Ukraine aktuell: Polen will Kampfpanzer liefern
11. Januar 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Polen zur Lieferung von Leopard-Panzern bereit
- Weiterer Gefangenenaustauschvereinbart
- Unklarheit über Lage in Soledar
- Putin-Vertrauter verliert ukrainische Staatsangehörigkeit
- USA schulen ukrainische Soldaten in Deutschland
Eine Woche vor neuen Gesprächen über die weitere Militärhilfe für die Ukraine geht die Debatte, ob und in welchem Maß moderne Kampfpanzer in die Ukraine geliefert werden sollen, weiter. Sein Land habe bereits die Entscheidung getroffen, im Rahmen einer Koalition mit verbündeten Staaten den Ukrainern Leopard-Kampfpanzer zu überlassen, sagte der polnische Präsident Andrzej Duda in der westukrainischen Stadt Lwiw nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj und Litauens Präsidenten Gitanas Nauseda. Voraussetzung für die Übergabe der Leopard-Kampfpanzer sei zum einen "eine ganze Reihe von formalen Anforderungen und Genehmigungen", sagte Duda weiter. Zum anderen wolle Polen, dass sich dafür eine internationale Koalition bilde, bei der auch andere Länder Kampfpanzer "vom Typ Leopard und andere" beisteuern würden.
Berlin: Weiter keine konkreten Anfragen
Deutschland stellt vorerst keinen Kurswechsel bei der Übergabe von Kampfpanzern in Aussicht. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte in Berlin, es lägen keine konkreten Anfragen zu einer Genehmigung von Leopard-Lieferungen vor. Auch sei keine konkrete Bitte der Verbündeten bekannt, dass Deutschland selbst Kampfpanzer liefere, sagte Hebestreit.
Berlin spielt in der Debatte eine Schlüsselrolle, weil die Leopard-2-Panzer in Deutschland entwickelt wurden und nicht ohne deutsche Genehmigung an die Ukraine abgegeben werden dürfen. In Schweden, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hofft Ministerpräsident Ulf Kristersson innerhalb einiger Wochen auf eine Entscheidung. Auch London deutete eine Initiative an, um möglicherweise Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zu liefern.
Russland wechselt abermals Kommandeur aus
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat Generalstabschef Waleri Gerassimow zum Oberbefehlshaber der Invasions-Streitkäfte in der Ukraine ernannt. Das teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Gerassimows Ernennung folgt bereits mehreren personellen Wechseln in der Militärführung im Laufe des seit rund elf Monaten dauernden Krieges gegen die Ukraine.
Zwar haben russische Truppen große Gebiete im Süden und Osten der Ukraine erobert, sie erlitten aber auch schwere Niederlagen und mussten sich aus einigen Gebieten wieder zurückziehen. Erst Anfang Oktober war der Luftwaffengeneral Sergej Surowikin zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte in der Ukraine ernannt worden. Surowkin wird den Angaben zufolge nun Stellvertreter von Garassimow.
Schwere Kämpfe um Soledar
Um die ostukrainische Kleinstadt Soledar tobt ein erbitterter Kampf zwischen der russischen Söldner-Einheit Wagner und ukrainischen Soldaten. Bei eisigen Temperaturen liefern sich beide Seiten offenbar heftige Gefechte im Zentrum der nahe Bachmut gelegenen Stadt. Wie genau die Lage vor Ort ist, ist unklar. Der Gründer der Söldner-Organisation, der russische Unternehmer Jewgeni Prigoschin, hat bereits die Einnahme des Ortes gemeldet, aber zugleich erklärt, im Zentrum werde weiter gekämpft. Das Präsidialamt in Moskau teilte mit, rings um Soledar mache das russische Militär Fortschritte. Es wird von einer "positiven Dynamik" gesprochen. Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums wurde Soledar von russischen Truppen eingekesselt.
Die ukrainische Regierung teilte mit, ihre Soldaten leisteten weiterhin Widerstand. Im Lagebericht des ukrainischen Militärs wurde Soledar als eine der Ortschaften in der Region Donezk genannt, die beschossen werde. Der Sprecher des Militärkommandos Ost, Serhij Tscherewatji, sprach von schweren Kämpfen.
Russland und die Ukraine einigen sich in der Türkei auf Gefangenenaustausch
Russland und die Ukraine haben sich in der Türkei auf einen weiteren Gefangenenaustausch geeinigt. Die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa sagte nach einem Treffen mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Lubinez in Ankara, sie hätten den Austausch von jeweils mehr als 40 Gefangenen vereinbart. Die Gespräche sollen am Donnerstag fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass Moskalkowa und Lubinez dann offiziell die Gefangenenlisten austauschen.
Nach Angaben des türkischen Menschenrechtsbeauftragten Seref Malkoc forderten die beiden zudem die Einrichtung eines humanitären Korridors im Kriegsgebiet "unter der Schirmherrschaft von Recep Tayyip Erdogan". Der türkische Präsident sagte später, er sei "bereit", einen "Korridor für die Verwundeten" zu beaufsichtigen. Treffen zwischen offiziellen Vertretern Russlands und der Ukraine sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs sehr selten. Beide Länder haben sich dennoch wiederholt auf Gefangenenaustausche einigen können.
Bomben auf Charkiw nach Baerbock-Besuch
Nur wenige Stunden nach dem unangekündigten Besuch von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in der ostukrainischen Großstadt Charkiw ist die Stadt am Dienstagabend nach Angaben des Regionalgouverneurs bombardiert worden. Im Onlinedienst Telegram forderte Gouverneur Oleg Synegubow die Bewohner dazu auf, in den Schutzräumen zu bleiben. "Die Besatzer bombardieren uns erneut", schrieb er weiter. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP hörte mehrere Explosionen in der Stadt.
Charkiw war gleich am ersten Tag des russischen Überfalls im Februar vergangenen Jahres unter heftigen Beschuss gekommen. Es folgten schwere Angriffe und militärische Belagerung. Doch die ukrainische Armee hielt dem Druck stand und drängte die russische Armee weit zurück.
Unter größter Geheimhaltung war Baerbock in die zerschossene Stadt gereist, die für die Ministerin ein "Sinnbild für den absoluten Irrsinn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine" ist. Aktuell verläuft die Kampffront in etwa 130 Kilometern Entfernung.
Putin-Vertrauter verliert ukrainische Staatsangehörigkeit
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem Oppositionspolitiker und Putin-Vertrauten Viktor Medwedtschuk und drei weiteren Politikern die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. "Wenn Volksvertreter sich dazu entscheiden, nicht dem ukrainischen Volk sondern den Mördern zu dienen, die in die Ukraine gekommen sind, dann agieren wir entsprechend", sagt Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.
Medwetschuk war Chef der verbotenen prorussischen Partei "Oppositionsplattform - Für das Leben". Er wurde des Hochverrats beschuldigt, bevor er im September 2022 im Rahmen einen Gefangenenaustauschs nach Russland kam. Den beiden Abgeordneten der Partei, Taras Kosak und Renat Kusmin, entzog Selenskyj ebenfalls die Staatsbürgerschaft. Auch Kusmin ist wegen Hochverrats angeklagt. Bei dem vierten handelt es sich um Andrii Derkatsch. Er wurde wie Kusmin von den USA auf eine Sanktionsliste gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, Russland bei der Einmischung in die Präsidentenwahl 2020 geholfen zu haben.
Bei allen vier Parlamentsabgeordneten wird eine vorhandene russische Staatsbürgerschaft vermutet. Eigentlich verbietet Artikel 25 der ukrainischen Verfassung den Entzug der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Im Staatsbürgerschaftsgesetz ist allerdings nicht vorgesehen, eine zweite Staatsbürgerschaft zu haben. Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer eine andere Staatsbürgerschaft annimmt, kann die ukrainische verlieren.
USA schulen ukrainische Soldaten in Deutschland
Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den von den USA angekündigten Bradley-Schützenpanzern soll auf dem Truppenübungsplatz im bayerischen Grafenwöhr stattfinden. Das bestätigte Pentagon-Sprecher Pat Ryder. Die USA hatten vergangene Woche angekündigt, im Zuge der jüngsten Waffenlieferungen an die Ukraine auch 50 Bradleys bereitstellen zu wollen. Die Panzer sollen in den kommenden Wochen in der Ukraine ankommen, sagte Ryder.
Die gepanzerten Kettenfahrzeuge verfügen laut US-Militär normalerweise über eine Kanone, ein Maschinengewehr sowie panzerbrechende Raketen. Mit den Bradleys wollen die USA auch 500 Anti-Panzer-Raketen und 250.000 Schuss 25-Millimeter-Munition liefern. Damit könne die Ukraine mehr gegen russische Kampfpanzer und andere gepanzerte Fahrzeuge ausrichten, sagte der Pentagon-Sprecher.
In Grafenwöhr im Nordosten Bayerns und im benachbarten Vilseck hat die US-Armee gut 12.500 Soldatinnen und Soldaten stationiert. Es ist einer ihrer größten Standorte in Europa.
Russischer Botschafter attackiert US-Regierung
Für die von den USA und Deutschland zugesagten Patriot-Luftabwehrsysteme sollen nach Angaben von Ryder die dafür vorgesehenen ukrainischen Soldaten mehrere Monate lang in den USA geschult werden. Das Training auf der Militärbasis Fort Sill im US-Bundesstaat Oklahoma könne "schon nächste Woche" beginnen, so der Pentagon-Sprecher. Geplant sei, "etwa 90 bis 100" Ukrainer darin auszubilden, das Abwehrsystem "zu bedienen, instand- und aufrechtzuerhalten".
Das Patriot-Luftabwehrsystem soll der Ukraine Schutz bieten vor Russlands Angriffen auf ihre Energie-Infrastruktur. Das bodengestützte Patriot-System ist mobil, die Abschussrampen können auf Lkw montiert werden und mit ihren Lenkflugkörpern Flugzeuge, Raketen und Marschflugkörper in der Luft zerstören.
Der russische Botschafter in den USA, Anatoly Antonov nannte die Pläne der Biden-Regierung, ukrainische Soldaten zu schulen, eine "Bestätigung von Washingtons de-facto-Teilnahme" an dem Ukraine-Konflikt. In einer von der russischen Botschaft veröffentlichten Mitteilung hieß es, die US-Administration versuche, "Russland auf dem Schlachtfeld durch ukrainische Soldaten so viel Schaden wie möglich zuzufügen".
Hacker stören Verkauf von Banksy-Werken
Ein Onlineverkauf von Werken des britischen Graffiti-Künstlers Banksy zugunsten von Zivilisten in der Ukraine ist nach Angaben einer Hilfsorganisation das Ziel eines russischen Cyberangriffs geworden. Die Website habe "mehr als eine Million Anfragen" und zudem rund 3500 feindliche Angriffe von russischen IP-Adressen erhalten, erklärte die Hilfsorganisation Legacy of War Foundation auf ihrer Website.
Der berühmte Künstler Banksy verkauft über die Organisation 50 Siebdrucke in limitierter Auflage zum Preis von je 5000 Pfund (etwa 5660 Euro), um damit Geld für die vom russischen Angriffskrieg betroffenen Zivilisten in der Ukraine zu sammeln. Die Drucke zeigen eine Maus, die eine Kiste mit dem Aufdruck "zerbrechlich" hinunterrutscht.
Um an eines der Kunstwerke zu kommen, mussten sich die potenziellen Käufer bei der Organisation registrieren. "Wir sichten derzeit die registrierten Anfragen und werden die erfolgreichen Anwärter benachrichtigen", erklärte die Legacy of War Foundation online weiter.
Banksy hatte erklärt, er unterstütze die Organisation und habe in der Ukraine gesehen, wie eines ihrer Teams "sehr verzweifelten Leuten in einem ausgebombten Gebäude" mit medizinischer Unterstützung, Wasser und "einem freundlichen Gesicht" geholfen habe. Der Künstler hatte bestätigt, hinter sieben Wandgemälden zu stecken, die im vergangenen Jahr auf zerstörten Gebäuden in der Nähe der Hauptstadt Kiew aufgetaucht waren.
Yellen: Preisdeckel für russisches Öl "ein Erfolg"
US-Finanzministerin Janet Yellen hat den Preisdeckel auf russisches Rohöl als Erfolg bezeichnet. Es gebe nach etwa einem Monat "frühe Fortschritte" bezüglich der beiden Ziele, Russlands Einnahmen zu begrenzen und gleichzeitig russisches Öl am Weltmarkt zu halten, sagte Yellen vor einem Treffen mit ihrer kanadischen Kollegin Chrystia Freeland.
Offenbar nutzten Länder die Obergrenze, um russisches Öl sehr günstig zu importieren. Am Dienstag wurde Ural-Öl für Lieferung nach Europa mit 52,48 Dollar je Barrel bewertet, Brent dagegen mit 80,82 Dollar.
uh/sti/fab/mak/bru (afp, dpa, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.