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Ugandas Verfassungsgericht kippt Anti-Homosexuellen-Gesetz

Simone Schlindwein2. August 2014

Trotz Kritik und Sanktionen aus dem Ausland führte Ugandas Führung harte Strafen für Homosexuelle ein. Jetzt kippt das Verfassungsgericht das Gesetz - zum Entsetzen der konservativen Hetzer.

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Mitglieder der LGBT-Community in Uganda feiern das Urteil des Verfassungsgerichts (Foto: ISAAC KASAMANI/AFP/Getty Images)
Bild: Isaac Kasamani/AFP/Getty Images

Die Stimmung im großen Saal von Ugandas Verfassungsgericht ist angespannt. Ugandas berühmtester Schwulen-Hasser, Pfarrer Martin Ssempa, betet laut, bevor die Richter den Saal betreten, um das lang erwartete Urteil zu verkünden. Es geht um das sogenannte Anti-Homosexuellen-Gesetz, das Uganda internationale Kritik und Sanktionen eingebracht hat.

Für Menschen wie Ssempa dagegen sind Homosexuelle vom Teufel besessen. Er hatte sich in Ugandas erzkonservativer und tiefst religiöser Gesellschaft deswegen lautstark für das Gesetz eingesetzt. Es sieht im schlimmsten Fall lebenslange Haftstrafen vor, wenn Schwule oder Lesben mit Minderjährigen gleichgeschlechtlichen Sex haben sollten oder wissentlich den HI-Virus übertragen. Mehr als fünf Jahre lang war die private Gesetzesinitiative im Parlament debattiert worden. Im Dezember 2013 wurde sie schließlich verabschiedet. Im Februar 2014 hatte Präsident Yoweri Museveni das Gesetz unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt.

Proteste vor dem Verfassungsgericht in Uganda (Foto: DW/Simone Schlindwein)
Unterstützer des Anti-Homosexuellen-Gesetzes demonstrieren vor dem VerfassungsgerichtBild: DW/S. Schlindwein

Die Polizei nahm daraufhin Razzien in Schwulen-Einrichtungen vor. Aktivisten und Anwälte riefen allerdings im März das ugandische Verfassungsgericht an. Sie beklagten, das Gesetz sei im Parlament nicht verfassungskonform verabschiedet worden. Es hätten mindestens ein Drittel der 385 Abgeordneten anwesend sein müssen. Der Saal sei aber fast leer gewesen bei der Abstimmung, so die Petition.

Meilenstein im Kampf um Menschenrechte

Dieser Argumentation gaben die Verfassungsrichter nun am Freitag (01.08.2014) Recht: "Die Parlamentssprecherin ist verpflichtet sicherzustellen, dass die notwendige Zahl der Abgeordneten anwesend ist. Daher kommen wir zum Urteil, dass sie illegal gehandelt hat. Sie hat das Prozedere und die Gesetze missachtet", so der Richter.

Das Urteil des Verfassungsgerichts ist ein Meilenstein für Ugandas Menschenrechtler. Aktivistin Jaqueline Kasha schwenkt die Regenbogenflagge, als sie das Gerichtsgebäude verlässt. Sie lacht über das ganze Gesicht. Dieses Urteil beweise, dass Ugandas Justizsystem unabhängig sei. Niemand solle Angst haben, für seine Rechte vor Gericht zu ziehen, sagt Kasha: "Ich empfinde gerade süßen Schmerz, denn wir wissen auch, dass dieses Urteil nur ein Etappensieg ist."

Aktivistin Jacqueline Kasha bejubelt die Gerichtsentscheidung (Foto: DW/Simone Schlindwein)
Aktivistin Jacqueline Kasha bejubelt die GerichtsentscheidungBild: DW/S. Schlindwein

Die Regierung kann gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts beim Obersten Gerichtshof Revision einlegen. Dennoch will Kasha jetzt feiern. "Wir können jetzt erst einmal erleichtert sein, dass das Gesetz keine Anwendung findet, bis darüber endgültig entschieden ist."

Politischer Kurswechsel vor dem USA-Afrika-Gipfel?

Die Gegenseite zeigt sich über das Urteil entrüstet, allen voran Pfarrer Ssempa. In Ugandas Kirchen hatte sich der Prediger für das Gesetz stark gemacht. Dass die Justiz jetzt das Gesetz vorerst gekippt hat, halte er für ein politisches Manöver, so Ssempa. "Ich frage mich, ob unser Land tatsächlich unabhängig ist. Ich fordere das Parlament auf zu untersuchen, ob unsere Justiz unabhängig ist. Das ist ein Präzedenzfall. Deswegen rufe ich das Parlament an, das zu untersuchen."

Ssempas Verdacht hat auch erregt, dass das Urteil nach nur drei Verhandlungstagen fiel. Normalerweise benötigt Ugandas Justizsystem Wochen oder gar Monate für derartige Entscheidungen. Doch die Richter hatten auf besondere Dringlichkeit hingewiesen. Für nächste Woche hat US-Präsident Barack Obama alle afrikanischen Präsidenten zum Gipfeltreffen nach Washington eingeladen. Auch Ugandas Präsident Museveni. Doch jüngst gab es zwischen den einst engen Partnern Uganda und den USA schlechte Stimmung - aufgrund des Anti-Schwulen-Gesetzes. Die USA hatten Militärhilfen und Hilfsgelder gestrichen, Einreiseverbote für bestimmte Ugander verhängt. Pastor Ssempa fragt: Wollte Museveni mit diesem Urteil zu Hause gut Wetter machen? Als möglichen Verstoß gegen die Menschenrechte begründetete das Gericht sein Urteil übrigens nicht.

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