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Toronto Film Festival 2016

Jochen Kürten8. September 2016

Europäisches Kino für Nordamerika, starke deutsche Präsenz, Warmlaufen für das nächste Oscar-Rennen - das Filmfestival in Kanada hat gleich mehrere Trümpfe in der Hand. Und ein paar deutsche Weltpremieren.

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Filmstill aus 'Marie Curie' (Foto: NFP marketing & distribution)
Experimente in Physik und Chemie: Marie CurieBild: NFP marketing & distribution

Für Regisseurin Marie Noëlle dürfte die Premiere ihres Films "Marie Curie" beim Filmfestival in Toronto (08. bis18.09.) ein besonderes Ereignis werden. Noëlle stellt in der kanadischen Großstadt ihren brandneuen Spielfilm "Marie Curie" vor, der einige Jahre im Leben der zweifachen Nobelpreisträgerin schildert. Curie ist bisher die einzige Wissenschaftlerin, die Nobelpreise auf unterschiedlichen Gebieten erhalten hat. Auch keinem Mann gelang das bisher.

Einzige Nobelpreisträgerin in zwei Disziplinen

Ihre erste Auszeichnung, den Physik-Nobelpreis, erhielt sie gemeinsam mit ihrem Mann Pierre im Jahre 1903. Drei Jahre später kam Pierre bei einem Droschkenunfall ums Leben. Trotz des tragischen Verlustes gelang es Marie Curie, in der von Männern dominierten Wissenschaftswelt kontinuierlich zu arbeiten. Die weitere Karriere der Forscherin stand dann im Zeichen von bahnbrechenden Entdeckungen insbesondere auf dem Gebiet der Chemie, für die sie 1911 in Stockholm zum zweiten Mal gewürdigt wurde.

Filmstill aus 'Marie Curie' (Foto: NFP marketing & distribution)
Karolina Gruszka als Marie CurieBild: NFP marketing & distribution

Diese Jahre zwischen den beiden Preisverleihungen stehen im Mittelpunkt des Filmdramas. Für Regisseurin Marie Noëlle dürfte die Geschichte auch die Verarbeitung eines ganz persönlichen Schicksals sein. Vor drei Jahren starb der Regisseur Peter Sehr, langjähriger Ehemann und Arbeitspartner Marie Noëlles.

Toronto besitzt im Gegensatz zu den Festivals in Berlin, Cannes und Venedig keinen Wettbewerb mit einem prestigeträchtigen Preis. Trotzdem ist es den Kanadiern in den vergangenen Jahren gelungen, mit den europäischen Traditionsfestivals gleichzuziehen. Vor allem viele große Hollywood-Produktionsfirmen zeigen ihre neuen Werke gern in Toronto, das inzwischen als wichtigstes Festival des Kontinents gilt.

Werner Herzog: gleich zwei Festival-Premieren

Der unfassbar fleißige deutsche Regisseur Werner Herzog hat gleich zwei neue Filme im Programm. Zum einen den Ökothriller "Salt and Fire" mit der originellen Besetzung Veronica Ferres, Gael Garcia Bernal und Michael Shannon. Außerdem läuft Herzogs allerneuester Dokumentarfilm "Into the Inferno" über die Reise des Filmemachers zu den noch aktiven Vulkanen der Welt.

Filmszene aus dem Werner-Herzog-Film 'Salt and Fire' (Foto: Camino Filmverleih)
"Salt and Fire": Der deutsche TV-Star Veronica Ferres (m.) und Mexikos Kinoliebling Gael Garcia Bernal (r.)Bild: Camino Filmverleih

Auch "Snowden" wird in Toronto gezeigt

Schließlich steckt auch im neuen und lang erwarteten Film "Snowden" von Oliver Stone deutsches Geld - wiewohl niemand ernsthaft behaupten würde, Oliver Stone zähle zum deutschen Kino. In der globalisierten Filmwelt aber ist es inzwischen schwer, einzelne Filme irgendeiner nationalen Kinematografie zuzuordnen. Der Film, der erstmals während der Comic-Con-Filmmesse im Juli in San Diego gezeigt wurde, kommt im September weltweit in die Kinos (in den USA am 16.09., in Deutschland am 22.09.2016). Zuvor aber feiert das Porträt des berühmten Whistleblowers in Toronto Premiere.

Wenders und Ade für den nordamerikanischen Markt

Namen wie Wim Wenders und Maren Ade erinnern die internationalen Film-Experten natürlich eher an das "richtige" deutsche Kino. Wenders präsentiert, ein paar Tage nach der Weltpremiere in Venedig, seinen Film "Die schönen Tage von Aranjuez". Und Maren Ade, die aus den Preisverleihungen und Ehrungen schon gar nicht mehr herauskommt, darf ihren soeben von den Deutschen ins Oscar-Rennen geschickten "Toni Erdmann" auf dem nordamerikanischen Kontinent vorstellen. Zahlreiche Dokumentationen runden in diesem Jahr die starke Präsenz des Kinolands Deutschland in Toronto ab.

Filmstill aus 'Die schönen Tage von Aranjuez' (Foto: Neue Road Movies/Alfama Films)
Der neue Wenders Film "Die schönen Tage von Aranjuez"Bild: Neue Road Movies/Alfama Films

Schon als Oscar-Kandidat gehandelt: "Arrival"

Aus nordamerikanischer Sicht wird der neue Film des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve mit Spannung erwartet. In "Arrival" erzählt Villeneuve die Geschichte einer Sprachforscherin, die vom Militär beauftragt wird, mit Außerirdischen in Kontakt zu treten. Villeneuve hat in der Vergangenheit schon oft beweisen, dass er auch aus scheinbar abwegigen Themen große Filme machen kann. "Arrival" ist mit Amy Adams und Jeremy Renner prominent besetzt und wird schon als Kandidat für die kommenden Oscars gehandelt. Zwar wurde der Film gerade in Venedig gezeigt, doch dürfte auch die Nordamerika-Premiere für Aufsehen sorgen.

Wer bekommt die Oscars 2017?

Zudem ist dem kanadischen Festival in jüngster Zeit eine weitere wichtige Rolle zugewachsen: Toronto hat sich in den vergangenen Jahren als Festival etabliert, bei dem das Oscar-Rennen eröffnet wird. US-amerikanische Filme nutzen Toronto um zu zeigen, was in den dann kommenden Wochen und Monaten ins Kino kommt und bei den Oscars im Februar 2017 dann möglicherweise ausgezeichnet werden könnte. So steht das Festival in Toronto für viele am Beginn einer großen kommerziellen Marketingstrategie für die berühmten goldenen Statuetten Hollywoods.

Kanada Toronto Panoramaaufnahme (Foto: picture alliance/All Canada Photos)
Tolle Stadt-Kulisse für ein tolles Festival: TorontoBild: picture alliance/All Canada Photos

Eröffnet wird das 41. Festival von Toronto im Übrigen mit dem Abschlussfilm des Festivals in Venedig - eine kuriose Konstellation, die zeigt, wie heftig die Konkurrenz zwischen den großen internationalen Filmfestivals inzwischen ist. Zwei Tage bevor am Lido die Tore schließen und das Publikum sich zum Abschlussfilm in die Kino-Sessel zurücklehnt um den Western "Die glorreichen Sieben" zu sehen, wird das Wildwest-Epos von Regisseur Antoine Fuqua als Eröffnungsfilm in Toronto präsentiert.

Hollywood kupferte beim japanischen Kino ab

1954 hatte Japans Meisterregisseur Akira Kurosawa die Story erstmals auf großer Leinwand gezeigt, damals waren die Filmhelden keine Cowboys und Pistoleros, sondern Samurai-Krieger.

Sechs Jahre später hatte Regisseur John Sturges den Stoff zu einem Western umgearbeitet - unter anderem mit Yul Brunner und dem Deutschen Horst Buchholz. Nun also reiten die glorreichen Sieben zum dritten Mal durch die Kino-Welt: erst in Toronto (am 08.09.), dann in Venedig (am 10.09.) und nach einer vorgezogenen Asien-Premiere in Südkorea (14.09.) am 22. September auf den Kinoleinwänden weltweit.