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Trotzt Niger dem Terror?

Philipp Sandner19. Januar 2016

Niger gilt als stabiler Hort in einer Krisenregion. Doch Staatszerfall und Terrorismus in den Nachbarländern bedrohen die Sicherheit im Land. Vor den Wahlen im Februar ist die Gefährdung konkreter denn je.

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Nigrische Soldaten patrouillieren in Nordostnigeria (Foto: AFP/Issouf Sanogo)
Archiv-Foto: Nigrische Soldaten im nigerianischen GrenzgebietBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Einen Monat vor den Wahlen in Niger lud die Deutsche Botschaft in der Hauptstadt Niamey zur Pressekonferenz. Mit dabei: Georg Schmidt, Afrikabeauftragter des Auswärtigen Amtes. "Uns als Partnern des Niger bereitet die Vorwahlsituation Sorgen. Die Spannungen nehmen zu", sagte Schmidt am Dienstag.

Am 21. Februar sind die Nigrer aufgerufen, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Die Gemüter sind erhitzt - spätestens, seit im November der bekannte oppositionelle Präsidentschaftskandidat Hama Amadou verhaftet wurde. Im Dezember entließ Präsident Mahamadou Issoufou nach einem vermeintlichen Putschversuch mehrere Armeechefs aus ihren Funktionen. Beobachter fürchten ethnische Spannungen und Gewalt zwischen den Haussa und den Zarma - den Volksgruppen, denen Issoufou und Amadou angehören.

Gefahr durch Terrorismus

Unterdessen nimmt die Bedrohung durch den Terrorismus zu. Mit dem Anschlag in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou wurde vergangene Woche ein weiteres Nachbarland Nigers zur Zielscheibe von Islamisten. Ado Mahaman, Politikwissenschaftler in der nigrischen Hauptstadt Niamey, sieht auch sein Land bedroht. "Kein Land kann sich gegen diese vernichtende Plage verteidigen", sagt er der Deutschen Welle. Der Terrorismus nehme verschiedene Formen an und sei daher schwer zu bekämpfen - gerade, weil sich Extremisten mit der Bevölkerung vermischen würden. Tatsächlich berichtete die französische Internetplattform Mondafrique Tage vor dem Anschlag in Ouagadougou, Niamey habe seine Sicherheitsvorkehrungen verschärft - aus Angst vor einem bevorstehenden Terrorakt.

Ob Mali, Libyen, Nigeria oder Burkina Faso: Niger ist umgeben von Ländern, in denen Staatszerfall und politische Krisen gewaltsame Konflikte und die Ausbreitung des Terrorismus beflügelt haben. Die Bedrohung aus Nigeria durch Boko Haram wurde im vergangenen Jahr sehr real: Die Terrormiliz führte seit Februar wiederholt Angriffe in der südostnigrischen Provinz Diffa durch. Viele Bürger flohen. Die Regierung verhängte daraufhin den Ausnahmezustand, verstärkte die militärische Präsenz und ernannte im September mit Abdou Kaza einen Brigadegeneral zum neuen Gouverneur der Provinz.

Demonstrant vor brennendem Reifen in Niamey, Niger (Foto: Getty/AFP/B. Hama)
Ausschreitungen nach der Verhaftung von Hama AmadouBild: Getty Images/AFP/B. Hama

Ein knappes Jahr später scheint die Lage wieder unter Kontrolle. Die Rebellen hätten ihre Gewalt nach Militärschlägen zuletzt immer stärker und aggressiver gegen die wehrlose Bevölkerung gerichtet, sagt Kaza im DW-Gespräch. "Diese Übergriffe lassen Gott sei Dank nach, weil sich unsere Sicherheitskräfte inzwischen auf die Vorgehensweise der Feinde eingestellt haben." Doch die Entwicklungen in Diffa zeigen, wie zerbrechlich der Frieden in Niger ist.

Tuareg besser integriert

Niger biete Islamisten einen fruchtbaren Boden, sagt Georg Klute im DW-Gespräch. Der Bayreuther Ethnologe ist seit Jahrzehnten regelmäßig im Land. Salafistische Gruppen oder ähnliche radikal-islamische Strömungen wie die Izala-Sekte hätten dort schon viele Anhänger. Doch während der Staatszerfall im Norden Malis den Terroristen Tür und Tor öffnete, blieb Niger bisher weitgehend vom Terror verschont. Klute sieht hierfür zwei Gründe: Zum einen die gute Überwachung durch einen starken Sicherheitsapparat und den Geheimdienst. Zum anderen ist die Bevölkerung fast ausschließlich muslimisch, und: "Es gibt nur wenige ethnische Gruppen im Niger und es gibt viele Verbindungen, auch Heiratsverbindungen, zwischen diesen Gruppen."

Entscheidend sei auch die bessere Integration der Tuareg, sagt Klute. Im benachbarten Mali ist die nomadisch lebende Volksgruppe seit Jahrzehnten marginalisiert. 2012 hatten dort unzufriedene Tuareg-Gruppen im Bündnis mit Islamisten zu den Waffen gegriffen und die Unabhängigkeit des Nordens erklärt. Im Niger hingegen sind die Tuareg in allen Landesteilen zu Hause - und auch in den politischen Institutionen vertreten. "Der Premierminister und der Gesundheitsminister sind Tuareg. Zahlreiche Tuareg arbeiten in der Hauptstadt, etwa in den Ministerien", so Klute.

Brigi Rafini , Ministerpräsident Niger 2012 (Foto: Mahmud Turkia/AFP/Getty Images)
Premierminister Brigi Rafini ist TuaregBild: Getty Images

Größte Gefahr: Perspektivlosigkeit

Dennoch bleibt die Angst vor einem Überschwappen der Konflikte. Die Regierung in Niamey beobachte mit Unmut, wie das Nachbarland Mali die islamistischen und nicht-islamistischen Gruppen in immer neuen Verhandlungsrunden gegeneinander ausspiele, sagt Klute. Gleichzeitig führe die starke internationale Militärpräsenz in Nordmali dazu, dass Menschenhändler und Waffenschmuggler ihre Routen zunehmend durch Niger führten. Zudem sorgte die nigerianische Terrormiliz Boko Haram über Monate für Unruhe in Nigers Südwestprovinz Diffa. Inzwischen konnten nigrische Spezialkräfte im Bund mit regionalen Truppen die Provinz offenbar weitgehend befrieden.

Doch Armut und ein Mangel an Arbeit machen die Menschen empfänglich für radikales Gedankengut. Und diese Probleme dürften sich in den nächsten Jahren verschärfen, denn die Bevölkerung wächst. "Eine ausgewogene Führung, die die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessert, ist ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Terrorismus", sagt Politikwissenschaftler Ado Mahaman.

Mitarbeit: Mahaman Kanta, Salissou Boukari