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Politik

Trumps Mann für den Balkan

Norbert Mappes-Niediek
18. September 2019

Die USA wollen politisch wieder mehr mitmischen auf dem West-Balkan. Sichtbares Zeichen dafür ist die Ernennung von Matthew Palmer zum US-Sonderbeauftragten. Ein Portrait.

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Matthew Palmer
Bild: picture-alliance/PIXSELL/S. Ilic

Einen "Holbrooke des 21. Jahrhunderts" sah schon das Belgrader Wochenblatt Vreme (Die Zeit) in Matthew Palmer - eine Erinnerung an den legendären US-Vermittler der 1990er Jahre, der mit Beharrlichkeit, Bombendrohung und intensivster Bearbeitung der Akteure den Friedensschluss in Bosnien erzwang. Dass US-Außenminister Mike Pompeo nun seinen Vize-Staatssekretär für Balkan und Ägäis zusätzlich zum Sonderbeauftragten für den Westbalkan ernannte, ist auf jeden Fall mehr als symbolische Politik. Gleich nach seiner Ernennung tourte der Spitzendiplomat durch die aktuellen Brennpunkte in der Region und machte so klar, dass - neben der EU, Russland, China und der Türkei - auch die USA auf dem Balkan künftig mehr mitsprechen wollen. Ob die Amerikaner, wie damals mit Holbrooke, nun auch die Führung in der Balkan-Politik übernehmen wollen, darf aber bezweifelt werden.

Der Politiker als Schriftsteller

Die US-Öffentlichkeit kennt Matthew Palmer vor allem als Schriftsteller. Schon Vater Michael war als Autor vielfach übersetzter Medizin-Thriller bekannt, Bruder Daniel hat sich auf Science Fiction verlegt. "Plots", "Geschichten", Erzähltechniken "waren zu Hause Tischgespräch", hat Matthew einmal erzählt. Alle drei Palmers schreiben oder schrieben - Michael starb 2013 - eingängig auf den Markt zu, ohne großen literarischen Anspruch. Matthews Diplomaten-Krimis werden im State Department alle sorgfältig gegengelesen - auf Passagen, die amerikanische Interessen gefährden könnten.

Von Richard Holbrooke, dem robusten Demokraten, unterscheidet den freundlichen, eher zurückhaltenden Palmer nicht nur der Charakter, sondern vor allem das Umfeld. Das große amerikanische Sendungsbewußtsein, einst unter Präsident Bill Clinton und später noch unter George W. Bush in voller Blüte, ist schon unter Barack Obama verblasst und unter Donald Trump erloschen. Dabei entstammt Palmer, der von Clintons Außenministerin Madeleine Albright gefördert wurde, durchaus der alten Tradition: Er beriet den jüngeren Bush und hat in fünf erfolgreichen Thrillern, die der Hobby-Autor veröffentlichte, tiefen Einblick in seine Gedankenwelt gegeben. Einer seiner Diplomaten-Krimis, in denen immer Persönlichkeiten miteinander und mit sich selber ringen, trägt sogar den Titel "Die amerikanische Mission".

Der "serbische Schwiegersohn"

Mit der Region ist Palmer vertraut wie kaum einer seiner Landsleute. Belgrad war 1993 die erste Auslandsstation des jungen Beamten, der sich bisher eher für den Fernen Osten interessiert und Japanisch gelernt hatte. Nach Stationen in Afrika, Asien und auf Zypern kehrte Palmer immer wieder auf den Balkan zurück - ganz wie der Held seines dritten Romans, "Der Wolf von Sarajevo", ein geistesverwandter US-Diplomat, den der Schrecken von Srebrenica nicht loslässt. In Belgrad lernte er seine Frau kennen, mit ihr verbringt er den größten Teil des Sommers im Ferienhaus an der Küste Montenegros. Serbiens Außenminister Ivica Dacic begrüßte Palmer auf dem Forum im slowenischen Bled in diesem Monat schon gleich als "serbischen Schwiegersohn" und ließ unter dem Gelächter des Auditoriums wissen, dass er gerade von ihm "viel" erwarte.

Matthew Palmer
Hat profunde Balkanerfahrung: Palmer (li.) mit dem mazedonischen Ministerpräsident Zoran Zaev 2018.Bild: Mazedonien Regierung

Ob die gute Kenntnis der Region ein Vorteil ist oder eher ein Nachteil, muss sich erst herausstellen. Die traditionell schrille Öffentlichkeit in Belgrad jedenfalls ist über Palmer geteilt: Sie sieht in dem "Schwiegersohn" einerseits einen natürlichen Alliierten, andererseits eine Art Einflussagenten. So soll sich Palmer - ganz in der Tradition amerikanischer Diplomaten - in serbische und kosovarische Regierungsbildung kräftig eingemischt und sogar bei der Gründung der in Serbien alles dominierenden Fortschrittspartei mitgeholfen haben.

Ganz der Ostküsten-Intellektuelle

In den letzten Monaten waren es vor allem Präsident Trump und sein Sicherheitsberater John Bolton, die die Balkanpolitik der USA bestimmten. So unterstützte Trump in zwei Briefen nachdrücklich die Idee eines Gebietstauschs zwischen Serbien und dem Kosovo - zum Entsetzen der versammelten Balkan-Fachwelt und vor allem der Deutschen. Seit Bolton vorige Woche seinen Job los war, schaut alles nun wieder auf das State Department. Anders als Bolton gehört Palmer, von seiner Herkunft ganz der Ostküsten-Intellektuelle und zu den bekennenden Fans des linken Belgrader Liedermachers Djordje Balasevic, gewiss nicht zu den ideologischen Republikanern, die alle multilateralen Konzepte ablehnen und auf hoch gerüstete Nationalstaaten vertrauen.

Wie er sich allerdings in der heiklen Frage der Grenzverschiebung positionieren wird, ist noch unklar. "Im Mittelpunkt jeder Geschichte steht immer eine Persönlichkeit", hat der Romanautor einmal gesagt. Sein schriftstellerisches Konzept ist, wie Palmers Thriller nahelegen, auch sein politisches: Im Mittelpunkt stehen mächtige Personen, nicht Strukturen oder die unartikulierten Interessen des gemeinen Volkes. Die machtbewussten Männer in Belgrad, Sarajevo, Banja Luka, Podgorica, Prishtina und Tirana wird es freuen.