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Konflikte

Aktuell: Gazprom schränkt Gaslieferungen weiter ein

25. Juli 2022

Ab Mittwoch will der russische Gaskonzern lediglich 20 Prozent der maximalen Gaskapazität über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland liefern. Zwei weitere deutsche Minister sind in der Ukraine. Der Überblick.

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Deutschland | Nord Stream 1 in Lubmin
Die Gasanlage Nord Stream 1 in Lubmin Bild: Sean Gallup/Getty Images

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gasprom schränkt die Gaslieferungen über Nord Stream 1 ein
  • Kiew meldet Lieferung von Panzern und Munition
  • FDP verlangt immer deutlicher direkte Waffenlieferungen
  • Faeser und Heil besuchen zerstörte Stadt Irpin 
  • Drei ukrainische Schwarzmeerhäfen stellen sich auf Getreide-Export ein

 

Nur sechs Tage nach der Wiederaufnahme der Gasversorgung aus Russland durch die Pipeline Nord Stream 1 soll die Liefermenge halbiert werden. Der russische Konzern Gazprom will die Gasmenge an diesem Mittwoch von 40 Prozent auf 20 Prozent der maximalen Kapazität senken. Es sollen dann nur noch 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen, teilte das Unternehmen mit. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es.

Putin kündigte Drosselung an

Kremlchef Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche angedroht, dass es um den 26. Juli herum zu einer weiteren Drosselung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 kommen könnte. Er hatte dabei auf vom russischen Energieunternehmen verwendete Turbinen verwiesen. Demnach sei eine Drosselung möglich, wenn eine in Kanada reparierte Turbine nicht rechtzeitig wieder zur Verfügung stehe. Außerdem werde die Reparatur eines "weiteren Aggregats" nötig, sagte Putin damals.

Robert Habeck
Wirtschaftsminister Robert Habeck: "Putin spielt ein perfides Spiel" (Archivbild)Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte scharfe Kritik an Putin. "Putin spielt ein perfides Spiel", sagte Habeck. Seine Strategie sei durchsichtig. "Er versucht, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Dafür schürt er Unsicherheit und treibt die Preise. Dem setzen wir Geschlossenheit und konzentriertes Handeln entgegen."

Verwirrspiel um die Gasturbine

Erst am Donnerstag waren die Gaslieferungen über die derzeit wichtigste Verbindung nach Deutschland für russisches Erdgas nach einer zehntägigen Routinewartung wieder aufgenommen worden. Schon im Juni hatte Gazprom die Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf eine zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen.

Siemens in Russland | Gasturbinen in Grozny
Gasturbinen der Firma Siemens in Grosny - Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien (Archivbild)Bild: Yelena Afonina/Tass/dpa/picture alliance

Die Turbine von Siemens Energy steckte wegen der westlichen Sanktionen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zunächst in Kanada fest. Inzwischen ist sie auf dem Rückweg von Kanada über Deutschland nach Russland. Unklar blieb, wo genau sie sich zuletzt befand.

"Es gibt keine technischen Gründe für die Lieferkürzungen", so Habeck. "Die Turbine steht zur Auslieferung an Russland bereit." Die Ausfuhrdokumente von Siemens Energy lägen vollständig vor, aber Russland verweigere die Ausstellung der Einfuhrdokumente. "Russland bricht Verträge und gibt anderen die Schuld."

Erste "Gepards" in der Ukraine eingetroffen

Die Ukraine hat die ersten Luftabwehrpanzer des Typs Gepard aus Deutschland erhalten. "Heute sind offiziell die ersten drei Geparde eingetroffen", sagte Verteidigungsminister Olexij Resnikow im ukrainischen Fernsehen. Dazu seien auch mehrere Zehntausend Schuss übergeben worden. Erwartet werden noch zwölf weitere Gepard-Panzer. 

Ein Luftabwehrpanzer vom Typ Gepard bei einer Übung auf dem Truppenübungsplatz bei Bergen (Archivfoto)
Ein Luftabwehrpanzer vom Typ Gepard bei einer Übung auf dem Truppenübungsplatz bei Bergen (Archivfoto) Bild: Peter Steffen/picture-alliance

Es ist die zweite Lieferung von schweren Waffen, die Deutschland an die Ukraine übergibt. Im Juni hatte die Bundesregierung mit der Panzerhaubitze 2000 bereits schwere Artilleriegeschütze an die Ukraine geliefert. Die Panzerhaubitze ist das modernste Artilleriegeschütz der Bundeswehr mit einer Reichweite von 40 Kilometern. Die Ukraine hat damals insgesamt sieben Geschütze erhalten.

Neben den Geparden wartet die Ukraine aber vor allem auf die modernen Luftabwehrsysteme vom Typ Iris-T aus Deutschland. Diese sollen das Land besser vor den russischen Raketenangriffen schützen. Die Ankunft der Iris-T ist allerdings Berichten zufolge erst für den Herbst geplant. In Deutschland wird derzeit auch über eine Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern an die Ukraine diskutiert.

Rufe in FDP nach direkten Waffenlieferungen immer lauter 

Wegen der stockenden Waffenlieferungen in die Ukraine über das Ringtausch-Modell spricht sich die FDP immer deutlicher für eine direkte Lieferung deutscher Panzer an das Land aus. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, das bisherige Konzept dringend zu überprüfen. Der Ringtausch mit Ländern wie Polen, Slowenien oder Griechenland sei in der Theorie eine gute Idee gewesen. Es müsse jetzt untersucht werden, warum das in der Praxis nicht funktioniere. Ähnlich hatte sich zuvor schon die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geäußert.

Bei dem Ringtausch-Verfahren sollen östliche Verbündete der Ukraine leicht bedienbare Panzer sowjetischer Bauart zu Verfügung stellen. Deutschland sagte den NATO-Partnern im Gegenzug modernes Gerät als Ersatz zu. Polen warf der Bundesregierung allerdings wiederholt vor, Zusagen nicht einzuhalten.

Faeser und Heil in der Ukraine eingetroffen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Sozialminister Hubertus Heil sind zu einem Besuch in der Ukraine angekommen. Zum Auftakt besuchten die SPD-Politiker die vom Krieg zerstörte Stadt Irpin. Der rund 30 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegene Vorort der Hauptstadt ist inzwischen weitgehend zerstört und gleicht einer Geisterstadt. Wie in dem nahe gelegenen Vorort Butscha sollen durch russische Besatzer auch in Irpin schlimme Kriegsverbrechen begangen worden sein. 

Für Faeser und Heil ist es der erste Besuch in der Ukraine seit Beginn des Krieges. Wie andere Politiker vor ihnen reisten die beiden mit einem Nachtzug aus Polen an. Geplant sind Treffen mit ukrainischen Politikern, darunter Faesers Amtskollege Denys Monastyrskyj, Zivilschutzchef Serhij Kruk, Vizeregierungschefin und Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko, Sozialministerin Oxana Scholnowytsch und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko.

Ukrainische Häfen treffen Vorbereitungen für Getreide-Export

Nach dem Istanbuler Abkommen zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide haben drei Häfen am Schwarzen Meer mit der Vorbereitung der Transporte begonnen. Die Arbeiten für die Wiederinbetriebnahme der Häfen in Odessa, Tschornomorsk und Juschnyj seien im Gange, teilte die ukrainische Seehafenbehörde auf Facebook mit. Auf der Grundlage der Einigung in Istanbul würden die Schiffsverbände für den Getreideexport über den Seeweg zusammengestellt. Dazu werde ein Konvoi gebildet, der von einem Leitschiff angeführt werden solle. Die Behörde forderte Reedereien auf, ihre Schiffe dafür anzumelden.

Ukraine Getreideernte in der Region Odessa
Blick in ein Getreidelager in der Region OdessaBild: Nina Liashonok/Ukrinform/IMAGO

Das Getreideabkommen sieht vor, dass die Schiffe über einen bestimmten Seekorridor fahren. Russland hatte in dem Abkommen zugesichert, weder die Schiffe noch die Häfen zu beschießen. In der Ukraine und international gibt es allerdings Zweifel, ob sich Russland daran hält. Die unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei unterzeichnete Einigung sieht ferner vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen. Nach ukrainischen Angaben lagern im Land 20 Millionen Tonnen Getreide. Sie werden auf dem Weltmarkt dringend benötigt.

Erst am Freitag hatte Russland den Hafen von Odessa trotz des Abkommens mit Raketen angegriffen. Nach ukrainischen Angaben wurde dabei Hafen-Infrastruktur beschädigt. Zum Zeitpunkt der Attacke lagerte dort demnach auch Getreide, die Vorräte waren von dem Beschuss jedoch offenbar nicht betroffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte den Angriff als "offensichtliche russische Barbarei". Auch international wurde die Attacke verurteilt.

Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Sonntag, man habe ein ukrainisches Militärschiff sowie ein Lager mit Waffen aus den USA zerstört. Beweise für diese Darstellung lieferte Moskau nicht. Der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte derweil bei einem Besuch in Kairo das Getreide-Abkommen und deutete an, dass bald wieder russisches Getreide ausgeliefert werde. Moskau habe das Versprechen der russischen Exporteure von Getreideprodukten bestätigt, "all ihre Verpflichtungen zu erfüllen", sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz nach Gesprächen mit seinem ägyptischen Kollegen Sameh Schukri. Ägypten ist wie viele andere arabische Staaten stark abhängig von Weizenimporten aus Russland und der Ukraine.

Lawrow bestätigt Moskaus Pläne für Regimewechsel in der Ukraine

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat im Gegensatz zu früheren Äußerungen erklärt, dass sein Land den Sturz der ukrainischen Regierung anstrebt. "Wir helfen dem ukrainischen Volk auf jeden Fall, sich von dem absolut volks- und geschichtsfeindlichen Regime zu befreien", sagte Lawrow in Kairo. Das russische und ukrainische Volk würden künftig zusammenleben. Die russische Führung hat in den vergangenen Tagen öffentlich ihre Position im Ukraine-Krieg verschärft. So drohte Lawrow am Mittwoch mit der Besetzung weiterer Gebiete auch außerhalb des Donbass. Angesichts der westlichen Waffenlieferungen und deren höherer Reichweite sei es nötig, die Kiewer Truppen weiter abzudrängen von den Gebieten Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine, die Moskau als unabhängig anerkannt hat.

Erklärte Kriegsziele des Kremls sind, dass die Ukraine die Gebiete Donezk und Luhansk abtritt und die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim als russisch anerkennt. Mit seiner Ankündigung, die politische Führung in Kiew auswechseln zu wollen, widerspricht Lawrow auch eigenen Aussagen vom April. "Wir haben nicht vor, das Regime in der Ukraine zu wechseln", sagte der russische Chefdiplomat damals in einem Interview mit dem Fernsehsender India Today. Es sei Aufgabe der Ukrainer zu entscheiden, unter welcher Führung sie leben wollten, versicherte Lawrow einst.

Russland will mehr als 200 Ukrainer anklagen

Russland will mehr als 200 Ukrainer wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor einem noch zu schaffenden internationalen Tribunal verurteilen. Da die Vereinten Nationen vom Westen dominiert würden, solle so ein Tribunal stattdessen unter der Führung einer Partnerorganisation Russlands stehen, sagte der Chef des russischen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, in einem
Interview der Zeitung "Rossijskaja Gaseta". Seinen Angaben nach haben unter anderem Bolivien, der Iran und Syrien Interesse an einer Beteiligung bekundet. 

Alexander Bastrykin, ein Studienfreund von Kremlchef Wladimir Putin, ist der Chef des russischen Ermittlungskomitees
Alexander Bastrykin, ein Studienfreund von Kremlchef Wladimir Putin, ist der Chef des russischen Ermittlungskomitees Bild: Sergei Savostyanov/ITAR-TASS/imago images

Wegen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung im Donbass wurden laut Bastrykin bereits mehr als 1300 Strafverfahren gegen mehr als 400 Personen eingeleitet. In den Vorermittlungen seien dann gut 220 Personen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Frieden überführt worden - Anklagepunkte, die nicht verjährten. "92 Kommandeure und ihre Untergebenen wurden angeklagt, 96 weitere, darunter 51 ukrainische Offiziere, zur Fahndung ausgeschrieben", so Bastrykin weiter.

Er berichtete zudem von Ermittlungen gegen Briten, US-Amerikaner, Kanadier, Niederländer und Georgier wegen Söldnertums. Ihnen wird vorgeworfen, aufseiten der Ukraine in dem Krieg gekämpft zu haben. Zwei Briten und einen Marokkaner haben die mit den Russen verbündeten Separatisten in Donezk deswegen schon zum Tode verurteilt.

Selenskyj: Kampf für nationale Einheit ist vorrangige Aufgabe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Landsleute aufgerufen, die nationale Einheit zu wahren, um den Krieg gegen Russland zu gewinnen. "Jetzt die Einheit zu bewahren, gemeinsam für den Sieg zu arbeiten, ist die wichtigste nationale Aufgabe, die wir zusammen bewältigen müssen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Wenn die Ukrainer dies schafften, werde ihnen gelingen, was Generationen vorher misslungen sei. Die Unabhängigkeit von Russland zu wahren, sich zu einem der modernsten Staaten der Welt zu wandeln und gleichzeitig den eigenen Weg Richtung Europa zu gehen, der nach Angaben Selenskyjs mit einer Vollmitgliedschaft in der EU enden wird.

Ukraien Kiew | Rede Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (Archivbild)Bild: The Presidential Office of Ukraine/SVenSimon/picture alliance

Selenskyjs Ansprache wird von Beobachtern als Antwort auf die Ankündigung Lawrows interpretiert, das "volks- und geschichtsfeindliche Regime" in Kiew stürzen zu wollen. "Nur diejenigen, die die wahre Geschichte nicht kennen und ihre Bedeutung nicht spüren, konnten sich entscheiden, uns anzugreifen", erwiderte Selenskyj darauf nun. Jahrhunderte seien die Ukrainer unterdrückt worden und sie würden ihre Unabhängigkeit niemals aufgeben, versicherte er.

Ex-US-Außenminister Kissinger lehnt Aufgabe ukrainischer Gebiete ab

Der frühere US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger hat der Ukraine und dem Westen geraten, in Verhandlungen mit Russland keine Gebiete abzutreten, die erst nach Kriegsbeginn besetzt wurden. Die Verantwortlichen des Westens müssten vorher Grenzen ziehen. "Ukrainisches Staatsgebiet aufzugeben, sollte nicht eine der Bedingungen sein, die wir akzeptieren können", sagte Kissinger im Zweiten Deutschen Fernsehen. Vor Verhandlungen müsse man sich klar werden, worüber man bereit sei zu verhandeln, und was man unter keinen Umständen bereit sei preiszugeben, sagte der 99-jährige Politologe. All dies müsse in "uneingeschränkter Zusammenarbeit mit den Opfern der Aggression", den Verantwortlichen und dem Volk der Ukraine, geschehen.

sti/pg/kle/wa (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.