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Tsipras deutet Rücktritt an, Varoufakis Klage

30. Juni 2015

Der griechische Ministerpräsident verbindet seine politische Zukunft mit dem Ausgang der Volksabstimmung über den Spar- und Reformkurs. Sein Finanzminister droht den EU-Institutionen mit juristischen Schritten.

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Griechenland Yanis Varoufakis und Alexis Tsipras im Parlament in Athen
Bild: L. Gouliamaki/AFP/Getty Images

Wenn bei dem Referendum über die Forderungen der internationalen Geldgeber am Sonntag ein "Ja" herauskomme, "bin ich nicht für alle Zeiten Ministerpräsident", sagte Alexis Tsipras im staatlichen Fernsehen. Seine Regierung werde bei der Volksabstimmung zwar ein "Ja" der Bevölkerung respektieren. "Wir werden aber nicht diejenigen sein, die sie ausführen", unterstrich der Politiker von der linksgerichteten Syriza-Partei.

Tsipras hatte am Wochenende überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestoßen. Daraufhin entschieden die Euro-Finanzminister, das aktuelle Hilfsprogramm nicht - wie von Tsipras gewünscht - um einige Tage zu verlängern. Wegen den geplatzten Verhandlungen waren die Finanzmärkte am Montag weltweit eingebrochen.

IWF-Rate wird nicht bedient

In der Nacht zum Mittwoch läuft das Hilfsprogramm der Euro-Länder für das finanziell angeschlagene Land aus. An diesem Dienstag wird Athen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Kreditrate von 1,5 Milliarden Euro aller Voraussicht nach nicht zurückzahlen können und damit in die Pleite rutschen.

Tsipras sagte dazu, er stehe bereit, die Verhandlungen mit den europäischen Partnern wieder aufzunehmen. Sollten sie umgehend ein Angebot unterbreiten, werde Griechenland seine Zahlungsverpflichtungen am Dienstag erfüllen. "Mein Telefon ist den ganzen Tag an. Wer immer auch anruft, ich nehme immer ab". Kurz zuvor hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärt: "Griechenland hat angekündigt, den IWF nicht zu bezahlen, damit entfällt jede künftige Zahlung durch den IWF."

Griechenland Athen Tsipras im TV Studio Interview
Im TV-Interview deutete Ministerpräsident Tsipras seinen Rücktritt an - je nach Ausgang des ReferendumsBild: picture-alliance/AP Photo/T, Stavrakis

Im Fernsehen forderte Tsipras seine Landsleute auf, den Spar- und Reformforderungen der Gläubiger eine Absage zu erteilen. Je stärker das "Nein" ausfalle, desto besser werde die Position Griechenlands in folgenden Verhandlungen sein. Mindestens 20.000 Anhänger der Regierung demonstrierten für die Politik von Tsipras. Er argumentiert, Auflagen wie etwa Rentenkürzungen wären unsozial und würden die schlechte Wirtschaftslage noch verstärken. Die Gläubiger fordern dagegen Strukturmaßnahmen, um das Land langfristig wettbewerbsfähiger zu machen.

Europas Spitzenpolitiker appellieren derweil an die Griechen, mit "Ja" zu stimmen. "Ein 'Nein' würde ein Nein zu Europa heißen, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, man werde sich weiteren Verhandlungen nicht verschließen, wenn Athen nach der Volksabstimmung darum bitten sollte.

Tausende Griechen demonstrieren vor dem Parlament für ein "Nein" beim Referendum (Foto: afp)
Tausende Griechen demonstrieren vor dem Parlament für ein "Nein" beim ReferendumBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Ratingagenturen schlagen zu

Am Abend stufte die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Griechenlands nach der Ankündigung eines Referendums weiter herab. Die US-Agentur senkte die Bonität des Landes von CCC auf CCC-, was einer Stufe vor dem kompletten Zahlungsausfall entspricht. Die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone liege nun bei rund 50 Prozent. Der Ausblick sei negativ. Zur Begründung erklärte Standard & Poor's, sie werte die Volksabstimmung als "weiteren Hinweis", dass die Regierung Tsipras der Innenpolitik Priorität vor der finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität Griechenlands sowie vor Schuldzahlungen und der Mitgliedschaft in der Eurozone geben werde.

Fast zeitgleich bescheinigte die Ratingagentur Fitch vier griechischen Banken einen teilweisen Zahlungsausfall. Die Ratingagentur brachte damit ihre Einschätzung zum Ausdruck, dass die Griechische Nationalbank (NBG) sowie die Geldhäuser Piraeus, Eurobank und Alpha zahlungsunfähig gewesen wären, wenn die Regierung in Athen ab Montag nicht Kapitalverkehrskontrollen eingeführt hätte. Ihre Kreditwürdigkeit wurde daher von CCC beziehungsweise C auf RD herabgestuft, was für "Restricted Default" (Begrenzter Zahlungsausfall) steht.

Banken und Börsen geschlossen

Die Banken hätten stark unter dem massenhaften Abheben von Guthaben besorgter Kunden sowie unter der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) gelitten, die Notfallkredite des sogenannten ELA-Programms für griechische Banken nicht weiter anzuheben, erklärte Fitch.

Ohne frisches Geld droht Griechenland binnen wenigen Tagen der Bankrott. Um einen Kollaps des Bankensektors zu verhindern, hatte die Regierung in Athen Kapitalverkehrskontrollen und eine einwöchige Schließung der Banken angeordnet. An Geldautomaten dürfen Griechen seit Montag maximal 60 Euro pro Tag abheben, für ausländische Bankkarten soll die Beschränkung aber nicht gelten. Seit Monaten ziehen Unternehmen und Privatleute aus Sorge um den Verbleib des Landes in der Euro-Zone Milliarden Euro von ihren Konten ab.

Varoufakis droht mit Klage

Für eine schärfere Tonart sorgte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Sollte sein Land aus dem Euro ausgeschlossen werden, müssten sich die EU-Institutionen auf eine Klage einrichten.

"Die EU-Verträge haben keine Regleung für einen Ausstieg aus dem Euro und wir weigern uns, diesen zu akzeptieren", sagte Varoufakis in einem Interview der britischen Zeitung "Daily Telegraph". Griechenlands Mitgliedschaft sei nicht verhandelbar, nötigenfalls ziehe man eine gerichtliche Verfügung des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Institutionen in Erwägung, so Varoufakis.

kle/qu (rtr, dpa, afp)