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Türkei konfisziert DW-Videomaterial

Martin Muno6. September 2016

Es war eine ganz normale Aufzeichnung für die Sendung "Conflict Zone". Doch nach dem Interview wurde die Redaktion gezwungen, das aufgenommene Material herauszugeben. DW-Intendant Limbourg verurteilte das Vorgehen.

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Michel Friedman und der türkische Sportminister Akif Çağatay Kılıç im Gespräch (Foto: DW)
Michel Friedman und der türkische Sportminister Akif Çağatay Kiliç im GesprächBild: DW/M. Martin

Unmittelbar nach der Aufzeichnung eines TV-Interviews mit ihm ließ der türkische Minister für Jugend und Sport, Akif Çaðatay Kiliç, das Videomaterial konfiszieren. Das Interview wurde am frühen Montagabend in dessen Ministerium in Ankara für die DW-Sendung "Conflict Zone" mit Michel Friedman aufgezeichnet. Die Themen, die im Interview besprochen wurden, habe man dem Ministerium vorab mitgeteilt, teilte Friedman mit.

Friedman stellte dem Minister Fragen zum vereitelten Putschversuch im Juli, zu den danach erfolgten Massenentlassungen und Verhaftungen, zur prekären Lage der Presse in der Türkei sowie zur Stellung der Frau in der türkischen Gesellschaft. Minister Kiliç wurde im Verlauf des Interviews auch gebeten, einige Zitate von Präsident Erdogan zu diesen Themen zu erläutern.

Unmittelbar im Anschluss an das Interview verabschiedete sich der Minister von Interviewer Michel Friedman. Nachdem er den Raum verlassen hatte, teilte sein Pressesprecher überraschend mit, dass die DW das Interview nicht senden dürfe. Nachdem Friedman und seine Redaktionskollegin dagegen protestierten, wurde das Videomaterial von Mitarbeitern des türkischen Ministeriums für Jugend und Sport konfisziert. Dabei wurde dem Team der DW klar bedeutet, dass sie das Ministerium nicht mit dem Videomaterial verlassen dürften.

Limbourg: "Eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit"

DW-Intendant Peter Limbourg verurteilt das Vorgehen der türkischen Behörden aufs Schärfste: "Das stellt einen neuen eklatanten Verstoß gegen die Pressefreiheit in der Türkei dar. Was wir hier erleben, erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun. Es darf nicht sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gibt und dann auf derartige Weise dessen Ausstrahlung verhindern will, weil ihm die Fragen nicht gepasst haben. Wir fordern die türkische Seite zur unverzüglichen Herausgabe unseres Videomaterials auf. Zudem prüfen wir mögliche rechtliche Schritte."

Die Deutsche Welle hat sofort nach diesem Vorfall beim türkischen Ministerium für Jugend und Sport sowie beim türkischen Generaldirektorat für Presse und Information gegen dieses Vorgehen protestiert und die Herausgabe des Videomaterials verlangt. Eine für diesen Dienstagmittag gesetzte Frist ließen die türkischen Behörden verstreichen. In mehreren Telefonaten mit Vertretern des türkischen Ministeriums für Jugend und Sport an diesem Vormittag hatte die DW erneut eindringlich die Rückgabe des Videomaterials verlangt. Die Antwort blieb unverändert: Man wolle nicht, dass dieses Interview gesendet wird.

DW Conflict Zone: Nach der Aufzeichnung (Foto: DW)
Unmittelbar nach dem Interview war die Stimung noch gutBild: DW/M. Martin

Friedman: Ein einmaliger Vorfall

In einer Stellungnahme des türkischen Sportministeriums heißt es: "Es gab keine Autorisierung des Interviews. Die Fragen, die gestellt wurden, waren nicht die, die im Vorfeld vorgelegt worden waren. Herr Friedman weiß genau, warum all das geschah. Einige Statements waren eher Anklagen. In solch einer Situation kann keine Autorisierung gewährt werden."

Michel Friedman sagte dazu, dass seine Fragen "natürlich nicht vorher abgesprochen" würden. Außerdem würden Interviews grundsätzlich nicht zur Autorisierung vorgelegt. Journalisten seien nicht dazu da, die Fragen zu stellen, die Poltikern gefallen. In den 20 Jahren seiner journalistischen Berufslaufbahn habe er solch ein Vorgehen - "auch in Ländern, in denen Diktatoren eine Rolle spielen" - noch nicht erlebt. Das sei ein Beweis, dass die Pressefreiheit in der Türkei sehr eingeschränkt sei. Der Vorfall sei sehr beunruhigend. Wenn schon auf diese Weise gegen ausländische Medien vorgegangen werde, könne man sich gut vorstellen, wie schwer es mittlerweile türkische Journalisten hätten.

Nach dem Putschversuch vom Juli gehen die türkischen Behörden massiv gegen Journalisten im Lande vor.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte die türkischen Behörden auf, das beschlagnahmte Material unverzüglich herauszugeben. "Das ist der schwerstmögliche Angriff auf die Pressefreiheit, wie wir ihn nur aus Diktaturen kennen", kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Er forderte zugleich, dass sich das Auswärtige Amt einschalten müsse.