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Konflikte

Aktuell: Getreide-Frachter unterwegs nach Istanbul

1. August 2022

Laut der Türkei nimmt der mit ukrainischem Mais beladene Frachter Kurs auf den Libanon. In der Ukraine sind erste MARS-Raketenwerfer aus Deutschland eingetroffen. Aktuelle Nachrichten im Überblick.

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Der unter der Flagge von Sierra Leone fahrende Frachter "Razoni" verlässt den Hafen von Odessa
Der unter der Flagge von Sierra Leone fahrende Frachter "Razoni" verlässt den Hafen von OdessaBild: UKRAINIAN NAVAL FORCES/REUTERS
  • Erstmals seit Februar verlässt Getreide-Schiff ukrainischen Hafen
  • Erste deutsche MARS-Raketenwerfer in der Ukraine eingetroffen
  • Duma berät über Verbot von Adoptionen aus dem "unfreundlichen" Ausland
  • Tote nach russischen Angriffen in Bachmut und Soledar
  • Deutsche Luftwaffe bei Sicherung des Baltikums dabei  

 

Das erste Schiff seit Monaten mit ukrainischem Getreide für den Weltmarkt hat nach türkischen Angaben den Hafen von Odessa verlassen. Das Schiff wird in der Nacht zu Mittwoch zur Inspektion in Istanbul erwartet. Man werde das Schiff dann voraussichtlich am Mittwochmorgen kontrollieren, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Zunächst hatte Minister Hulusi Akar von einer Ankunft am Dienstagnachmittag gesprochen. Das Ministerium machte keine Angaben zum Grund der Verzögerung.

Es sei vereinbart worden, dass das unter der Flagge von Sierra Leone fahrende Frachtschiff "Razoni" mit einer Ladung von 26.000 Tonnen Mais dann in Richtung Libanon ausläuft, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Andere Lieferungen sollen demnach folgen.

Auch der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow bestätigte das Auslaufen des Frachters. Wenn das Getreideabkommen mit Russland halte, wolle sein Land in Verhandlungen versuchen, auch den Hafen Mykolajiw für die Ausfuhr von Getreide per Schiff zu öffnen, betonte Kubrakow im Fernsehen.  

Der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow vor wenigen Tagen bei einem Besuch in der Region Odessa
Der ukrainische Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow vor wenigen Tagen bei einem Besuch in der Region OdessaBild: Ukrainian Presidential Press Office/Planet Pix/Zuma/picture alliance

UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Abfahrt der "Razoni". Er hoffe, dass dies "das erste von vielen Handelsschiffen" sei und das Wiederanlaufen des ukrainischen Getreideexports der "weltweiten Nahrungsmittelsicherheit die dringend benötigte Stabilität und Erleichterung verschaffen wird", erklärte Guterres in New York.

Am 22. Juli hatten die Ukraine und Russland sich auf ein von der Türkei und den Vereinten Nationen vermitteltes Abkommen zum Getreide-Export geeinigt. Die Ukraine und Russland verpflichten sich darin, sichere Korridore für die Frachtschiffe auf dem Schwarzen Meer zu respektieren und dort auf militärische Aktivitäten zu verzichten. 

Am vergangenen Mittwoch war in Istanbul das im Abkommen vorgesehene Koordinationszentrum für den Getreideexport eröffnet worden. Dort sollen Vertreter der Ukraine und Russlands sowie der Türkei und der Vereinten Nationen künftig gemeinsam die sichere Durchfahrt ukrainischer Frachtschiffe auf den festgelegten Routen überwachen. Die Schiffe sollen außerdem in Istanbul bei ihrer Ankunft und Abfahrt inspiziert werden, um heimliche Waffenlieferungen zu verhindern.

In den ukrainischen Häfen sind wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine seit Ende Februar bis zu 25 Millionen Tonnen Getreide blockiert. Die Ukraine zählt zu den weltgrößten Exporteuren von Weizen und anderem Getreide. Die Exportblockade trifft insbesondere ärmere Länder, die stark von Importen aus Russland und der Ukraine abhängig sind. 

Ukraine-Krieg | Wolodymyr Selenskyj in Odessa
Wolodymyr Selenskyj kürzlich beim Truppenbesuch im Süden der UkraineBild: Ukrainian Presidency/abaca/picture alliance

EU: erster Schritt gegen Ernährungskrise

Die EU hat das Ablegen des ersten Frachters als ersten Schritt zur Linderung der durch Russlands Krieg ausgelösten Nahrungskrise begrüßt. Man erwarte nun, dass das Abkommen vollständig umgesetzt werde und ukrainische Exporte an die Kunden in aller Welt wieder aufgenommen würden, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Dies sei notwendig, weil die negativen Folgen der Aggression Russlands gegen die Ukraine und der Blockade ukrainischer Häfen die schwächsten Menschen in Afrika, Asien und im Nahen Osten träfen. Russland habe nicht nur ukrainische Häfen blockiert, sondern auch Felder vermint oder zerstört, Silos kaputt gemacht und Getreide verbrannt.

Die Bundesregierung sprach von einem "Hoffnungsschimmer in einer sich zuspitzenden Ernährungskrise". Jetzt sei wichtig, dass das Getreideabkommen weiter mit Leben gefüllt werde und weitere Schiffe auslaufen könnten, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. "Gleichzeitig arbeiten wir weiter mit Hochdruck an der Schaffung von alternativen Routen", sagte der Sprecher weiter. "Denn die letzten Monate haben gezeigt, dass es fahrlässig wäre, sich auf Zusicherungen blind zu verlassen."

Erste deutsche MARS-Raketenwerfer in der Ukraine eingetroffen

Die Ukraine hat das Eintreffen weiterer Waffenlieferungen aus den USA und Deutschland bestätigt - darunter auch MARS-II-Mehrfachraketenwerfer aus Beständen der Bundeswehr. Darüber hinaus seien vier weitere HIMARS-Einheiten aus den USA geliefert worden, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow. In einem Tweet dankte er Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht und schrieb, "unsere Artillerie-Soldaten grüßen unsere deutschen Partner".

Zu den von den USA gelieferten HIMARS-Raketenwerfern schrieb Resnikow: "Der Klang des #HIMARS-Schlags wurde ein Sommerhit an den Frontlinien!" Er sei Präsident Joe Biden und Verteidigungsminister Lloyd Austin dankbar dafür, die Ukraine zu "stärken".

USA kündigen weitere Militärhilfen an

Die USA kündigten weitere Militärhilfen im Wert von bis zu 550 Millionen Dollar an. Darunter sei weitere Munition für die HIMARS-Raketensysteme, teilte das Verteidigungsministerium mit. "Um den sich weiterentwickelnden Bedürfnissen auf dem Schlachtfeld gerecht zu werden, werden die Vereinigten Staaten weiter mit Alliierten und Partnern daran arbeiten, die Ukraine mit Schlüsselfähigkeiten zu unterstützen", hieß es aus dem Pentagon.

Duma berät über Verbot von Adoptionen aus dem "unfreundlichen" Ausland

Adoptiveltern aus von Moskau als "unfreundlich" eingestuften Ländern könnte die Adoption russischer Kinder bald verboten werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde zur Diskussion in die Staatsduma eingebracht. Beide Kammern sowie Präsident Wladimir Putin müssten zustimmen, bevor die Pläne rechtlich bindend würden. Bereits seit 2012 dürfen Eltern aus den USA keine russischen Kinder mehr adoptieren - die Liste würde demnach um alle 27 EU-Staaten sowie Australien, Kanada, Großbritannien, Neuseeland, Japan und Südkorea erweitert werden.

Der Vorstoß aus dem Jahr 2012 galt als Vergeltungsmaßnahme gegen US-Sanktionen. Damals erklärten Kritiker, der Kreml trage seinen Streit mit Washington auf dem Rücken russischer Waisenkinder aus. Der staatlichen Agentur Tass zufolge gingen die Adoptionen aus dem Ausland seitdem drastisch zurück: 2019 wurden demnach nur noch 240 Kinder von ausländischen Familien adoptiert; 2012 seien es noch 2604 gewesen.

Russland setzt Briten um David Cameron auf Sanktionsliste

Das russische Außenministerium hat Sanktionen gegen weitere 39 Politiker, Geschäftsleute und Journalisten aus Großbritannien verhängt. Der prominenteste Name auf der online veröffentlichten Liste ist der frühere Premierminister David Cameron. Das Außenministerium rechtfertigte den Schritt damit, dass die Betroffenen "den feindlichen Kurs Londons unterstützen, der auf die Dämonisierung unseres Landes und seine internationale Isolierung zielt". Die nunmehr 255 Britinnen und Briten auf der schwarzen Liste dürfen nicht nach Russland einreisen.

Darüber hinaus erklärte die russische Führung auch die gemeinnützige britische Organisation Calvert 22 Foundation, die sich vor allem auf den Kulturaustausch mit Osteuropa spezialisiert hat, zur in Russland unerwünschten Organisation, was faktisch einem Verbot gleichkommt.

Großbritanien I David Cameron
Der Konservative David Cameron war von 2010 bis kurz nach dem Brexit-Referendum 2016 britischer PremierministerBild: House of Commons/Pa Wire/emipics/picture alliance

Selenskyj: "Kein Angriff bleibt unbeantwortet"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Reaktion auf "einen der brutalsten Bombenangriffe" auf Mykolajiw im Süden seines Landes angekündigt. "Kein russischer Angriff bleibt von unseren Militärs und Geheimdienstlern unbeantwortet", sagte Selenskyj in einer neuen Videoansprache. Der Staatschef erinnerte in diesem Zusammenhang an Olexij Wadaturskyj, den Besitzer eines der größten ukrainischen Getreidehandelsunternehmen, der in Mykolajiw getötet wurde. Wadaturskyj wurde 74 Jahre alt. Auch seine Frau Rajissa sei ums Leben gekommen, hieß es.

Wie zuvor bereits der ukrainische Generalstab berichtete Selenskyj von Truppenverlegungen der Russen in besetzte Gebiete im Süden. "Ein Teil der russischen Kräfte wird von seinen Positionen im Osten in den Süden verlegt - in die Gebiete Cherson und Saporischschja. Aber das wird ihnen dort nicht helfen", meinte der Präsident. Dank aus dem Westen gelieferter Waffen hatte die Ukraine in Cherson zuletzt mehrere Gegenoffensiven gestartet, die nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes erfolgreich waren.

Infografik Karte Ukraine Die größten Städte aktualisiert DE

Zivilisten in Bachmut und Soledar getötet

In der ostukrainischen Region Donezk sind nach Behördenangaben drei Zivilisten bei russischen Angriffen in den vergangenen 24 Stunden getötet worden. Zwei Tote gebe es in der Stadt Bachmut, einen im nahe gelegenen Soledar, teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko mit. Die Industriestadt Bachmut, die zugleich ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist, lag in den vergangenen Wochen verstärkt unter russischem Beschuss.

Die russischen Streitkräfte versuchen, nach der fast vollständigen Einnahme von Luhansk nun Donzek komplett unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die beiden Regionen bilden den Donbass. Auch die zweitgrößte Stadt Charkiw sei vom russischen Militär angegriffen worden, teilt Oleh Synegubow, der Gouverneur der gleichnamigen Region mit.

Ein älterer Mann in Bachmut versucht, sich trotz des durch die Angriffe verursachten Rauchs auf den Beinen zu halten
Ein älterer Mann in Bachmut versucht, sich trotz des durch die Angriffe verursachten Rauchs auf den Beinen zu haltenBild: BULENT KILIC/AFP

Odessa: Schwarzmeer-Region unter Beschuss

Die Ukraine hat neue russische Raketenangriffe auf die Schwarzmeer-Region Odessa gemeldet. Der Stadtrat von Odessa teilte unter Berufung auf das Kommando Süd der ukrainischen Armee mit, zwei russische Raketen vom Typ "Iskander" seien von der Halbinsel Krim aus abgeschossen worden. Sie seien in einem Steinbruch eingeschlagen, hieß es.

Zuvor waren auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim Feierlichkeiten zum "Tag der Marine" abgesagt worden - unter Verweis auf einen angeblichen Drohnen-Angriff der Ukrainer. Die ukrainische Marine teilte hingegen mit, die Russen hätten den Vorfall "erfunden".

Deutsche Luftwaffe sichert Luftraum im Baltikum mit  

Die deutsche Luftwaffe hat zusammen mit Ungarn und Italien die Sicherung des NATO-Luftraums im Baltikum übernommen. Militärmaschinen fliegen in dem Gebiet an den Grenzen zu Russland bis April 2023 Patrouillen, wie das Bundesverteidigungsministerium mitteilte. Die Bundeswehr hatte dazu Ende Juli fünf Eurofighter auf den estnischen Stützpunkt Ämari verlegt. 

Ein deutscher Eurofighter auf dem Stützpunkt Ämari in Estland
Ein deutscher Eurofighter auf dem Stützpunkt Ämari in Estland (Archivfoto)Bild: Rainer Jensen/dpa/picture alliance

Laut NATO sind zudem Flugzeuge aus Ungarn von Litauen aus im Einsatz, italienische Maschinen patrouillieren demnach von Polen aus. Die Allianz hatte die Luftraumüberwachung 2004 übernommen, da Estland, Lettland und Litauen über keine ausreichend große Luftwaffe verfügen. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 kam es dort verstärkt zu Zwischenfällen; die NATO berichtete teils von hunderten Fällen pro Jahr, in denen russische Kampfflugzeuge "abgefangen" wurden. Mit dem Angriffskrieg Moskaus in der Ukraine hat die Allianz ihre Patrouillen im Baltikum mit weiteren Maschinen nochmals verstärkt.

Neubauer: AKW-"Streckbetrieb" wäre vertretbar

Mit Blick auf eine mögliche Verschärfung der Energiekrise in Deutschland hält die bekannte Klimaaktivistin Luisa Neubauer eine auf wenige Monate begrenzte Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke für akzeptabel. Der sogenannte Streckbetrieb mit alten Brennstäben "wäre ein Provisorium und keine grundlegende Weichenstellung", sagte Neubauer dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Zugleich bezweifelte sie allerdings den Nutzen einer solchen Maßnahme.

Deutschland | Klimaaktivistin Luisa Neubauer
Luisa Neubauer von der Bewegung "Fridays for Future" (Archiv)Bild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Wegen der Befürchtung eines Stopps russischer Gaslieferungen wird derzeit über eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten der drei letzten noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland diskutiert. Union und FDP werben dafür, SPD und insbesondere Grüne sind nach wie vor skeptisch. Nach geltendem Atomrecht müssten alle Meiler Ende Dezember vom Netz gehen.

sti/as/wa/fw/ehl (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.