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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Baerbock für internationales Tribunal

16. Januar 2023

Außenministerin Baerbock hat bei einem Besuch in Den Haag ein Sondertribunal zum Ukraine-Krieg gefordert. Bundeskanzler Scholz hat der Rüstungsindustrie langfristige Verträge versprochen. Ein Überblick.

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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einer Rede vor der Akademie für Völkerrecht in Den Haag
Außenministerin Baerbock spricht vor der Akademie für Völkerrecht in Den HaagBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Baerbock setzt sich für internationales Sondergericht ein
  • Scholz sagt Rüstungsindustrie langfristige Verträge zu
  • London: Erfolge im Krieg auf beiden Seiten teuer erkauft
  • Russland und Belarus starten Manöver 

 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat sich bei einem Besuch in Den Haag dafür ausgesprochen, die russische Führungsriege mit einem internationalen Sondergericht für den Angriffskrieg in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Das Gericht außerhalb der Ukraine solle seine Rechtsprechung aus dem ukrainischen Strafrecht ableiten, machte die Grünen-Politikerin in einer Grundsatzrede an der Haager Akademie für Völkerrecht deutlich. Das Tribunal soll gegen die russische Führung ermitteln und sie vor Gericht stellen können. 

Eine Sonderinstitution sei "keine ideale Lösung, auch nicht für mich", sagte Baerbock. "Aber dass wir diese Sonderlösung brauchen, liegt daran, dass unser Völkerrecht eben derzeit eine Lücke hat." Man rede zudem nicht über Probleme in 20 Jahren, "sondern über Gerechtigkeit von heute". Man brauche eine "ganz klare Botschaft" an die russische Führung, dass ein Angriffskrieg nicht ungestraft geführt werden könne.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits im September vor der UN-Vollversammlung in New York für ein Sondertribunal geworben. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur im Vorfeld von Baerbocks Reise nach Den Haag, der russische Angriffskrieg sei klar völkerrechtswidrig. Wenn es das schnellste und zielführendste Mittel sei, halte er ein Sondertribunal für gut denkbar. Wichtig sei, dass ein solches Tribunal mit internationalen Richtern besetzt werde, "um die Unparteilichkeit für das  Strafverfahren zu garantieren".

IStGH soll auch Angriffskriege verfolgen können

Baerbock schlug zugleich eine Reform des Völkerstrafrechts vor, um eine eklatante Rechtslücke zu schließen. Demnach sollen die rechtlichen Grundlagen für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag mittelfristig so angepasst werden, dass auch der Tatbestand des Angriffskrieges uneingeschränkt verfolgt werden kann. Dies ist aktuell unter anderem deswegen nicht möglich, weil weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner des Römischen Statuts als Rechtsgrundlage für den Gerichtshof sind.

Am Internationalen Strafgerichtshof wurde Baerbock am Vormittag von dessen Präsidenten Piotr Hofmanski empfangen. Außerdem wollte sie auch Chefankläger Karim Khan treffen. Khan ermittelt bereits wegen der Lage in der Ukraine.

Scholz besucht Rüstungsunternehmen Hensoldt

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der deutschen Rüstungsindustrie langfristige Verträge zugesagt. "Es ist wichtig, wenn wir uns an die Zukunft unseres Landes machen, dass wir dafür eine starke Bundeswehr und eine leistungsfähige Rüstungsindustrie brauchen", sagte Scholz bei einem Besuch der Rüstungsfirma Hensoldt in Ulm. Damit der Sonderfonds von 100 Milliarden Euro für die bessere Ausstattung der Bundeswehr eingesetzt werden könne, brauche man starke Rüstungsfirmen. "Das bedeutet natürlich auch, dass wir langfristige Kooperationen mit der Verteidigungsindustrie zustande bringen müssen", fügte Scholz hinzu. "Und das werden wir und wollen wir als eine der Konsequenzen der Zeitenwende." 

Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch des Rüstungsunternehmens Hensoldt in Ulm
Scholz bei der Rüstungsfirma Hensoldt in UlmBild: Johannes Simon/Getty Images

Hintergrund ist der Wunsch der Politik, dass die Rüstungsfirmen mehr Kapazitäten aufbauen, um schneller Waffen und Munition zu liefern. Die Unternehmen fordern im Gegenzug aber die Zusicherung, dass sich die Investitionen auch nach einem Ende des Ukraine-Krieges auszahlen. Scholz betonte, dass Deutschland der Ukraine bereits sehr viele Waffensysteme geliefert habe. "Alles das werden wir auch fortführen", sagte er.

London: Erfolge im Krieg auf beiden Seiten teuer erkauft

Ukrainische und russische Kräfte bezahlen für ihre Offensiven in der Ostukraine nach britischer Einschätzung weiterhin einen hohen Preis. "In den vergangenen sechs Wochen haben sowohl Russland als auch die Ukraine hart erkämpfte, aber begrenzte Gewinne in verschiedenen Frontabschnitten erzielt", teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Geheimdienst-Update mit. Für größere Geländegewinne fehlen aber demnach Einheiten. "Unter diesen Umständen besteht eine zentrale Herausforderung für beide Seiten darin, Formationen ungebundener, fähiger Truppen zu bilden, die die taktischen Erfolge nutzen können, um operative Durchbrüche zu erzielen", erklärte das Ministerium.

Mit der Veröffentlichung von Geheimdienstinformationen will Großbritannien sowohl russischen Darstellungen zum Kriegsverlauf entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Noch mehr als 30 Menschen in Dnipro vermisst

Nach dem Einschlag eines russischen Marschflugkörpers in ein neunstöckiges Wohnhaus in der zentralukrainischen Stadt Dnipro vom Samstag werden Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge noch immer Dutzende Bewohner vermisst. Rettungskräfte suchten in den Gebäude-Trümmern weiter nach mehr als 30 Menschen, sagte er in seiner Videoansprache am Sonntagabend. "Wir kämpfen um jeden Menschen", versicherte Selenskyj. "Und die Rettungsarbeiten werden so lange andauern, wie auch nur die geringste Chance besteht, ein Leben zu retten." Zugleich dankte der Präsident für die  internationale Anteilnahme.

Helfer und Feuerwehrleute suchen in den Trümmern des eingestürzten Wohnhauses nach weiteren Vermissten
Helfer und Feuerwehrleute suchen in den Trümmern des eingestürzten Wohnhauses nach weiteren Vermissten Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Zahl der Toten nach dem verheerenden russischen Angriff in Dnipro stieg laut offiziellen Angaben auf 40. Weitere 75 Menschen wurden verletzt.

Russland und Belarus halten gemeinsame Manöver ab

Die belarussische Luftwaffe hat gemeinsame Militärmanöver mit russischen Kräften begonnen. Es handle sich um "taktische Luftübungen unter Beteiligung von Einheiten der belarussischen und russischen Luftwaffe", die "auf belarussischem Territorium stattfinden", erklärte das Verteidigungsministerium in Minsk. Belarus ist eng mit Moskau verbündet, hat sich bisher aber nicht an der russischen Offensive in der Ukraine beteiligt. 

Moskau versucht nach Ansicht zahlreicher Beobachter derzeit allerdings, Minsk in sein militärisches Vorgehen gegen die Ukraine hineinzuziehen. Belarus dient bereits als Rückzugsgebiet für russische Streitkräfte. "Alle Flugplätze und Schießplätze der Luftstreitkräfte und der Luftabwehr" der belarussischen Armee würden in die Manöver einbezogen, erklärte das Ministerium weiter. Im Oktober hatte Belarus die Bildung einer gemeinsamen Truppe mit Russland angekündigt, mehrere tausend russische Soldaten waren in dem Nachbarstaat eingetroffen. 

gri/uh/se/wa/qu/sti (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.