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Politik

Katar zwischen den Fronten

29. Juni 2017

In einem Ultimatum erheben die Golfstaaten unter saudischer Führung Forderungen, die Doha kaum erfüllen kann. Der Iran hat Katar volle Unterstützung angeboten. Dort sieht man die Krise als direkten Angriff auf sich.

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Katar Außenminister Iran Mohammad Javad Zarif & Scheich Hamad Al Thani
Bild: Irna

Ras Laffan ist ein heißer, staubiger Ort an der Nordküste Katars. Nur 200 Kilometer Luftlinie sind es von hier bis zum Iran. Getrennt werden die beiden Länder durch den Persischen Golf. Vereint aber werden sie durch das, was darunter liegt: Erdgas. Denn direkt vor der Küste von Ras Laffan beginnt das größte bekannte Gasfeld der Welt: 10.000 Quadratkilometer weit erstreckt sich das sogenannte "North Field" in den Golf hinein - zu zwei Dritteln auf katarischem, zu einem Drittel auf iranischem Gebiet, wo es "South Pars" genannt wird. Hier, tief unter dem Meeresspiegel, lagern 35 Billionen Kubikmeter des Rohstoffs. Mehr als in allen anderen weltweit bekannten Gasfeldern zusammen. Auch Ras Laffan verdankt seine Existenz diesem Feld: Die Industrieansiedlung wurde vor 20 Jahren samt Tiefseehafen extra für die Ausbeutung der Gasreserven aus dem Sandboden gestampft. In hochmodernen Anlagen wird das Gas hier unter hohem Druck verflüssigt und in die ganze Welt exportiert.

Unter hohem Druck steht nun aber auch Katar selbst, und zwar wegen seiner engen Zusammenarbeit mit dem Iran. Diese geht über die gemeinsame Gasförderung weit hinaus. Die diplomatischen Beziehungen beider Länder sind gut, geradezu freundschaftlich. Und genau das hat Saudi-Arabien und drei weitere Golfstaaten auf den Plan gerufen, dem Emirat ein Ultimatum mit 13 Forderungen zu stellen, unter denen die nach einer Einschränkung der Beziehungen zu Teheran sicher eine der weitreichendsten ist.

Teheran: Hilfe für den "Bruderstaat"

Iran Präsident Hassan Rohani
Irans Präsident Rohani bietet dem "Bruderstaat" Katar seine Hilfe anBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Der Iran reagierte prompt: "Die derzeitige Isolierung Katars ist inakzeptabel, wir jedoch werden weder die Regierung noch das Volk Katars im Stich lassen", sagte Irans Präsident Hassan Rohani nach Bekanntwerden des Forderungskataloges am Sonntag. Der iranische Luftraum ebenso wie seine Seegebiete und sein Territorium stünden Katar "jederzeit offen", das Golfemirat sei für den Iran "ein Bruderstaat". Für Jochen Hippler ist das eine sehr blumige Formulierung: "Die wirtschaftlichen Beziehungen Irans zu Katar sind zwar sehr gut", so der Nahostexperte am Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen. "Aber das sind sie auch zu Dubai." Über diese beiden Emirate wickelt der immer noch mit Sanktionen belegte Iran unter anderem große Teile seines Außenhandels ab. "Das Gerede vom 'Bruderstaat Katar' ist eher der Versuch, den Keil noch tiefer zwischen die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) zu treiben." Zum GCC gehören sechs Staaten, darunter sowohl Saudi-Arabien als auch Katar. Der iranischstämmige Nahostexperte Afshin Shahi von der britischen University of Bradford sieht in der derzeitigen Krise sogar eine große Chance für den Iran, "denn der GCC als großer Gegenspieler Teherans in der Region ist durch die Krise entscheidend geschwächt." Während Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate sich eindeutig gegen Katar positioniert haben, halten sich Oman und Kuwait bislang zumindest deutlich stärker zurück. "Die Zerstrittenheit des GCC kann für Teheran ein großer Vorteil sein", so Shahi.  

Zuspitzung des iranisch-saudischen Konflikts

Iran Protest in Teheran gegen Hinrichtung in Saudi-Arabien
Anti-saudischer Protest in Teheran nach der Hinrichtung des schiitischen Klerikers Nimr al-NimrBild: picture-alliance/AP Photo/V. Salemi

In letzter Konsequenz führt die Krise um das Emirat zu einer weiteren Zuspitzung des tieferliegenden Konfliktes zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die hegemoniale Rolle in der Region. Seit Anfang 2016 haben die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran merklich zugenommen. Damals hatte Riad den bekanntesten schiitischen Geistlichen des Landes Nimr al-Nimr wegen Terrorverdachts hinrichten lassen. Daraufhin war es zu einem wochenlangen Abbruch diplomatischer Beziehungen beider Länder gekommen. Im Mai 2016 verwehrte Saudi-Arabien iranischen Pilgern die Teilnahme an der Hadsch, der jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka und Medina. Als Reaktion verlangte Irans Oberster Religionsführer Ali Chamenei, den Saudis die Aufsicht über die heiligen Stätten zu entziehen. Als im Juni 2017 angebliche IS-Terroristen das Parlament und das Chomeini-Mausoleum in Teheran attackierten, da beschuldigten führende iranische Politiker Saudi-Arabien, den Anschlag geplant und koordiniert zu haben. Wenig später setzte die saudische Marine drei angebliche iranische Revolutionsgardisten fest, die versucht haben sollen, eine saudische Ölquelle in die Luft zu sprengen.

"Letztlich hat der Iran in den letzten zehn bis 15 Jahren seinen Einflussbereich im Mittleren Osten wesentlich vergrößert", erklärt Jochen Hippler: "Er war früher völlig isoliert: Saddam Hussein war an der Westgrenze, die Taliban als Feind schiitischer Regime an der Ostgrenze. Die USA besaßen Kriegsschiffe am Persischen Golf, die Türkei war ein fest integrierter NATO-Partner. Und da hat der Iran es geschafft, sich aus dieser völligen Umzingelung heraus in eine starke regionale Position zu hieven." In praktisch allen Konflikten des Mittleren Ostens von Syrien über den Irak bis nach Jemen und Bahrain stehen sich iranische und saudi-arabische Interessen konträr gegenüber. "Das macht Saudi-Arabien nervös", so Hippler, "und deshalb versucht man dort mit aller Macht, diesen Trend umzukehren und Katar mit massiven Drohungen und Erpressungen auf Linie zu bringen."

Katar zwischen den Stühlen

Riad Treffen Donald Trump Tamim Bin Hamad Al-Thani Emir Katar
Katars Emir Al-Thani hofft darauf, dass US-Präsident Trump in der Krise vermitteltBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Sollte das Ultimatum verstreichen, ohne dass Katar auf alle Forderungen eingeht, haben die Golfstaaten mit einem kompletten Abbruch aller Beziehungen gedroht. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass Katar vollständig einlenkt. Treibt Saudi-Arabien das Emirat also in die Arme Teherans? "Katar befindet sich eigentlich seit seiner Staatsgründung in einer außenpolitisch schwierigen Situation," erklärt Jochen Hippler, "weil nämlich das Haus Saud glaubt, dass Katar eigentlich zu Saudi-Arabien gehört und gehören sollte. Doch obwohl man sich ideologisch sehr nahe steht, fühlt sich Katar vom Iran weniger bedroht als von Saudi-Arabien."

Dennoch sei ein "Überlaufen" des Emirates auf die iranische Seite kaum zu erwarten. Da ist sich auch der iranische Nahostexperte Afshan Shahi sicher. Und das liege nicht nur an der räumlichen und ideologischen Nähe zu Saudi-Arabien. "Die größte US-Militärbasis im Nahen Osten, das Kommandozentrum aller US-Soldaten in der Region, befindet sich in Katar. Deshalb ist Katar eigentlich ein Schlüsselverbündeter der Vereinigten Staaten. Wie in den vergangenen Jahren, als der saudisch-iranische Konflikt immer stärker außer Kontrolle geriet, wird Katar auch jetzt mit allen Mitteln versuchen, in seinen Beziehungen zu Washington, Teheran und Riad die Balance aufrechtzuerhalten." Vor dem Hintergrund der nun geäußerten iranischen Hilfsangebote werde Katar Teheran sicher nicht die Tür vor der Nase zuschlagen, so Shahi. "Aber eine wie auch immer geartete Annäherung Katars an Teheran wird sicher nicht auf Kosten der katarisch-amerikanischen Beziehungen vonstattengehen."

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik