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PolitikTürkei

Türkei-Wahlen: Ogan - vom Außenseiter zum Königsmacher

22. Mai 2023

Erdogan oder Kilicdaroglu: Wer künftig die Türkei regieren wird, wird am 28. Mai in einer Stichwahl entschieden. Dabei will jetzt ein Außenseiter eine entscheidende Rolle spielen: Sinan Ogan vom ATA-Bündnis.

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Porträtaufnahme von Sinan Ogan, links neben ihm die türkische Flagge
Sinan Ogan - gilt als Königsmacher bei der kommenden StichwahlBild: Hakan Nural/AA/picture alliance

Der in der ersten Runde gescheiterte türkische Präsidentschaftskandidat und Ultranationalist Sinan Ogan hat seine mit Spannung erwartete Wahlempfehlung ausgesprochen und dabei Staatschef Recep Tayyip Erdogan für die Stichwahl am Sonntag seine Unterstützung zugesagt. "Ich rufe die Wähler, die im ersten Wahlgang für uns gestimmt haben, auf, im zweiten Wahlgang für Erdogan zu stimmen", sagte Ogan am Montag in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. Damit steigen die Chancen auf einen Wahlsieg für den Favoriten Erdogan weiter. 

Fremdenfeindliche Aussage Sinan Ogans auf Twitter

"Flüchtlinge sind die größte Gefahr für unsere Wirtschaft, Kultur, öffentliche Ordnung, innere und äußere Sicherheit. Jetzt kommt die Zeit, dass sie nach Hause geschickt werden", so schrieb der Präsidentschaftskandidat des ultranationalistischen und rechtspopulistischen ATA-Bündnisses Sinan Ogan vergangene Woche auf Twitter.

 Ogan bekam mit seinem Tweet viel Zuspruch. Rund 5,5 Millionen Flüchtlinge leben Schätzungen zufolge derzeit in der Türkei. Nach der Pandemie und Wirtschaftskrise und nach den verheerenden zwei großen Erdbeben sind diese nicht willkommen. 

Flüchtlinge spielten bei dem Wahlkampf von Sinan Ogan eine wesentliche Rolle. Ogan will sie zurückschicken. In seinen Beiträgen auf den sozialen Medien werden Syrer oft als kriminell und gefährlich dargestellt, während das Türkentum hochgelobt wird.

Bei der Wahl am Sonntag hat der aussichtslose Kandidat Ogan den dritten und letzten Platz belegt. Überraschenderweise hat er aber 5,1 Prozent der Stimmen erhalten. Auf den amtierenden Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan fielen 49,5 Prozent, der damit die nötige Mehrheit für den Sieg im ersten Wahlgang knapp verpasst hat. Sein Herausforderer Kilicdaroglu, der Kandidat des größten Oppositionsbündnisses, hat rund 45 Prozent der Stimmen erhalten.

Porträtaufnahme des Oppositionskandidaten Kemal Kilicdaroglu
Präsidentschaftskandidat der Opposition Kemal Kilicdaroglu auf einer Wahlveranstaltung in der Stadt BursaBild: Murad Sezer/REUTERS

Mit dem unerwartet hohen Stimmenanteil von 5,1 Prozent könnte nun der Nationalist Sinan Ogan den Verlauf der Stichwahl beeinflussen.

Lange war unklar, ob er eine Wahlempfehlung aussprechen würde. Nun hat er sich für Erdogan ausgesprochen und seine Wähler dazu aufgerufen, am 28. Mai für Erdogan zu stimmen.    

Ogan hat sein Ziel erreicht

Sinan Ogan hat von Anfang an darauf abgezielt, die Wahl erst in der zweiten Runde entscheiden zu lassen. Auf diese Weise wollte er wohl die Hauptakteure Erdogan und Kilicdaroglu zu Verhandlungen zu seinen Bedingungen zwingen. Vor den Wahlen hat Ogan beide Kandidaten heftig wegen der mutmaßlichen Zusammenarbeit mit den Kurden kritisiert. Dem Regierungslager warf er vor, mit der prokurdischen Islamistenpartei HÜDAPAR zu kooperieren.

Das Oppositionsbündnis wiederum hat Ogan angeprangert, weil es die Unterstützung der prokurdischen Partei HDP für seinen Kandidaten Kilicdaroglu eingeholt hat. Ogan sieht die HDP, die drittstärkste Kraft im Parlament, eher der Terrororganisation PKK nahe.

In einem Interview des Senders CNN International erklärte Erdogan, er werde sich den Forderungen Ogans nicht beugen. "Es wird das Volk sein, das der Königsmacher ist", sagte er. Am vergangenen Freitag kam es dann allerdings überraschend zu einem einstündigen Treffen zwischen Erdogan und Ogan in Istanbul, über das keine Einzelheiten an die Öffentlichkeit drangen.

Stichwahl ist auch Schicksalswahl

In der Türkei herrscht seit 2018 das Präsidialsystem. Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der auch der Regierung vorsteht. Er ernennt und entlässt die Minister und hohe Staatsbeamten je nach seinem Ermessen. Außerdem hat er auch die Befugnis, Präsidialverordnungen zu erlassen und viele Posten in der Justiz, im Finanz- oder Bildungswesen zu besetzen. Kritische Ämter wie der Geheimdienst oder die mächtige Religionsbehörde Diyanet unterstehen direkt dem Präsidenten. Am 28. Mai wird also nicht nur über ein repräsentatives Amt bestimmt, sondern auch über einen Regierungschef, der die nächsten fünf Jahre das Land führen sowie innen- und außenpolitsch prägen wird. 

Was für eine Türkei will die jüngere Bevölkerung?

Wer ist Sinan Ogan?

Sinan Ogan ist in der ostanatolischen Stadt Igdir geboren. Studiert hat er Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften an der Marmara Universität in Istanbul. Nach einem Forschungsaufenthalt in Moskau hat er in Aserbaidschan als Wissenschaftler an Universitäten gearbeitet. Ogan war auch der Leiter der Abteilung für Russisch-Ukrainische Studien beim Zentrum für Strategische Eurasien-Studien ASAM.

Sinan Ogan war eigentlich Anhänger der Ideologie der Grauen Wölfe, deren Urorganisation Erdogans größter Partner, die MHP, ist. Auch Ogan war Mitglied dieser Partei (MHP), saß sogar für sie im Parlament. Nach einem innerparteilichen Machtkampf wurde er 2017 endgültig aus der Partei ausgeschlossen. Seitdem ist er parteilos und versucht sich selbst zu profilieren, regierungskritische Nationalisten anzusprechen und diese hinter sich zu versammeln.

Im März war es dann so weit. Vier kleine Splitterparteien haben unter der Führung der rechtspopulistischen "Partei des Sieges" die ATA-Allianz gegründet. Zum Präsidentschaftskandidaten wurde der 55-jährige Sinan Ogan gekürt.

Elmas Topcu | Journalistin
Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas