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Träumer gefragt

Karen Fischer22. Januar 2003

Die deutsch-französische Freundschaft wird zurzeit beschworen wie schon lange nicht mehr. Der Anlass: Der Elysée-Vertrag wird 40 Jahre alt. Doch Beobachter sehen darin leere Rituale. Was fehlt, ist eine neue Vision.

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Keiner spricht die Sprache des anderen: Kanzler Schröder und Präsident ChiracBild: AP

Es waren die Beziehungen der jeweiligen Staatsmänner zueinander, die in den letzten Jahrzehnten die deutsch-französische Zusammenarbeit prägten. Zunächst das Duo Konrad Adenauer/Charles de Gaulle. Ihnen gelang die politische Sensation: Die Unterzeichnung des Elysée-Vertrages im Jahr 1963. Bis dahin war die gemeinsame Geschichte eher von Krieg als von Kooperation geprägt. Der Vertrag läutete jedoch eine neue Ära ein und legte den Grundstein für Zusammenarbeit und freundschaftliche Beziehungen.

Unvergessen auch das Bild eines späteren deutsch-französischen Regierungs-Duos: Helmut Kohl und Francois Mitterand reichten sich 1984 während einer Gedenkfeier für die Toten der beiden Weltkriege auf dem Soldatenfriedhof von Verdun die Hand – ein neuer Höhepunkt nach fast 20 Jahren vertraglich geregelter Freundschaft.

Interessen wiegen schwerer

Doch der ehemalige Diplomat und Autor eines Buches über den Elysée-Vertrag, Manfred Steinkühler, lehnt den Begriff der Freundschaft im Zusammenhang mit den deutsch-französischen Beziehungen ab. Denn "Freundschaft kann es zwischen Individuen geben, aber ich habe große Zweifel, ob es Freundschaft zwischen großen Gemeinschaften, zwischen Völkern geben kann", meint Steinkühler im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Zwischen Staaten gehe es vielmehr um Interessen. Und auch der Elysée-Vertrag gleiche Interessen ab. Das Besondere an diesem Vertrag: Die beiden Vertragspartner sind verpflichtet, in bestimmten Feldern der Außenpolitik der Verteidigungspolitik, der Erziehungspolitik und der Jugendpolitik zu gleichgerichteten Haltungen zu kommen.

Ein ewiger Vertrag

Der größte Erfolg des Elysée-Vertrages ist unübersehbar: Deutschland und Frankreich wurden zur treibenden Kraft einer europäischen Einigungsbewegung. Doch hat sich der bilaterale Elysée-Vertrag im Zeitalter von Europäischer Union und Euro nicht längst überlebt? Experte Manfred Steinkühler ist sich sicher, dass der Vertrag weiterhin eine wichtige Rolle spielen werde.

Über Jahrhunderte hinweg habe die deutsch-französische Erbfeindschaft zu politischen Erschütterungen in ganz Europa geführt. Deshalb sei dieser Vertrag von so großer Bedeutung – nicht nur für Deutschland und Frankreich, sondern auch für die weitere Entwicklung Europas. "Dies ist ein auf die Zukunft angelegter Vertrag, der übrigens auch keine Kündigungsklausel hat", betont Steinkühler. Er löse einen permanenten Prozess der Abstimmung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik aus.

Auf der Suche nach dem alten Traum

In den letzten Jahren gestaltete sich dieser Abstimmungsprozess aber zunehmend schwieriger. Immer mehr Misstöne schlichen sich in die Beziehungen der beiden Länder. Vor allem in der Außenpolitik – Stichwort Irakkrise - und in Fragen der EU-Osterweiterung waren sich Paris und Berlin nicht immer einig.

Für Marc Nouschi, den Direktor des Berliner Institut Francais, sind daher die goldenen Zeiten der deutsch-französischen Beziehungen vorbei. Ausgerechnet der Elysée-Vertrag, mit dem alles anfing, habe dazu beigetragen, die Beziehung zwischen beiden Ländern zu ritualisieren. Es sei eine politische Routine entstanden, die oft kontraproduktiv sei. Nouschi meint zudem, dass es sowohl Jacques Chirac als auch Gerhard Schröder am Geschichtssinn ihrer Amtsvorgänger mangele.

Er glaubt, das Problem gefunden zu haben: "Was sehr wichtig war in den deutsch-französischen Beziehungen, war die Kapazität, visionär zu sein. Und es fehlt diese Vision, diese Perspektive, oder auch dieser Traum. Wie kann man mit Europa und den deutsch-französischen Beziehungen träumen? Das ist die Frage."