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LiteraturAfrika

Tsitsi Dangarembga schuldig gesprochen

Privilege Musvanhiri
29. September 2022

In allen Punkten schuldig, sechs Monate auf Bewährung plus Geldstrafe - so lautet das Urteil des Gerichts in Harare im Prozess gegen die Autorin und Preisträgerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

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Porträtbild von Tsitsi Dangarembga, die seitlich in die Kamera guckt
Weltweit gefeiert, vom eigenen Land verurteilt: Die Schriftstellerin Tsitsi DangarembgaBild: Jens Kalaene/picture alliance/dpa

Der Prozess war zermürbend und zog sich über zwei Jahre hin - auch die Urteilsverkündung war mehrfach verschoben worden. Doch nun hat der Antikorruptionsgerichtshof Simbabwes in der Hauptstadt Harare die Autorin Tsitsi Dangarembga in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, ausgesetzt für fünf Jahre. Außerdem muss die Schriftstellerin eine Strafe von 70.000 simbabwischen Dollar (rund 200 Euro) zahlen. Dasselbe Urteil sprach das Gericht für Damgarembgas Mitangeklagte, die Journalistin Julie Barnes, aus. 

Sechs Monate auf Bewährung und Geldstrafe

Barbara Groeblinghoff, eine Prozessbeobachterin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Harare, teilte der Deutschen Presseagentur mit, Dangarembgas Verteidiger habe mildernde Umstände vorgebracht und dafür plädiert, von einer drohenden Haftstrafe abzusehen. Stattdessen solle das Gericht Dangarembga zum Dienst an der Gemeinschaft verurteilen.

Julie Barnes und Tsitsi Dangarembga mit Mundschutz vor dem Gerichtsraum in Harare
Insgesamt 32 Mal mussten Julie Barnes und Tsitsi Dangarembga persönlich vor Gericht erscheinenBild: Privilege Musvanhiri

Die 63 Jahre alte Dangarembga zeigte sich nach der Urteilverkündung erschüttert. In einer gemeinsamen Mitteilung mit Barnes bezeichnete die Autorin die Entscheidung des Gerichts als "Warnsignal". "Uns Simbabwern wurde das Recht abgesprochen, unsere Meinung im öffentlichen Diskurs frei zu äußern", so die beiden Frauen in ihrer Stellungnahme. 

Gurnah: Schikane starker Stimmen

Der tansanische Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah sagte infolge der Verurteilung: "Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie autoritäre Regierungen versuchen, starke Stimmen zu schikanieren."

"Die Verurteilung ist nicht nachvollziehbar, das Recht auf freie Meinungsäußerung ist auch in der Verfassung von Simbabwe verankert", meint Mariëtte Rissenbeek, die Geschäftsführerin der Berlinale, deren Jury-Mitglied Dangarembga Anfang des Jahres war.

Die Bewährungsstrafe bedeute "fünf Jahre still sitzen und nicht protestieren und sich nicht politisch äußern, weil sonst Haft droht", so Dangarembgas Verlegerin Annette Michael gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Das heißt, eine wichtige politische Stimme zum Schweigen bringen für fünf Jahre! Wir sind schockiert und bewundern den Mut von Tsitsi Dangarembga, sich diesen Strapazen auszusetzen."

Friedliche Demonstration

Die Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels wurde verhaftet und schließlich angeklagt, weil sie sich im vergangenen Juli gemeinsam mit ihrer Kollegin Julie Barnes einer friedlichen Demonstration angeschlossen hatte. Im Vorfeld war die Bevölkerung angewiesen worden, zu Hause zu bleiben. Hunderte Polizisten und Soldaten waren im Einsatz, um die Maßnahmen durchzusetzen. 

Das Land im südlichen Afrika befindet sich seit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Robert Mugabe und der anschließenden Machtübernahme durch seinen ehemaligen Stellvertreter Emmerson Mnangagwa im Jahr 2017 in einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise.

Dangarembga und Barnes trugen Plakate bei sich, die Reformen, die Befreiung inhaftierter Journalisten sowie "ein besseres Simbabwe für alle" forderten. Angeblich hätten sich die Frauen damit des Landfriedensbruchs, der Bigotterie und der Anstiftung zu Gewalt schuldig gemacht - ein Vorwurf, der in der Vergangenheit zur Verhaftung von mehreren anderen Demonstranten und Aktivisten geführt hat, die sich regierungskritisch äußerten.

Vorwürfe: öffentlicher Aufruf zu Gewalt, Landfriedensbruch, Bigotterie

Etwa der Enthüllungsjournalist Hopewell Chi'Nono, der 2020 aufgedeckt hatte, dass Regierungsmitglieder Geld zur Pandemiebekämpfung in den eigenen Taschen verschwinden ließen und zu Protesten aufgerufen hatte. Einen Monat lang saß er daraufhin in Untersuchungshaft und wurde misshandelt.

Das Anwaltsteam von Tsitsi Dangarembga: Chris Mhike, Beatrice Mtetwa und Doug Coltart
Der juristische Beistand von Tsitsi Dangarembga (v.l.n.r.): Chris Mhike, Doug Coltart und Beatrice MtetwaBild: Privilege Musvanhiri

Schätzungen der Organisation "Simbabwe Lawyers for Human Rights" ("Simbabwische Anwälte für Menschenrechte") zufolge wurden in den letzten drei Jahren mehr als 1000 Personen wegen verschiedener menschenrechtsbezogener "Verbrechen" vor Gericht gestellt und teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt. Besorgniserregend sei auch die Länge der Verfahren, durch die die Angeklagten mürbe gemacht werden sollten: "Es ist erschöpfend, immer wieder vor Gericht erscheinen zu müssen", so der simbabwische Menschenrechtsanwalt Doug Coltart, der in den vergangen Jahren mehrere Aktivisten in Harare vor Gericht vertreten hat.

Immer mehr Menschen als regierungskritisch eingestuft

"Oft gibt es belastende Kautionsauflagen und die Menschen werden unter Hausarrest gestellt. Ihre Pässe werden ihnen abgenommen, manchmal werden ihnen sogar die Eigentumsurkunden entzogen. Auf diese Weise wird jemand bestraft, bevor er überhaupt verurteilt wurde."

Mutige Aktivistin: Tsitsi Dangarembga

Die Prozesse gegen Dangarembga und anderer Aktivisten werden in Simbabwe vor dem sogenannten Antikorruptionsgericht geführt. 2018 als Abteilung des Obersten Gerichtshofs eingerichtet, soll es die Verhandlung von Korruptionsfällen beschleunigen und untersteht als einziges nicht dem Justizministerium, sondern direkt dem Büro von Präsident Emmerson Mnangagwa. "Es ist wirklich eine Farce, dass die Prozesse vor einem Antikorruptionsgericht stattfinden", so Rechtsanwalt Coltart. "Es scheint, dass in diesem Gericht andere Regeln gelten. Kautionen werden häufiger und routinemäßig verweigert."

Massive Freiheitsbeschränkungen

Die Verfassung Simbabwes garantiert das Recht auf friedliche Demonstration, freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, die Anwendung des Gesetzes sehe jedoch anders aus, so Christopher Mhike: "Die Einschränkung der Freiheiten in unserem System hat eine abschreckende Wirkung auf die Fähigkeit der Bürger, sich frei zu äußern", so Tsitsi Dangarembgas Anwalt gegenüber der DW. "Während die Verfassung von Redefreiheit in Simbabwe spricht, müssen sich viele fragen, ob es nach der Rede überhaupt noch Freiheit gibt."

Dangarembga hält ein Plakat mit der Aufschrift "We want better reform our institutions" hoch
Dangarembga kämpft seit Jahren in ihrem Heimatland gegen Korruption und für Reformen Bild: Zinyange Auntony/AFP

Dangarembga selbst hatte sich im Interview mit der DW im vergangenen Jahr ähnlich geäußert: "In Simbabwe gibt es einen Witz: Es gibt Freiheit VOR der Meinungsäußerung, aber es gibt keine Freiheit NACH der Meinungsäußerung", so die 1959 geborene Autorin. Dennoch wolle sie ihrem Land nicht den Rücken kehren: "So ist das Leben in Simbabwe. Ich bin eine Simbabwerin und lebe in Simbabwe. Und das scheint ein Teil des Lebens in Simbabwe zu sein."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Mitarbeit: Annabelle Steffes-Halmer

Letzte Aktualisierung: 30. September 2022