 Jahren gehört Timo Boll noch zu den besten Tischtennisspielern der WeltBild: Thomas Peter/REUTERS

Kein Wunder, dass der inzwischen 40-Jährige in China ein absoluter Superstar ist. Überall, wo der Rekord-Europameister aus Deutschland auftaucht, ist er im Nu von chinesischen Tischtennis-Fans umringt. Dutzende Male hat Boll das Riesenland bereist, mehrfach in der "Chinese Super League" gespielt und sogar ein Buch über seine vielen Aufenthalte dort geschrieben.

Rekordhalter Ovtcharov 

Die Spiele in Japan waren bereits die sechsten in der langen Karriere Bolls. Im vergangenen Jahr schien seine Laufbahn fast schon beendet zu sein. Starke Rückenschmerzen warfen Boll monatelang aus dem Rennen. Doch er kämpfte sich zurück. Eine Einzelmedaille blieb ihm in Tokio erneut versagt. Doch im Teamwettbewerb, der 2008 bei Olympia die Doppel-Konkurrenzen ablöste, stand Boll am Ende immer auf dem Podest: 2008 und jetzt in Tokio auf dem Silberrang, 2012 und 2016 mit Bronze dekoriert.

Tokio I Olympia 2020 I Tischtennis
Kein Tischtennisspieler der Welt gewann mehr Olympiamedaillen als Dimitrij OvtcharovBild: Kin Cheung/AP/picture alliance

Auch Ovtcharov, der Anfang 2018 zwei Monate lang an der Spitze der Weltrangliste stand, war bei allen olympischen Medaillengewinnen des deutschen Teams mit dabei. Im Gegensatz zu Boll hat Ovtcharov auch schon zweimal Einzel-Bronze geholt: 2012 in London und jetzt in Tokio. In einem atemberaubenden Halbfinal-Krimi hatte der 32-Jährige sogar den späteren Olympiasieger, Ma Long, am Rande einer Niederlage. Auch wenn es nicht zu Gold reichte, hat Ovtcharov in Tokio Historisches geleistet: Er ist der bisher einzige Tischtennisspieler weltweit, der sechs olympische Medaillen gewinnen konnte. Ma Long ist ihm auf den Fersen - und seine fünf Medaillen waren allesamt golden.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter