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Tschuri atmet uralten Sauerstoff aus

Judith Hartl28. Oktober 2015

Die Raumsonde Rosetta hat Sauerstoffmoleküle auf dem Kometen Tschuri gefunden. Was daran so besonders ist? Es dürfte sie laut der gängigen Theorien über die Entstehung unseres Sonnensystems gar nicht geben.

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Raumfahrt ESA Weltraumsonde Rosetta
Bild: picture-alliance/dpa/DLR

Der dunkelste Komet im Sonnensystem

Rosetta ist verlässlich. Unermüdlich kreist die Raumsonde um den Kometen Tschuri, der offiziell 67P/Tschurjumow-Gerassimenko heißt, den aber alle Tschuri nennen. Das klingt sympatisch und lässt sich leichter merken.

Rosetta ist eine Erfolgsgeschichte. Vor fast einem Jahr gelang es der Sonde, das mitgebrachte Landegerät "Philae" auf Tschuri abzusetzen.

So etwas gab es bislang noch nie, die Forscher waren begeistert. Während Philae jedoch schon nach wenigen Tagen in eine Art Tiefschlaf fiel (er landete dummerweise im Schatten und bekam dadurch nur unzureichend Sonnenenlicht für die Stromversorgung) und nur kurz wieder aufwachte, schnurrt Rosetta fleißig um Tschuri herum und sammelt wertvolle Informationen über den Steinbrocken.

Insgesamt elf wissenschafliche Geräte hat Rosetta dafür an Bord. Darunter ein Massenspektrometer namens Rosina (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis), das schon allerlei Auskunft über den Charakter des Kometen geliefert hat. Zum Beispiel, dass Tschuri stinkt - nach faulen Eiern und Pferdestall. Der Grund für diesen, nun ja, gewöhnungsbedürftigen Gestank sind unter anderem Schwefelwasserstoff und Ammoniak, zwei chemische Substanzen, die Rosina eindeutig identifizieren konnte.

Jetzt eine neue Meldung - in Tschuris Atmosphäre soll es auch Sauerstoffmoleküle geben. Sie habe ihren Augen nicht getraut, als sie die Messergebnisse des Massenspektrometers Rosina zum ersten Mal sah, sagt Projektleiterin Kathrin Altwegg von der Universität Bern. Denn Sauerstoff ist äusserst reaktiv und überlebt nicht lange.

Normalerweise hätte er sich schon sehr früh in der Geschichte unseres Sonnensystems mit dem reichlich vorhandenen Wasserstoff zu Wasser verbinden müssen, versichert Altwegg: "Wir hätten niemals gedacht, dass Sauerstoff für Milliarden von Jahren überleben kann!"

Er konnte offensichtlich überleben. Das bestätigten weitere Analysen. In der aktuellen Ausgabe des britischen Magazins "Nature" schreibt das Berner Team, dass in Tschuris Atmosphäre auf hundert Wassermoleküle etwa vier Sauerstoffmoleküle kommen. Damit sei molekularer Sauerstoff (O2) nach Wasser (H2O), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) das vierthäufigste Molekül in der Gashülle des Kometen.

Woher der viele molekulare Sauerstoff kommt, können die Forscher bislang nur vermuten. Er müsse aus der Zeit stammen, als Tschuri entstanden ist. Am wahrscheinlichsten sei, sagen sie, dass der Sauerstoff sehr früh, schon vor Beginn der Entstehung des Sonnensystems im Kometenkern eingefroren sei.

Diese Vermutung widerspricht jedoch den gängigen Theorien über die Entstehung unseres Sonnensystems. Diese gehen davon aus, dass der Urzeit-Staub, aus dem sich vor 4,6 Milliarden Jahren Kometen und Planeten formten, wild durchmischt wurde und dabei die aus zwei Atomen bestehenden Sauerstoff-Moleküle komplett zerstört wurden. Kometenforscherin Altwegg folgert daraus, dass dieser "Hinweis auf Sauerstoff als eine urzeitliche Substanz sicherlich einige theoretische Modelle von der Bildung des Sonnensystems infrage stellen" werde.

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