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Keine Todesstrafe

Ludger Schadomsky11. Januar 2007

Am Donnerstag hat der Oberste Gerichtshof in Addis Abeba den früheren äthiopischen Diktator Mengistu zu lebenslanger Haft verurteilt. Dass dieser die Haftstrafe absitzt, ist unwahrscheinlich. Er lebt im Exil.

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Ex-Diktator Haile Mengistu Mariam, Quelle: AP
Ex-Diktator Haile Mengistu MariamBild: AP

Mengistu und elf seiner ehemaligen Mitarbeiter waren am 12. Dezember nach mehr als zwölfjährigem Prozess in mehr als 211 Anklagepunkten wegen Völkermordes und Mordes schuldig gesprochen worden. Dem Ex-Diktator hatte die Todesstrafe gedroht. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Mengistu die Haftstrafe antreten muss.

Weil Mengistus Regime bei der Ausbildung der einstigen Guerillakämpfer des simbabwischen Präsidenten Robert Mugabe half, konnte der frühere äthiopische Diktator Haile Mengistu Mariam der Verkündung des Strafmaßes gelassen entgegenblicken.

Seit seiner Flucht aus Äthiopien 1991 lebt Mengistu unter Mugabes Schutz, und das eher gut als schlecht: Simbabwischen Oppositionellen zufolge, die vehement die Auslieferung des "ungebetenen Gastes" Mengistus fordern, ist der frühere Gewaltherrscher zum Berater des Geheimdienstes aufgestiegen und genießt ansonsten das Leben im Exil. Mengistu soll eine Villa in einem Nobelvorort von Harare und eine Farm 35 Kilometer außerhalb der Hauptstadt sowie teure Autos besitzen. Seinen Luxus bezahlt er mit Gold und Devisen, die er während seiner Schreckensherrschaft von 1977 bis 1991 anhäufte.

1974 hatte sich der junge Major Mengistu an die Macht geputscht, als das feudalistische System unter Kaiser Haile Selassie diskreditiert war. Mit sowjetischer Hilfe versuchte er ein marxistisches Regime in Äthiopien durchzusetzen, das unter dem Namen "Derg" oder "Komitee" firmierte. Im Zuge seines "Roten Terrors" ließ Mengistu Tausende Regimegegner, Generäle, Kirchenvertreter und Zivilisten ermorden. Als Äthiopien 1984 unter einer dramatischen Hungersnot litt, spielte Mengistu die Krise herunter - eine Million Menschen starben.

Ende der Ära Mengistu

Erst die politischen Umwälzungen im Ostblock und der Rückzug seiner Geberländer UdSSR, Kuba und DDR bedeuteten das Ende der Militärdiktatur. Ein dramatischer Kurswechsel mit der Ankündigung durchgreifender Wirtschaftsreformen und dem Widerruf der marxistischen Staatsideologie 1990 kam zu spät. Als die Soldaten des damaligen Rebellenführers und heutigen Premierministers Meles Zenawi in Addis Abeba einmarschierten, setzte sich Mengistu im Mai 1991 mit seiner Familie nach Simbabwe ab.

Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi, Quelle: AP
Äthiopiens Premierminister Meles ZenawiBild: AP

Die neuen Machthaber, obwohl ebenfalls kommunistisch geprägt, sahen sich angesichts der Zerstörung im gesamten Land zu einer von Realismus geprägten Politik gedrängt. Sie einigten sich mit der Weltbank auf Finanzhilfe im Gegenzug für Reformen und ließen eine freie Markwirtschaft und eine Liberalisierung der Landwirtschaft zu.

In der Folge stieg Äthiopien unter dem vielversprechenden und charismatischen Meles zum Liebling der Geberländer auf, ist in der jüngsten Vergangenheit aber wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen und der aggressiven Regionalpolitik am Horn von Afrika zunehmend in Ungnade gefallen.

Vorwurf der Siegerjustiz

Dass nun ausgerechnet diese Regierung über den Völkermordprozess gegen Mengistu präsidiert hat, stößt vielen Äthiopiern bitter auf. General Tamene Dilnesahu, der unter Mengistu als Botschafter in Moskau diente und heute im Exil in London lebt, gibt eklatante Menschenrechtsverstöße des Mengistu-Regimes zu. Der Meles-Regierung spricht er jedoch die moralische Berechtigung ab, über den Ex-Diktator zu Gericht zu sitzen: "Ein Urteil kann nur das äthiopische Volk fällen, nicht diese Regierung. Die hat mehr auf dem Kerbholz als die Mengistu-Regierung." Die Richter seien nicht zuständig. Deswegen habe die gegenwärtige Regierung nicht das Recht, die Ehemaligen abzuurteilen, meint Dilnesahu.

Den Vorwurf der Siegerjustiz hat auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erhoben und das Verfahren gegen den ehemaligen äthiopischen Gewaltherrscher wiederholt als nicht fair moniert. Afrika-Direktor Peter Takirambudde glaubt, dass im Prozess internationale Standards nicht eingehalten wurden. Wiederholt habe HRW seine Sorge zum Ausdruck gebracht, weil das Verfahren verschleppt wurde und hunderte Verdächtige über Jahre hinweg eingesperrt wurden. Außerdem sorge man sich darum, dass die äthiopische Rechtsprechung nach wie vor die Todesstrafe vorsehe, meint Takirambudde. "Das ist entschieden gegen unsere Grundsätze."

Urteil mit Signalwirkung

Dennoch: Afrika-Direktor Takirambudde erhofft sich vom Urteil eine Signalwirkung. Denn in Zeiten von Transparenz und Rechenschaft spiele die internationale Strafjustiz eine große Rolle, sagt er, weil sie dem Prinzip Nachdruck verleihe, dass niemand, auch nicht ein Präsident, über dem Gesetz stehe.

Das zwölf Jahre dauernde Verfahren, das immer wieder unter dubiosen Umständen unterbrochen wurde, ist eines der unrühmlicheren Beispiele für afrikanische Rechtsprechung. Zumal Mengistu - so lange Simbabwes Patriarch Mugabe noch lebt - den Vollzug der Strafe nicht fürchten muss.

Dass es auch anders geht, zeigt der Fall des liberianischen Ex-Diktators Charles Taylor. Der muss sich, nach drei komfortablen Jahren im nigerianischen Exil, derzeit vor einem Sondertribunal der Vereinten Nationen verantworten. Als Lichtblick gilt auch das Verfahren gegen den ehemaligen kongolesischen Warlord Thomas Lubanga, dem vorgeworfen wird, im Bürgerkrieg im Kongo Kindersoldaten rekrutiert zu haben. Lubanga muss sich nach der Überstellung durch die kongolesische Regierung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten.