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"Titans" gefährliche Expedition zur "Titanic"

Silja Thoms | Fred Schwaller
20. Juni 2023

Die Suche nach dem verschollenen Tauchboot "Titan" läuft auf Hochtouren. Doch die Bedingungen für die Einsatzkräfte in etwa 4000 Metern Tiefe sind schwer. Wie gefährlich ist eine solche Tiefsee-Expedition?

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Titan | U-Boot bei Tauchgang zur Titanik vermisst
Auf dem Weg zur Titanic verschollen: das Tauchboot "Titan"Bild: ABACA/picture alliance

Die Titanic galt einst als unsinkbar. Doch nur fünf Tage nach dem Beginn ihrer Jungfernfahrt Richtung New York im Jahr 1912 ging das damals größte Kreuzfahrtschiff der Welt unter. Seitdem zieht der Mythos Titanic Menschen aus aller Welt in seinen Bann - Forscher, aber in den vergangenen Jahren auch immer mehr Touristen.

"Aus dem Alltag heraustreten und etwas wirklich Außergewöhnliches entdecken": Mit diesem Spruch wirbt das Unternehmen Oceangate für seine touristischen Expeditionen zum Schiffswrack der Titanic, bei der nun fünf Menschen verschollen sind. 

Derzeit suchen Rettungskräfte noch nach den fünf Personen an Bord der Titan. Doch es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Atemluft an Bord, schätzen Experten, könnte im besten Fall bis Donnerstagnachmittag reichen.

"Hoffen wir für die Titan und ihre Passagiere, dass sie sicher an die Oberfläche zurückkehren können", sagt der Experte Eric Fusil. Der Australier ist Direktor des Shipbuilding Hub an der Universität von Adelaide.

Hamish Harding sitzt in einem Korbsessel
Der Geschäftsmann Hamish Harding gehört zu den Vermissten der "Titan" Bild: Dirty Dozen Productions/PA Media/dpa/picture alliance

250.000 Dollar kostet ein Ticket für eine Reise mit einem Tauchboot in die Tiefen des Meeres. Kein Preis, der für normale Touristen erschwinglich wäre. Sehr wohl aber für wohlhabende Abenteuerurlauber.

An Bord der aktuell verschollenen Titan sind unter anderem der britische Geschäftsmann und Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und sein Sohn. Die Suche nach ihnen läuft auf Hochtouren. Doch wie schwer ist es, das Tauchboot wiederzufinden? 

Suche per Sonar

US-amerikanische und kanadische Besatzungen arbeiten "rund um die Uhr" sowohl an der Wasseroberfläche als auch unter dem Meeresspiegel. Berichten der US-Küstenwache zufolge wurde bereits ein Gebiet "von der Größe Connecticuts" überflogen, um nach Anzeichen des Tauchboots zu suchen, während sich Militärflugzeuge und Handelsschiffe der Suche anschließen. 

Das Tauchboot von Oceangate schwimmt auf dem Meer
Das Tauchboot "Titan" kann Tiefen von bis zu 4.000 Metern erreichen.Bild: ABACA/picture alliance

Doch an der Stelle, an der die Titan vermisst wird, herrschen schwierige Bedingungen: pechschwarze Dunkelheit, extrem hoher Wasserdruck. Denn das Schiffswrack der Titanic liegt in rund 3.800 Metern Tiefe.

"In dieser Wassertiefe müsste ein Sonarsuchsystem auf einen sehr schmalen Strahl, aber eine ausreichend hohe Frequenz spezialisiert sein, um ein derart kleines Tauchfahrzeug aufzulösen", erklärte der Brite Jamie Pringle, ein forensischer Geowissenschaftler an der Universität Keele, gegenüber Reportern.

Im Fall der Titan gibt es nur zwei Möglichkeiten. "Sollte das Boot wider Erwarten an der Oberfläche treiben und aufgrund des geringen Freibords [der Höhe des Schiffskörpers über der Wasserlinie, Anm. d. Red.] nicht geortet werden können, sind die Chancen realistisch, gefunden zu werden", teilte die Deutsche Marine auf eine schriftliche Anfrage der DW mit. "Dem entgegen steht jedoch, dass in einem solchen Fall ein Notsignal gesendet worden wäre."

Sollte das U-Boot jedoch auf den Meeresboden gesunken sein, würde dies das Auffinden und die Rettung des Tauchboots besonders schwierig machen. Der Meeresboden ist stark zerklüftet, der Kontinentalschelf fällt steil ab, und es herrschen starke Meeresströmungen. Das Meerwasser verhindert auch die meisten Kommunikationsmöglichkeiten.

"Leider blockiert Meerwasser die Ausbreitung [elektromagnetischer Wellen] unter der Oberfläche sehr schnell", erklärt der Australier Eric Fusil, Direktor des Shipbuilding Hub an der Universität von Adelaide. Radar und GPS sowie Scheinwerfer- oder Laserstrahlen würden schon innerhalb weniger Meter absorbiert.

Extremer Wasserdruck

Der Wasserdruck in 3.800 Metern Tiefe am Wrack der Titanic beträgt etwa 400 Atmosphären (6000 PSI), was ungefähr dem Druck von 35 Elefanten auf den Schultern entspricht. Dies macht die Erforschung der Tiefsee zu einer technologischen Herausforderung, die eine spezielle Konstruktion von Tauchbooten und U-Booten erfordert. Sie müssen in der Lage sein, über lange Zeiträume hinweg einem enormen Druck standzuhalten.

Scan des Wracks der Titanic
Die "Titanic" galt einst als unsinkbares KreuzfahrtschiffBild: atlantic.production/AFP

"Jeder U-Boot-Fahrer und Tiefseetaucher weiß, wie unbarmherzig die Tiefsee ist: Die Erforschung der Unterwasserwelt ist aus technischer Sicht eine ebenso große, wenn nicht sogar größere Herausforderung als die Erforschung des Weltraums", so Fusil.

Die vermisste Titan-Kapsel besteht aus Kohlefaser und Titan, Materialien, die dem Druck in Tiefen bis zu 4.000 Metern standhalten können. Der Rumpf des Schiffes ist so konzipiert, dass er die Besatzung vor dem Wasserdruck schützt - zumindest solange er nicht beschädigt wird.

Tiefsee-Rettungs-U-Boote der Marine besitzen jedoch eine maximale Reichweite von 2.250 bis 3.000 Metern.

"Wenn das U-Boot auf dem Meeresboden liegt und keinen Auftrieb erzeugen kann und eine Bergung des U-Bootes als Ganzes ausscheidet, ist eine Rettung der Besatzung nicht möglich", erklärt die Deutsche Marine gegenüber der DW. "Selbst militärische U-Boote mit Nuklearantrieb sind auf eine Tiefe von bis zu 500 Metern beschränkt und könnten nur ihre Sonare einsetzen, um Anzeichen der Titan zu entdecken, ohne die Möglichkeit, näher heranzukommen", erklärte Fusil gegenüber Reportern.

Andere Tiefsee-Expeditionen 

Normalerweise beschäftigen sich Experten und Wissenschaftler mit der Erforschung der Tiefsee. Doch dies ist nicht die erste Tiefsee-Expedition, bei der auch wohlhabende Touristen zu den tiefsten Stellen der Erde tauchten. 2012 etwa, genau 100 Jahre nach dem Untergang der Titanic, unternahm der britische Filmemacher James Cameron mit dem U-Boot "Deepsea Challenger" eine Tiefsee-Expedition zum tiefsten Punkt der Erde im pazifischen Marianengraben. In knapp 10.900 Metern Tiefe sammelte er dort Daten und Filmmaterial.   

Sieben Jahre später folgte ihm der amerikanische Abenteurer und private Investor Victor Vescovo. Mit 10.927 Metern Tiefe stellte er einen neuen Weltrekord auf und tauchte 16 Meter tiefer als die einstigen Rekordhalter Don Walsh und Jacques Piccard im Jahr 1960. Zusammen mit dem verschollenen Harding stellte Vescovo im März einen Weltrekord für die längste Verweildauer in den Tiefen des Ozeans auf, als sie zusammen zum tiefsten Punkt des Marianengrabens tauchten. 

An Bord der Titan soll auch der ehemalige französische Marine-Kapitän Paul-Henri Nargeolet sein. Er ist schon häufiger zum Titanic-Wrack abgetaucht. Vor ein paar Jahren sagte er im Interview mit der irischen Zeitung Irish Examiner: “In der Tiefsee ist man tot, bevor man überhaupt realisieren kann, was passiert". Der 77-Jährige ist seit 2007 Leiter des Forschungsprogramms der Firma RMS Titanic/Phoenix International, der das Titanic-Wrack gehört.