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Politik

Trumps Politik reißt Familien auseinander

Michael Knigge
3. Oktober 2017

Nur Tage vor Beginn seines erhofften Collegestudiums wurde Lizandro Claros Saravia zusammen mit seinem Bruder nach Mittelamerika abgeschoben. Michael Knigge hat die Angehörigen besucht.

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USA Abschiebung Lizandro und Diego Claros Saravia
Bild: DW/M. Knigge

Es sind die kleinen Dinge, die seine Angehörigen vermissen, jetzt, wo Lizandro weg ist. Anfang August schoben die US-Einwanderungsbehörden den 19-Jährigen aus Germantown in Maryland zusammen mit seinem drei Jahre älteren Bruder Diego in ihr Heimatland El Salvador ab. "Jeden Tag, wenn er nach dem Training nach Hause kam, fragte er: 'Mama, was hast Du gekocht?'", sagt Lizandros Mutter Lucia Claros Saravia, die kaum Englisch spricht, auf spanisch. 

Und der 29 Jahre alte Bruder Jonathan fügt hinzu: "Jedesmal, wenn ich heimkomme, denke ich, Lizandro würde an seiner Playstation sitzen und Diego würde fernsehen oder schlafen. Du glaubst, sie seien hier, aber dann merkst du, dass sie weg sind."

"Er kam immer mit einem Lächeln zum Training", so Josh Zinngrebe. Bis zu Lizandros Abschiebung hat Josh mit ihm in derselben Fußballmannschaft gespielt, dem Bethesda Soccer Club, der es regional weit gebracht hat.

USA Abschiebung Lizandro und Diego Claros Saravia
Lizandro (Mitte im blauen Trikot) ist begeisterter Fußballer Bild: Claros Saravia family

Statt Studienplänen die Abschiebung

Wie viele seiner Mitspieler, die in die erfolgreiche Mannschaft aufgenommen wurden, träumte auch Lizandro davon, sein Können als Fußballer so weit zu verbessern, bis ein College auf ihn aufmerksam und ihm ein Stipendium anbieten würde. Dann, so sein Traum, würde er in der Collegemannschaft spielen und studieren können. Dieser Traum schien vor einigen Monaten tatsächlich in Erfüllung zu gehen, als ihm ein College in North Carolina ein Stipendium anbot. Nach dem Schulabschluss wollte er dort hingehen.

Doch im Gegensatz zu seinen Mitspielern waren Lizandro und sein Bruder illegal in die USA gekommen, damals waren sie 11 und 14. Sie hatten zwar keine Straftaten begangen, doch ihr Antrag, dass die Abschiebung ausgesetzt werde, wurde im Laufe der Jahre immer wieder abgelehnt. Immerhin wurden sie weiterhin im Land geduldet.

Das änderte sich, als Donald Trump Präsident wurde und er bald darauf seinen Kampf gegen illegale Einwanderer aufnahm. Als Lizandro, der sich regelmäßig bei den Einwanderungsbehörden melden musste, bei einem der Besuche dort von seinen Collegeplänen erzählte, wurden er und sein Bruder auf der Stelle verhaftet. Und am selben Tag, als Lizandro sein Studium in North Carolina aufnehmen wollte, wurden er und sein Bruder abgeschoben. Ein Anwalt, der die beiden Brüder vertreten hatte, sagte der "Washington Post", noch nie habe er eine so schnelle Abschiebung erlebt.

"Ich habe großartige Jungs"

"Als ich an dem Tag den Anruf bekam, war das der schlimmste meines Lebens", sagt Jonathan über den Moment, als seine verhafteten jüngeren Brüder sich bei ihm meldeten, um ihm zu sagen, sie würden nach El Salvador abschoben. Sie durften bis zur Ausreise noch nicht einmal ihre Familie sehen. "Ich bin so traurig, weil man ihnen ihre Träume genommen hat", sagt die Mutter und wischt sich dabei Tränen aus dem Gesicht. "Ich habe großartige Jungs. Sie hatten nie mit Drogen zu tun. Sie wollten doch nur lernen, arbeiten und Fußball spielen. Sie haben nichts verbrochen."

Wie Lizandros Familie kommen auch seine Mitspieler und Trainer in der Fußballmannschaft kaum mit der Zwangsabschiebung ihres Kameraden zurecht. Man hält hier sehr eng zusammen. "Wir sind immer noch entsetzt", sagt Brett Colton, Lizandros Trainer. Colton kennt Lizandro, seit der vor vier Jahren in die Mannschaft aufgenommen wurde. "Es hat unsere Gemeinschaft hart getroffen. Wir denken immer noch jeden Tag an ihn. Er hat sich so angestrengt, um zum College zu gehen."

USA Abschiebung Lizandro und Diego Claros Saravia
Unterstützer der beiden Brüder bei einer Demonstration vor dem Weißen HausBild: Claros Saravia family

"Er hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen"

Lizandros Mitspieler Josh Zinngrebe steht mit ihm regelmäßig über die Chatgruppe der Mannschaft in Kontakt. Aber das kann die Leere nicht füllen, die seine Abschiebung hinterlassen hat. "Ich glaube nicht, dass man sich je von diesem Schock erholen kann", sagt Zinngrebe, "weil er so ein großartiger Mitspieler und feiner Kerl war. Er hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen."

Nach der Abschiebung nach El Salvador, eines der gewalttätigsten Länder der Welt, blieben Lizandro und sein Bruder zunächst bei Verwandten. Aus Angst vor den Bandenkriegen, die das Land überziehen, hätten sie jedoch kaum das Haus verlassen, sagt ihr älterer Bruder Jonathan. Wo eine Rückkehr in die Vereinigten Staaten auf absehbare Zeit nicht infrage kommt, hat sich die Familie in Maryland - der Bruder Jonathan, die Mutter Lucia, der Vater José und die Schwester Fatima - einen Weg ausgedacht, die beiden aus El Salvador herauszubekommen.

Nicaragua statt North Carolina

"Es blieb ihnen dort nichts anderes übrig, als ständig im Haus zu hocken", so Jonathan. Die Familie setzte sich zusammen und überlegte, wie sie die Brüder aus der Gefahr herausbringen und ihnen eine Ausbildung für die Zukunft ermöglichen könne. Eine Gelegenheit bot sich schließlich, als sich beide an einem Ableger einer amerikanischen Universität in Nicaragua einschreiben konnten. "Dort sind sie viel sicherer, und sie studieren jetzt sehr eifrig", sagt Jonathan und fügt hinzu, zwar seien alle froh, dass die Brüder jetzt in Nicaragua studieren könnten, die Familie hoffe aber immer noch, dass alle irgendwann in Maryland wieder zusammenkommen könnten.

Eine Sprecherin der in Miami ansässigen Keiser-Universität bestätigte, Lizandro und Diego Claros Saravia seien bei ihrer Dependance in San Marcos, Nicaragua, eingeschrieben. "Beide spielen Fußball und haben Stipendien", schreibt Kelli Lane in einer E-mail. Aus Datenschutzgründen könne sie aber keine weiteren Fragen über die Brüder und ihre Lebensumstände beantworten.

USA Abschiebung Lizandro und Diego Claros Saravia
Lizandro und Diego am Flughafen in El SalvadorBild: Claros Saravia family

Einheit der Familie erneut bedroht

Doch jetzt, da die Familie froh ist, dass Lizandro und Diego ein Studium aufgenommen haben, steht sie vor einem neuen Problem. Fatima, Lizandros und Diegos 25 Jahre alte Schwester, war bisher das einzige Familienmitglied, das im Rahmen des DACA-Programms vorläufig vor Abschiebung geschützt war. DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals) galt bisher für Personen, die als Minderjährige illegal in die USA eingewandert sind. Wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllten, waren sie für zwei Jahre vor der Abschiebung sicher und konnten eine Arbeitserlaubnis erhalten. Präsident Trump hat die Regelung aber im September gestoppt. Dadurch könnte Fatima das gleiche Schicksal wie ihre Brüder erleiden, wenn ihre Duldung Anfang kommenden Jahres ausläuft: eine Abschiebung nach El Salvador droht.

Vor wenigen Tagen hat Fatima eine letzte Duldungsverlängerung beantragt. Wenn dem Antrag stattgegeben wird, könnte sie zwei weitere Jahre in den USA leben und arbeiten, sagt ihr Bruder Jonathan. "Wir hoffen, sie bekommt bald die Genehmigung."