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"Die Tribute von Panem": Hollywood in Berlin

Scott Roxborough
16. November 2023

Imposante Bauten aus der Nazizeit inspirierten die Macher von "Die Tribute von Panem" beim Dreh zum Prequel: "The Ballad of Songbirds & Snakes" ebenso wie sozialistische und postindustrielle Architektur.

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Das Olympiastadion in Berlin filmisch verfremdet
Das Berliner Olympiastadion wurde für den Film mit Computertechnik ins dystopische Panem versetzt. Bild: Lionsgate/LEONINE Studios

Acht Jahre, nachdem Katniss Everdeen ihren letzten Pfeil abgeschossen hat, können die Fans des dystopischen Blockbusters "Hunger Games" (so der engl. Originaltitel) nach Panem zurückkehren: "The Ballad of Songbirds & Snakes" ist ein Prequel zur vierteiligen Erfolgsreihe und startet diese Woche weltweit in den Kinos.

Es basiert auf dem gleichnamigen Roman der "Die Tribute von Panem"-Autorin Suzanne Collins aus dem Jahr 2020 und spielt 64 Jahre vor den Ereignissen des ersten Films. Erzählt wird, welche Ereignisse dazu führen, dass der junge Coriolanus Snow zum tyrannischen Präsidenten von Panem wird (eine Rolle, die in den Originalfilmen von einem teuflisch auftretenden Donald Sutherland verkörpert wird).

Grausame "Spiele"

Panem ist ein junger Staat, und das herrschende Kapitol festigt seine Machtposition gegenüber den Distrikten mit tödlichen Hungerspielen. Ziel dieser Spiele ist es, dass sich 24 Tribute - 12 Mädchen und 12 Jungen aus den 12 Distrikten Panems - bis zum Tode bekämpfen, bis ein Einziger überlebt und als Sieger gekürt wird. Trainiert werden sie von sogenannten Mentoren.

In "The Ballad of Songbirds & Snakes" spielt Tom Blyth den ehrgeizigen 18-jährigen Mentor Snow. Er stammt aus einer einst mächtigen Familie, von deren Reichtum nicht viel übrig geblieben ist. Mit Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) bekommt er ein Mädchen aus dem ärmlichen Distrikt 12 zugeteilt, um es zum Sieg zu coachen. Und auch im Prequel sind die Kämpfe in der Arena das Herzstück des Films.

Als Lucy Gray während der Erntezeremonie, bei der die Tribute für die Hungerspiele ausgewählt werden, herausfordernd ein Lied anstimmt, wird sie zum Star, und Snow sieht eine Chance, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Aber wie der Filmtitel schon verrät, wird erst die Zeit zeigen, wer ein Singvogel und wer eine Schlange ist.

Ein Mann schaut einer Frau in die Augen, beide stheen in einem Käfig
Tom Blyth als Coriolanus Snow und Rachel Zegler als Lucy Gray Baird sind die Stars in dem neuen "Die Tribute von Panem"-Film Bild: Lionsgate/LEONINE Studios

Beliebtes Setting: das Berliner Olympiastadion

"The Ballad of Songbirds & Snakes" wurde größtenteils in Deutschland gedreht, wobei einige der beeindruckendsten Wahrzeichen des Landes für die verblassende Pracht des Nachkriegs-Panem herhalten. So auch die Karl-Marx-Allee in Berlin, ein Boulevard, der das kommunistische Ostdeutschland prachtvoll in Szene setzen sollte. Von 1949 bis 1961 hieß er "Stalinallee" - benannt nach dem sowjetischen Führer Joseph Stalin.

Der Strausberger Platz, ein beeindruckender Kreisverkehr auf ebendiesem Boulevard, taucht bereits nach 30 Sekunden im Trailer zum Film auf  - mit mehreren computeranimierten Elementen angereichert, die seine totalitäre Ausstrahlung unterstreichen. Das Berliner Olympiastadion in Charlottenburg ist heute die Heimat des Fußballvereins Hertha BSC, wurde aber einst von den Nazis für die Olympischen Sommerspiele 1936 gebaut.

Das imposante Gebäude mit seinen neoklassizistischen Säulen - eine Anlehnung an die griechische Architektur der Antike - diente bereits in der Vergangenheit mehrfach als Filmkulisse, darunter in dem Marvel-Film "Captain America: Civil War" und dem Bollywood-Action-Epos "Don 2" mit Shah Rukh Khan in der Hauptrolle. Es ist leicht nachzuvollziehen, warum die Produzenten von "The Hunger Games" diese Kulisse für geeignet hielten, Tyrannen und eine unterjochte Nation, die um ihre Freiheit kämpft, in Szene zu setzen. Hauptdarstellerin Rachel Zegler postete ein Bild von sich im Kostüm vor den Zwillingssäulen des Olympiastadions.

Ungewöhnliche Drehorte

Das "Tieranatomische Theater", das zur Berliner Humboldt-Universität gehört, wurde 1790 als Ausbildungsstätte für Veterinärmediziner errichtet. Das von dem Architekten Carl Gotthard Langhans entworfene Gebäude steht heute unter Denkmalschutz und ist der Öffentlichkeit seit der 2012 abgeschlossenen Restaurierung zugänglich. Es wird häufig für Kunstausstellungen genutzt.

Blick von oben in einen Hörsaal
​​​​Das Tieranatomische Theater diente einst als Hörsaal, heute finden hier Kunstausstellungen statt. Bild: Hannibal Hanschke/dpa/picture alliance

Das Zentralgebäude mit seinem kuppelüberwölbten Hörsaal ist ein Meisterwerk des preußischen Frühklassizismus und war für die Location Scouts der "Tribute von Panem" unwiderstehlich. Interessanterweise nutzte auch der Science-Fiction-Film "Aeon Flux" (2005) mit Charlize Theron in der Hauptrolle genau diesen Ort für eine Szene.

Mehrere Männer und Frauen in roten Jacken sitzen in Bänken vor hohen Geländern
Das Tieranatomische Theater in Berlin ist im Film der Ort, wo die Elite unterrichtet wird Bild: Courtesy of Lionsgate

Ein Krematorium scheint ein eher abwegiger Drehort für einen Hollywood-Blockbuster zu sein, aber das Krematorium Baumschulenweg, das von dem renommierten deutschen Architekten Fritz Eisel entworfen und 1999 eröffnet wurde, ist sowohl visuell beeindruckend als auch emotional anrührend. Das Gebäude im minimalistisch-modernen Stil soll einen funktionalen und würdigen Raum schaffen, in dem Menschen von ihren verstorbenen Angehörigen Abschied nehmen können. Für einen Filmemacher kann es auch eine nahe Zukunft heraufbeschwören, die nur ein paar Schritte von unserer eigenen entfernt ist.

Ein Saal mit Säulen und Vitrinen, in der Mitte steht eine Frau
Das modernistische Design des Krematoriums Baumschulenweg kommt in dieser Filmszene zur Geltung Bild: Courtesy of Lionsgate

Dystopische "Hunger Games"-Schauplätze außerhalb Berlins

Die Macher der "Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds & Snakes" fuhren kreuz und quer durch Deutschland, um geeignete Drehorte für das luxuriöse Kapitol und das Ödland der Außenbezirke zu finden. Einige Außendrehs wurden im Landschaftspark Duisburg-Nord im Westen Deutschlands durchgeführt. Das Gelände eines ehemaligen Hüttenwerks, das 1985 stillgelegt wurde, ist heute ein öffentlicher Park, in dem die Industriemaschinen - einschließlich einer 70 Meter hohen Plattform zur Überwachung der Landschaft - für die Öffentlichkeit zugänglich sind.

Türme und Gebäude des Landschaftsparks Duisburg-Nord
Industriekulisse: der Landschaftspark Duisburg-NordBild: CHROMORANGE/picture alliance

Im Osten Deutschlands drehten die Filmcrew einige Innenszenen am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig. Es ist eines der größten Kriegsdenkmäler Europas und wurde 1913 zum Gedenken an den 100. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 errichtet. Eine Allianz von Truppen aus Russland, Preußen, Österreich und Schweden besiegte unter der Führung des russischen Zaren Alexander I. und des österreichischen Generals Karl Philipp Fürst von Schwarzenberg die Truppen Napoleons. Auf beiden Seiten kämpften deutsche Soldaten, und die Schlacht, die den Beginn von Napoleons Untergang markierte, wird oft als Sinnbild für die Sinnlosigkeit des Krieges verwendet.

Das Völkerschlachtdenkmal vor einem umfriedeten See
Das Völkerschlachtdenkmal Leipzig spielt ebenfalls eine Rolle als Drehort Bild: Peter Schickert/picture alliance

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem Drehorte für die "Tribute von Panem" gefunden wurden. Mehrere Szenen wurden in Polen gedreht, insbesondere in der Jahrhunderthalle in Breslau. Der 42 Meter hohe imposante Bau aus Stahlbeton und Glas, der heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, wird von einer Kuppel mit 65 Metern Spannweite gekrönt - genau der Ort, der Panems Despoten Coriolanus Snow gut zu Gesicht steht.

Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords.