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Politik

Aktuell: G7-Runde warnt Russland vor weiterer Eskalation

4. November 2022

Die G7-Außenminister verurteilen insbesondere die Atomdrohungen Moskaus. Zugleich kündigte die Runde weitere Unterstützung für die Ukraine an. Kiew meldet 4,5 Millionen Bürger ohne Strom. Ein Überblick.

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Die Außenminister der G7-Staaten tagten auch im Historischen Rathaus von Münster
Die Außenminister der G7-Staaten tagten auch im Historischen Rathaus von MünsterBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • G7-Außenminister warnen Russland vor weiterer Eskalation
  • Putin nährt Spekulationen auf russischen Rückzug aus Cherson
  • Ukraine kritisiert "massenhafte Zwangsumsiedlungen" in besetzten Gebieten
  • Schwere Gefechte um die Städte Bachmut und Awdijiwka
  • 4,5 Millionen Ukrainer nach Bombardements ohne Strom

 

Die sieben führenden Industriestaaten (G7) warnen Russland vor dem Einsatz von
Atomwaffen in der Ukraine. Jeder Einsatz chemischer, biologischer oder nuklearer Waffen würde schwerwiegende Konsequenzen haben, teilten die G7-Außenminister bei ihrem Treffen in Münster mit. "Russlands unverantwortliche nukleare Rhetorik ist inakzeptabel." Zudem verurteile man die jüngsten Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine.

Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte die chinesischen Warnungen vor einem Atomwaffeneinsatz durch Russlands Präsident Wladimir Putin. "Dass das von chinesischer Seite so deutlich heute auch nochmal angesprochen wurde, ist ein wichtiges Zeichen", sagte die Grünen-Politikerin zum Abschluss der G7-Runde. Ein Einsatz von Nuklearwaffen wäre das Schlimmste, "was man der Welt antun kann", ergänzte Baerbock.

Nach Angaben der G7 kamen bei den russischen Luftangriffen auch Drohnen und Ausbilder aus dem Iran zum Einsatz. Jedes Land, jede Einzelperson und jede Einrichtung, die Russland bei seinem Angriffskrieg unterstütze, werde weiterhin mit Sanktionen belegt werden, hieß es in der gemeinsamen Erklärung.

G7 wollen beim Aufbau der Infrastruktur helfen

Darüber hinaus kündigten die G7-Außenminister gemeinsame Maßnahmen zur Reparatur der kritischen Infrastruktur in der Ukraine an. Dazu einigten sie sich auf den Aufbau eines Koordinierungsmechanismus. Angesichts der massiven russischen Luftangriffe etwa auf die ukrainische Energie- und Wasserversorgung werde dies ein Schwerpunkt der Arbeit der G7-Gruppe in den kommenden Tagen und Wochen sein, sagte ein Vertreter des US-Außenministeriums. Ziel sei die Wiederherstellung, der Schutz und die Reparatur der kritischen Energie- und Wasserinfrastruktur in Zusammenarbeit mit der Regierung in Kiew.

Laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sind 30 bis zu 40 Prozent der Energie-Infrastruktur in der Ukraine zerstört worden. Kinder drohten in diesem Winter zu erfrieren.

Borrell erhebt schwere Vorwürfe gegen Russland

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat am Rande des G7-Außenministertreffens in Münster Russland in scharfen Worten kritisiert. "Russland ist dabei, ein Land zu zerstören. Die russische Armee ist nicht in der Lage, es zu erobern", sagte Borrell der Deutschen Welle. Die Ukrainer leisteten Widerstand und lehnten den Eindringling ab. Borrell beschuldigte die russische Führung, "politische Instabilität zu schaffen und Migrationswellen zu erzeugen, weil sie wissen, dass die Europäer sehr empfindlich auf Migration reagieren".

Putin: Zivilisten sollen Region Cherson verlassen

Russlands Präsident Wladimir Putin billigt die Ausreise aller Zivilisten aus dem Gebiet Cherson und nährt damit Spekulationen auf einen Rückzug russischer Truppen aus der umkämpften Region. Alle, die in Cherson lebten, sollten aus dem gefährlichen Gebiet herausgebracht werden, sagte Putin in einer Rede zum Tag der Nationalen Einheit. Cherson gehört neben Luhansk, Donezk und Saporischschja zu den vier ukrainischen Regionen, die Russland nach seiner im Februar begonnenen Invasion annektiert hat. Die Region Cherson ist für Russland auch ein strategisch wichtiger Zugang zu der 2014 annektierten Krim. 

Der russische Staatschef Putin spricht auf dem Roten Platz in Moskau mit Vertretern von Jugend- und Freiwilligenorganisationen
Kremlchef Putin spricht auf dem Roten Platz in Moskau mit Vertretern von Jugend- und FreiwilligenorganisationenBild: Mikhail Metzel/Sputnik/REUTERS

Der von Russland eingesetzte stellvertretende Gouverneur von Cherson, Kirill Stremoussow, ordnete inzwischen eine 24-stündige Ausgangssperre an. Er begründet das mit einem drohenden Angriff auf die Großstadt. Es seien Kolonnen ukrainischer Fahrzeuge nahe des Frontverlaufs gesichtet worden, ein Angriff sei möglich.

Seit Wochen treiben die ukrainischen Truppen ihre Offensive im Süden voran und wollen unter anderem das strategisch wichtige Cherson am westlichen Ufer des Dnipro befreien. Dabei attackierten sie gezielt alle Brücken und erschwerten damit den russischen Nachschub erheblich. Allerdings wurde die russische Armee in der Region zuletzt mit Zehntausenden neuen Soldaten verstärkt.

Kiew verurteilt "massenhafte Zwangsumsiedlungen" 

Die Ukraine hat "massenhafte Zwangsumsiedlungen" ihrer Bürger aus den von Russland besetzten Gebieten im Osten und Süden des Landes beklagt. Das Außenministerium in Kiew erklärte, die russische Besatzungsverwaltung habe damit begonnen, Bürger aus der Region Cherson auf die annektierte Halbinsel Krim oder nach Russland zu bringen. Ähnliche Abschiebungen gebe es auch in den Regionen Saporischschja, Luhansk und Donezk. Das Ministerium beklagte zudem "Plünderungen" durch die russischen Soldaten in den betroffenen Regionen.

Ukraine Krieg | Zivilisten werden aus Cherson evakuiert
Ukrainische Zivilisten müssen die russisch besetzte Stadt Oleshky bei Cherson verlassenBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Die von Moskau eingesetzten Behörden in Cherson hatten am Dienstag weitere Räumungen angekündigt, nachdem in der vergangenen Woche bereits rund 70.000 Zivilisten die Region verlassen hatten. Der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Region, Wladimir Saldo, begründete dies mit dem Risiko "massiver Raketenangriffe" der vorrückenden ukrainischen Armee. Die Ukraine wertete dies hingegen als "Deportationen" ihrer Bürger durch Russland. 

USA und Niederlande planen Kauf von T-72-Panzer 

Das US-Verteidigungsministerium kündigt weitere militärische Hilfen für die Ukraine im Wert von 404 Millionen Euro an. Dazu gehörten erneuerte Panzer vom seit Sowjetzeiten produzierten Typ T-72 und amerikanische Flugabwehrsysteme vom Typ Hawk. Auch die Niederlande stocken ihre Militärhilfen um 120 Millionen Euro auf. Davon sind 45 Millionen für den Erwerb von T-72-Panzern vorgesehen. Beide Staaten beteiligen sich an dem geplanten Kauf von 90 T-72-Panzern aus tschechischen Beständen, die die Ukraine bekommen soll.

Tschechien T-72 M4 Panzer
Ein tschechischer T-72-Panzer sowjetischer Bauart - die USA und die Niederlande wollen 90 T-72 ankaufenBild: Jaroslav Ozana/CTK/dpa/picture alliance

Heftige Kämpfe um die Städte Bachmut und Awdijiwka

Die ukrainische Armee berichtet von schweren Kämpfen mit russischen Truppen im Donbass. Schwerpunkte seien die Städte Bachmut und Awdijiwka, sagte Serhij Tscherewatyj, Sprecher der Armeegruppe im Osten des Landes, im ukrainischen Fernsehen. "Der Feind setzt seine Sturmangriffe fort und schießt mit allen Arten von Rohrartillerie, Mehrfachraketenwerfern, Panzern und Mörsern." Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj ergänzte, dass Russland seine Angriffe verdreifacht habe. Saluschnyj sprach von bis zu 80 Angriffen täglich.

Ukrainisches Artilleriegeschütz an der Frontlinie nahe der Stadt Bachmut in der Region Donezk
Ukrainisches Artilleriegeschütz an der Frontlinie nahe der Stadt Bachmut in der Region Donezk Bild: Dimitar Dilkoff/AFP

Gegen die ukrainischen Stellungen in Bachmut im Gebiet Donezk laufen russische Truppen, vor allem die Söldnergruppe Wagner, seit Monaten an. Awdijiwka wenige Kilometer nördlich von Donezk ist seit 2014 Frontstadt. Die russischen Truppen und Einheiten der von Moskau kontrollierten Separatisten haben dort in acht Monaten Krieg nur kleine Geländegewinne erzielen können. 

4,5 Millionen Ukrainer nach Bombardements ohne Strom

Russische Angriffe haben nach Angaben der Ukraine erneut zu Stromausfällen in weiten Teilen des Landes geführt. Fast 4,5 Millionen Menschen seien am Donnerstagabend zeitweise von der Energieversorgung abgeschnitten gewesen, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Betroffen seien die Hauptstadt Kiew sowie zehn weitere Regionen. Die Angriffe auf die Energie-Infrastruktur seien ein Beleg für die "Schwäche unseres Feindes", sagte Selenskyj. "Sie können die Ukraine nicht auf dem Schlachtfeld schlagen, also versuchen sie, unser Volk auf diese Weise zu brechen."

Ukraine Krieg l Stromausfall nach einem russischen Raketenangriff in Kiew
Stromausfall nach einem russischen Raketenangriff in KiewBild: Maxym Marusenko/NurPhoto/picture alliance

Der ukrainische Präsident bezeichnete die russischen Angriffe erneut als "Energie-Terrorismus". Er rief örtliche Behörden auf, für eine Verringerung des Stromverbrauchs zu sorgen. Es sei jetzt nicht die Zeit für Leuchtreklamen oder angestrahlte Schaufenster-Auslagen.

Erdogan: Afrikanische Länder sollen kostenlos Getreide bekommen

Von Hungersnöten bedrohte afrikanische Länder sollen nach Angaben des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Rahmen des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine kostenlos beliefert werden. Das habe er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbart, sagte Erdogan in Istanbul. Das Getreide sollte vor allem nach Dschibuti, Somalia und in den Sudan geliefert werden. Details dazu sollten beim G20-Gipfel in Bali besprochen werden. Russland war am Mittwoch zu dem von der Türkei und den Vereinten Nationen vermittelten Abkommen zurückgekehrt. 

Deutschland hilft Ukraine bei Erfüllung juristischer Standards für gewünschtem EU-Beitritt 

Deutschland und die Ukraine haben ein Arbeitsprogramm zur Zusammenarbeit im Justizbereich für die kommenden Jahre unterzeichnet. Bundesjustizminister Marco Buschmann reiste dazu erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als acht Monaten nach Kiew. Deutschland wolle das Land damit auch unterstützen, "die rechtsstaatlichen Standards im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in die Europäische Union zu erfüllen", sagte der FDP-Politiker. Ein weiterer Schwerpunkt des Besuchs ist die internationale Strafverfolgung von Kriegsverbrechen.

Ukraine | Bundesjustizminister Buschmann in Kiew
Bundesjustizminister Marco Buschmann mit seinem ukrainischen Amtskollegen Denys Maljuska in KiewBild: Felix Zahn/photothek/picture alliance

OSZE ist trotz russischen Vetos in der Ukraine aktiv

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat ihre Arbeit zur Unterstützung der Ukraine trotz eines Vetos aus Moskau in eingeschränkter Form wieder aufgenommen. Mit rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kiew sollen unter anderem psychosoziale Dienste gestärkt, die Entminung vorangetrieben und illegaler Waffenhandel eingedämmt werden. Das teilten OSZE-Diplomaten am Sitz der Organisation in Wien mit. Deutschland, Polen, die USA und nordische Länder gehören zu den Staaten, die bislang etwa sieben Millionen Euro für 23 Projekte zugesagt haben, hieß es.

Die OSZE hatte bis zum Sommer doppelt so viele Projekte in der Ukraine betrieben. Sie mussten eingestellt werden, weil Moskau den notwendigen einstimmigen Beschluss aller OSZE-Mitgliedsstaaten zur Verlängerung der Aktivitäten blockierte. Um das Veto zu umgehen, werden die Tätigkeiten künftig nicht mehr aus dem OSZE-Budget, sondern mit freiwilligen Beiträgen von Mitgliedern finanziert.

Selenskyj: Teilnahme der Ukraine an G20-Gipfel nur ohne Putin möglich

Die Ukraine will die Einladung zum bevorstehenden G20-Gipfel in Indonesien nur annehmen, wenn Kreml-Chef Wladimir Putin dem Treffen fernbleibt. "Sollte der Präsident der Russischen Föderation daran teilnehmen, würde sich die Ukraine nicht beteiligen", sagte Präsident Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Kiew.

Ukraine Kürzlich zurückerobertes Dorf Archangelske im Oblast Cherson
Schwer beschädigte Häuser in dem zurückeroberten Dorf Archangelske in der Region ChersonBild: Wolfgang Schwan/AA/picture alliance

Das Gastgeberland Indonesien hatte Selenskyj zu dem für Mitte November geplanten Treffen eingeladen, obwohl die Ukraine nicht zu den G20-Staaten gehört. Selenskyj deutete bisher an, zumindest virtuell an dem Gipfel teilzunehmen. Putin hat sich noch nicht öffentlich geäußert, ob er zu dem Gipfel nach Bali reisen wird. Indonesien hatte im Frühjahr angekündigt, Putin einzuladen. Daraufhin drangen westliche Staaten darauf, den russischen Präsidenten von dem G20-Gipfel auszuschließen.

nob/sti/qu/as/kle/mak (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.