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KonflikteUkraine

Aktuell: "Absolut verdorben und brutal"

17. September 2022

Nach dem Fund hunderter Gräber von Zivilisten in der Ostukraine zeigen sich EU und USA entsetzt. Der russische Rosneft-Konzern will "Zwangsenteignung" durch die Bundesregierung nicht hinnehmen. Meldungen im Überblick.

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Ukraine-Krieg - Isjum
Bild: Evgeniy Maloletka/AP/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Entsetzen über Gräberfund im ostukrainischen Isjum
  • Ukraine erhält weitere Panzer über einen Ringtausch
  • Bundesregierung erlaubt Ukraine Haubitzen-Kauf bei Krauss-Maffei 
  • Nach ukrainischen Vorstößen - Putin droht mit Vergeltung
  • Atomkraftwerk Saporischschja wieder am Stromnetz

Die Europäische Union ist "zutiefst schockiert" über die Leichenfunde in der Nähe der von russischen Truppen befreiten ostukrainischen Kleinstadt Isjum. "Wir verurteilen diese Gräueltaten aufs Schärfste", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Russlands Angriffskrieg ziehe "eine Spur von Blut und Zerstörung" durch die Ukraine, fügte er hinzu. "Tausende Zivilisten wurden schon ermordet, viele mehr gefoltert, schikaniert, sexuell missbraucht, entführt oder gewaltsam vertrieben. Dieses unmenschliche Verhalten der russischen Streitkräfte in völliger Missachtung des humanitären Völkerrechts und der Genfer Konventionen muss sofort aufhören", betonte der Außenbeauftragte. Russland, seine politische Führung und alle, die für die Rechtsverstöße in der Ukraine verantwortlich seien, würden zur Rechenschaft gezogen, kündigte Borrell an. Die EU unterstütze alle Bemühungen dazu.

Die US-Regierung bezeichnete die Entdeckung der Gräber bei Isjum als "abscheulich". "Es passt leider zu der Art von Verdorbenheit und Brutalität, mit der die russischen Streitkräfte diesen Krieg gegen die Ukraine und das ukrainische Volk führen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. "Es ist absolut verdorben und brutal." Es werde immer offensichtlicher, wozu der russische Präsident Wladimir Putin und seine Soldaten fähig seien, so Kirby weiter.

Bisher seien in der Nähe von Isjum im befreiten Gebiet Charkiw mehr als 440 Gräber gefunden worden, berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Es ist zu früh, etwas über die Zahl der dort begrabenen Menschen zu sagen, die Ermittlungen dauern an", sagte Selenskyj in einer am Freitagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Die Welt dürfe nicht zusehen, wie der "Terrorstaat" Russland töte und foltere, mahnte der 44-Jährige. Russland müsse mit noch härteren Sanktionen bestraft werden. "Es gibt bereits klare Beweise für Folter, erniedrigende Behandlung von Menschen." Russland habe agiert wie im Frühjahr in Butscha, einem Vorort der Hauptstadt Kiew, wo gefesselte Leichen von Zivilisten entdeckt worden waren.

Ukraine erhält weitere Panzer über Ringtausch

Die Bundesregierung hat sich mit Griechenland auf einen Ringtausch zur Versorgung der Ukraine mit weiteren Schützenpanzern geeinigt. Griechenland liefert der Ukraine 40 Schützenpanzer sowjetischer Bauart vom Typ BMP-1, dafür erhält Athen von Deutschland 40 Schützenpanzer "Marder" aus Industriebeständen, wie das Bundesverteidigungsministerium mitteilte. Darauf hätten sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihr griechischer Amtskollege Nikolaos Panagiotopoulos geeinigt. Die Umsetzung werde sofort beginnen.

Schützenpanzer sowjetischer Bauart: BMP-1
Schützenpanzer sowjetischer Bauart: BMP-1 (Archiv) Bild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

In der Debatte über den deutschen Beitrag zu Waffenlieferungen an die Ukraine räumte die deutsche Botschafterin in den USA, Emily Haber, Kommunikationsfehler der Bundesregierung ein. "Unsere Kommunikation könnte besser sein", twitterte Haber mit Blick auf Kritik an Deutschland, nicht ausreichend für die militärische Unterstützung Kiews zu tun. Zugleich betonte die Diplomatin, Deutschland habe hocheffiziente schwere Waffen wie Haubitzen, Gepard-Panzer, Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ "Mars" und vieles mehr geliefert. Diese Waffen hätten eine wichtige Rolle gespielt bei den jüngsten militärischen Erfolgen der Ukraine.

Scholz bleibt dabei: Keine Alleingänge

Bundeskanzler Olaf Scholz pocht darauf, dass die Bundesregierung nicht im Alleingang über Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine entscheiden wird. "Wir
werden bei allem, was wir tun, keine Alleingänge machen", sagte Scholz im Deutschlandfunk. Er reagierte damit auf Forderungen aus der Ukraine, der Union und der Ampel-Koalition, dass Deutschland Leopard-Panzer liefern soll.

Bundeskanzler Olaf Scholz
Kanzler Scholz will in der Frage der Panzerlieferungen keine "Alleingänge" (Archivbild)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Deutschland gehöre schon jetzt zu den wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine und habe mit der Panzerhaubitze 2000 mit das modernste Gerät geliefert, das im Krieg gegen die russischen Angreifer überhaupt zum Einsatz komme, betonte der Kanzler. "Gerade die Waffen, die wir zur Verfügung gestellt haben, haben den Unterschied gemacht und die jetzigen Erfolge, die die Ukraine verzeichnet, auch ermöglicht", sagte Scholz.

Bundeswehrverband warnt vor "Kannibalisierung" der Truppe

In der Debatte über Panzerlieferungen an die Ukraine warnt der Deutsche Bundeswehrverband vor einer Schwächung der eigenen Truppe. "Wir verstehen den Wunsch der Ukraine nach schweren Waffen nur zu gut. Wir können uns vorstellen, beispielsweise Schützenpanzer aus den Beständen der Industrie abzugeben", sagte Verbandschef André Wüstner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Was aus unserer Sicht als Berufsverband allerdings nicht mehr geht, ist die Abgabe von Waffen und Munition der Bundeswehr. Jede einzelne Lieferung führt zu einer Schwächung der Bundeswehr."

"Viele in der Bundeswehr fürchten, dass diese Politik der weiteren Kannibalisierung unserer Truppe negative Auswirkungen haben wird", fügte Wüstner hinzu. Er bezog dies auf eine "teils prekäre materielle Einsatzbereitschaft", die NATO-Verpflichtungen sowie die Ausbildung und Übung "als Voraussetzung für alles". 

Bundesregierung erlaubt Ukraine Haubitzen-Kauf

Die Bundesregierung hat der Ukraine den Kauf von Haubitzen aus deutscher Produktion genehmigt. Ein Regierungssprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage: "Wir können bestätigen, dass eine Genehmigung zur Ausfuhr von 18 Haubitzen vom Typ RCH-155 erteilt wurde." Die Zeitung "Welt am Sonntag" hatte zuvor unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente darüber berichtet. Demnach geht es um einen geplanten Auftrag Kiews beim Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) im Wert von 216 Millionen Euro. Allerdings müssen die Haubitzen erst noch produziert werden und können frühestens in zweieinhalb Jahren ausgeliefert werden.

Rosneft will gegen "Zwangsenteignung" vorgehen

Der russische Ölkonzern Rosneft hat der Bundesregierung eine "Zwangsenteignung" seiner deutschen Tochterfirmen vorgeworfen. Das Unternehmen sprach in einer Mitteilung von einem "illegalen" Zugriff auf sein Vermögen und kündigte rechtliche Schritte an. Die Bundesregierung hatte entschieden, die deutschen Rosneft-Töchter unter staatliche Kontrolle zu stellen. Damit hat die Bundesnetzagentur das Sagen auch bei der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.

"Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut", heißt es in der Stellungnahme aus Moskau. Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Man werde alles tun, um die Interessen der Aktionäre zu schützen.

Putin: Würden Gas über Nord Stream 2 liefern

Kremlchef Wladimir Putin hat dem Westen erneut die Schuld für die hohen Gaspreise gegeben und die rasche Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2 als Lösungsvorschlag bekräftigt. "Wenn alles so schwer ist, dann hebt doch endlich die Sanktionen gegen Nord Stream 2 auf", sagte Putin vor Journalisten. Dadurch könnten 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Deutschland fließen. "Man muss nur den Knopf drücken. Und los geht es."

China I Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit I Wladimir Putin
Wladimir Putin: Der Westen soll aufhören, "eigene Fehler" auf Russland zu schiebenBild: Sergei Bobylev/Pool Sputnik Kremlin/AP/picture alliance

Angesichts der Vorstöße der ukrainischen Armee in russisch besetzte Gebiete drohte der Kremlchef der Ukraine mit Vergeltung. "Kürzlich haben die russischen Streitkräfte einige empfindliche Schläge ausgeführt", sagte Putin. "Lassen Sie uns das als Warnung betrachten. Wenn die Lage sich so weiterentwickelt, dann wird die Antwort gravierender sein."

Atomkraftwerk Saporischschja wieder am Stromnetz

Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ist eine der vier Hauptstromleitungen des Akw repariert und versorgt das Kraftwerk zwei Wochen nach dem Ausfall wieder mit Strom aus dem ukrainischen Netz. Die Stromversorgung wird für die sicherheitskritische Kühlung der Anlage in Saporischschja benötigt, da alle sechs Reaktoren heruntergefahren wurden und das Kraftwerk deswegen selbst keinen Strom mehr produziert.

Baerbock betont Zusammenhalt der Demokratien gegen Putin

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei einem Treffen mit der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi den Zusammenhalt der Demokratien mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bekräftigt. "Die Ukrainer haben bewiesen, dass die Demokratie stärker ist als eine Diktatur", sagte Baerbock am Freitag in Berlin. "Demokratien unterstützen einander." Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei es gewesen, die Demokratie selbst zu zerstören. Der Krieg habe bereits gezeigt, dass ihm das nicht gelingen werde.

Baerbock empfängt Pelosi
Außenministerin Annalena Baerbock kurz vor dem Treffen mit Nancy Pelosi in BerlinBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Pelosi bedankte sich bei Baerbock für die Entscheidung Deutschlands, sich von russischer Energie unabhängig machen zu wollen. Das mache einen großen Unterschied, sagte die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Die US-Amerikanerin war unter anderem für ein Treffen der Parlamentspräsidenten der G7-Staaten und des Europäischen Parlaments nach Berlin gekommen. Deutschland hat derzeit den Vorsitz der Gruppe der sieben größten westlichen Industriestaaten inne, der auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien angehören.

Vereinte Nationen machen Ausnahme für Selenskyj

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj darf bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung eine Videoansprache halten, weil er wegen des russischen Angriffskriegs nicht nach New York reisen möchte. Die UN-Mitgliedstaaten stimmten mehrheitlich dafür, für Selenskyj in der kommenden Woche eine Ausnahme zu machen. Er kann demnach eine vorab aufgezeichnete Rede einreichen statt - wie üblich - persönlich vor der UN-Vollversammlung zu sprechen. Die Generaldebatte findet vom 20. bis 26. September im UN-Hauptquartier statt.

nob/kle/wa/bru/qu (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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