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KonflikteUkraine

Aktuell: Scholz kündigt weitere Waffenlieferungen an

23. August 2022

Der Bundeskanzler untermauert auf der sogenannten Krim-Plattform die Solidarität des Westens mit der Ukraine. Deren Präsident Selenskyj schmiedet ein neues Bündnis. Unser Überblick.

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Olaf Scholz an einem Rednerpult
"Die Ukraine wird den dunklen Schatten des Krieges überwinden": Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild)Bild: Markus SchreiberAP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundeskanzler Scholz kündigt weitere Rüstungslieferungen an
  • Fall Darja Dugina: Estland weist FSB-Behauptung zurück
  • Präsident Selenskyj verkündet neue "Kiewer Initiative"
  • USA fordert ihre Bürger auf, die Ukraine zu verlassen
  • Fast eine Million Kriegsflüchtlinge in Deutschland

 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt. Man habe ein Paket auf den Weg gebracht, das hochmoderne Flugabwehrsysteme, Raketenwerfer, Munition und Anti-Drohnen-Geräte umfasse, sagte Scholz auf einer Konferenz zur Lage auf der Krim. Dabei war er aus Kanada zugeschaltet.

Wie ein Regierungssprecher auf Anfrage mitteilte, soll Kiew drei weitere Flugabwehrsysteme des Typs Iris-T, ein Dutzend Bergepanzer und 20 auf Pick-ups montierte Raketenwerfer erhalten. Insgesamt gehe es um Rüstungsgüter im Wert von deutlich mehr als 500 Millionen Euro. Das Geld müsse vom Haushaltsausschuss noch freigegeben werden. Die Waffen sollten "maßgeblich in 2023" geliefert werden, "einiges deutlich früher". Das Paket umfasst den Angaben zufolge außerdem Präzisionsmunition. Es sei der Einstieg in eine nachhaltige Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte, so der Regierungssprecher.

"Stark, mutig und vereint"

Die USA wollen der Ukraine laut einem Insider weitere Militärhilfe im Umfang von drei Milliarden Dollar zukommen lassen. Eine offizielle Bestätigung werde es wahrscheinlich an diesem Mittwoch geben, verlautete aus Regierungskreisen. Es wäre das größte derartige Paket der Vereinigten Staaten seit der russischen Invasion vor sechs Monaten.

Scholz erklärte auf dem Online-Gipfel: "Die internationale Gemeinschaft wird Russlands illegale, imperialistische Annexion ukrainischen Territoriums niemals akzeptieren." Die Partner der Ukraine seien vereint wie nie. "Ich kann Ihnen versichern: Deutschland steht fest an der Seite der Ukraine, solange die Ukraine unsere Unterstützung braucht." Die Bundesrepublik werde mit ihren Partnern die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten, finanziell helfen, Waffen liefern und sich auch am Wiederaufbau beteiligen. "Ich bin sicher, die Ukraine wird den dunklen Schatten des Krieges überwinden, weil sie stark, mutig und vereint ist in ihrem Kampf für Unabhängigkeit und Souveränität - und weil sie Freunde in Europa und überall auf der Welt hat", erklärte der Kanzler.

Satellitenaufnahme der Ukraine
Satellitenaufnahme der Ukraine - am unteren Bildrand die von Russland annektierte Halbinsel Krim (Archivbild)Bild: UIG/IMAGO

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte den Anspruch auf die Krim: "Ich möchte, dass Sie alle wissen: Wir werden auf jeden Fall zurückkommen!" Er warf Teilen der internationalen Gemeinschaft vor, die Ereignisse auf der Schwarzmeer-Halbinsel ausgeblendet zu haben. Für die Ukraine sei die Krim aber nicht irgendein Gebiet, sondern "Teil unseres Volkes, unserer Gesellschaft".

Mit der sogenannten Krim-Plattform, einem Online-Gipfel, will die Ukraine internationale Unterstützung für die Rückholung der 2014 von Russland annektierten Halbinsel mobilisieren.

"Eine Provokation" im Fall Darja Dugina

Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu hat die Behauptung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB zurückgewiesen, wonach die angebliche Mörderin der russischen Politikjournalistin Darja Dugina in sein Land geflohen sei. "Wir betrachten dies als eine Provokation der Russischen Föderation in einer sehr langen Reihe von Provokationen, und wir haben im Moment nichts mehr dazu zu sagen", erklärte Reinsalu.

Die 29-jährige Tochter des bekannten rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin galt als Verfechterin des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie wurde in der Nacht zum Sonntag durch einen Sprengsatz an ihrem Auto in einer Moskauer Vorstadtsiedlung getötet. Der FSB machte für den Anschlag eine 1979 geborene Ukrainerin verantwortlich und veröffentlichte dazu auch ein Video.

Nach Einschätzung staatlicher russischer Medien hätte eigentlich Alexander Dugin selbst getroffen werden sollen. Andere Beobachter vermuten die Täter eher aufseiten Moskaus und sprechen von einem Machtkampf hinter den Kulissen des Kremls. 

Die US-Regierung hat nach eigenen Angaben keine genaueren Informationen über die Hintergründe. "Wir wissen nicht wirklich, wer dahinter steckt und was das Motiv gewesen sein könnte", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.

Selenskyj verkündet neue "Kiewer Initiative"

Die Ukraine und eine Reihe von EU-Ländern haben zur Stärkung ihrer regionalen Zusammenarbeit die sogenannte Kiewer Initiative gegründet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte die Nachbarstaaten Polen, Rumänien, Slowakei und Ungarn sowie die baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen als Teilnehmer. Man wolle vor allem in Sicherheitsfragen kooperieren, erklärte der Staatschef in Kiew. Das Bündnis stehe anderen Ländern offen.

Ukraine | Wolodymyr Selenskyj
Will enger mit Nachbarstaaten kooperieren: Wolodymyr Selenskyj (Archivfoto)Bild: Sarsenov Daniiar/Ukraine Preside/Planet Pix/ZUMA/picture alliance

USA rufen ihre Bürger zum Verlassen der Ukraine auf

Kurz vor dem ukrainischen Unabhängigkeitstag haben die USA vor verstärkten russischen Angriffen auf zivile Infrastruktur und Regierungsgebäude in der Ukraine gewarnt. "Das Außenministerium hat Informationen, dass Russland seine Anstrengungen verstärkt, in den nächsten Tagen in der Ukraine zivile Ziele und Regierungseinrichtungen anzugreifen", heißt es auf der Seite der US-Botschaft in Kiew. Daher würden US-Bürger aufgerufen, die Ukraine mit privaten Transportmitteln - sofern sicher - auf dem Landweg zu verlassen.

Die Ukraine begeht am Mittwoch ihren Unabhängigkeitstag, zugleich sind es am Mittwoch genau sechs Monate seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine am 24. Februar. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Wochenende gewarnt, dass Russland in dieser Woche "etwas besonders Widerwärtiges und Gewalttätiges unternehmen könnte". In der Stadt Kiew wurden alle öffentlichen Zusammenkünfte untersagt, in der zweitgrößten Stadt Charkiw im Nordosten wurde eine Ausgangssperre verhängt.

Mehrere Personen hissen die US-Flagge
Am 18. Mai hatten die USA ihre Botschaft in Kiew wieder eröffnet (Archivbild)Bild: Efrem Lukatsky/AP/picture alliance

EU-Parlamentarier wollen schärfere Sanktionen

Etliche Abgeordnete des Europaparlaments fordern eine drastische Ausweitung von EU-Einreiseverboten gegen russische Unterstützer des Ukraine-Kriegs. Es müssten zumindest die mehr als 6000 Personen mit Strafmaßnahmen belegt werden, die auf einer Liste der Stiftung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny stünden, heißt es in einem Brief, der an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell geschickt wurde. Die Sanktionen sollten demnach auch das Einfrieren von Vermögen umfassen.

Als Hintergrund der Forderung wird in dem Brief insbesondere die öffentliche Debatte über Russen genannt, die trotz des Krieges Visa für Urlaubsreisen in der EU bekommen. Bislang stehen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nach offiziellen Angaben lediglich 1214 Russen auf der Sanktionsliste der Europäischen Union.

Estland | Eine Frau hält einen Russischen Pass
In der EU nicht mehr gerne gesehen: russischer ReisepassBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die US-Regierung weist die Forderung der Ukraine zurück, eine allgemeine Visa-Sperre für Russen zu verhängen. Die Vereinigten Staaten würden "russischen Dissidenten oder anderen, die von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind, nicht die Wege zu Zuflucht und Sicherheit versperren wollen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington.

"Schwere Folter" nach Einnahme von Mariupol?

Bei der Schlacht um Mariupol gefangengenommene ukrainische Kämpfer haben dem russischen Militär nach ihrer Freilassung schwere Misshandlungen vorgeworfen. Ehemalige Mitglieder des Asow-Regiments berichteten unter anderem von Gefangenen, denen durch Schläge Knochen gebrochen worden seien. Einer der im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigekommenen Männer sprach davon, Fälle von "schwerer Folter" beobachtet zu haben. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Ukraine | Stahlwerk in Mariupol
War wochenlang umkämpft: das Werk Azovstal in MariupolBild: Alexander Garmayev/TASS/dpa/picture alliance

Die Hafenstadt Mariupol war im Mai nach heftigen Kämpfen endgültig unter russische Kontrolle gelangt. Damals hatten sich die letzten Kämpfer des Asow-Regiments ergeben, die wochenlang in einem Stahlwerk Widerstand gegen die russische Belagerung geleistet hatten.

UN sollen sich mit AKW-Sicherheit befassen 

Russland hat für diesen Dienstag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Situation um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja beantragt. Dies meldet die staatliche Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf den russischen Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dmitri Poljanskij. Russische Truppen haben Europas größtes AKW im Zuge ihres Einmarschs in die Ukraine besetzt. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Angriffe auf das AKW-Gelände vor, wodurch eine nukleare Katastrophe drohe.

Ukraine Atomkraftwerk Saporischschja
Wurde mehrfach beschossen: das Atomkraftwerk Saporischschja (Archiv)Bild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

Erste Ukrainische Fußball-Liga nimmt Spielbetrieb wieder auf

Inmitten des Krieges hat in der Ukraine nach monatelanger Unterbrechung die Saison der ersten Fußball-Liga begonnen. In der vor leeren Rängen in Kiew gespielten Auftaktpartie trennten sich Schachtjor Donezk und Metalist Charkiw mit 0:0. Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs geht laut Medienberichten direkt auf eine Entscheidung des ukrainischen Präsidenten zurück, der damit die Moral der Bevölkerung stärken wolle.

Erster Zug mit Mais aus Ukraine in Rostock eingetroffen

Ein erster Zug mit 1200 Tonnen Mais aus der Ukraine ist am Getreideterminal Rostock (GTR) entladen worden. "Es ist ein Testzug. Vier weitere sollen noch folgen", sagte GTR-Standortleiter Jacob Lubig. Der Futtermais wurde an der ukrainisch-polnischen Grenze umgeladen und dann per Bahn via Polen nach Rostock gebracht.

Aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind viele Exportwege für die dortige Landwirtschaft versperrt. Allerdings lief nach einer Übereinkunft zwischen den Kriegsparteien und internationalen Vermittlern der Export über das Schwarze Meer in diesem Monat wieder an. Am Getreideterminal im Rostocker Überseehafen werden Weizen, Gerste und Mais per Schiene oder Straße angeliefert und dann per Schiff exportiert. Das meiste geht in den Nahen Osten, aber auch nach Nordafrika und in den Iran.

Die Caritas warnt vor dem Winter in der Ukraine

Der bevorstehende Winter wird für viele Menschen in der Ukraine zu einem sehr ernsten Problem. "Die Situation ist extrem schwierig, insbesondere für die Menschen in den östlichen Landesteilen", sagte der Ukraine-Experte von Caritas international, Gernot Krauß, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bereits in wenigen Wochen könne es in der Ukraine sehr kalt werden.

Brennholz, Gas oder Öl zum Heizen seien - wenn überhaupt verfügbar - extrem teuer, sagte Krauß nach einem Besuch von Caritas-Hilfsprojekten in Lwiw. "Hinzu kommen die großen Schäden an der Infrastruktur, etwa an den Fernwärmeleitungen oder auch an den einzelnen Wohnungen." Derzeit sei völlig unklar, wie die Menschen, darunter viele Binnenflüchtlinge, die kalten Monate überstehen sollen.

Steinmeier zollt Menschen in Ukraine "größte Hochachtung"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Ukrainerinnen und Ukrainern anlässlich ihres Nationalfeiertags seine "größte Hochachtung" ausgesprochen. "Ich bewundere, mit welchem Mut, welcher Entschlossenheit Sie, die Streitkräfte und die gesamte Bevölkerung sich dem brutalen russischen Angriffskrieg entgegenstellen."

"Sie lassen sich Ihr Land, Ihr Leben, Ihre Freiheit nicht nehmen", schrieb Steinmeier in einem Brief zur Feier der Unabhängigkeit. Die Ukraine könne Deutschland und Europa an ihrer Seite wissen. Die Ukraine gedenkt am Mittwoch ihrer Unabhängigkeitserklärung vom 24. August 1991. 

Zahl der ukrainischen Kinder an deutschen Schulen steigt weiter

Fast 155.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler lernen derzeit an deutschen Schulen. Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl damit um 4690 an. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind bisher insgesamt fast eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine zumindest vorübergehend nach Deutschland gekommen. Deren Aufnahme und Integration hat aus Sicht der deutschen Regierung bislang gut funktioniert.

Zwei aus der Ukraine geflüchtete Schüler sitzen in einem Mainzer Gymnasium an ihren Tischen.
Ukrainische Schüler in einem Mainzer GymnasiumBild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan, sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit sofortigem Zugang zu Arbeitsmarkt und Integrationskurs sowie mit Leistungen aus einer Hand von den Jobcentern sei das Ankommen insgesamt gut gelungen. "Das muss Blaupause für unsere Migrations- und Integrationspolitik sein, damit wir ein Einwanderungs- und Integrationsland auf der Höhe der Zeit sind." Die Staatsministerin würdigte in diesem Zusammenhang erneut das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer.

Spaniens Energiesparplan lässt Stromverbrauch sinken

Der in Spanien wegen des Ukraine-Kriegs eingeführte Energiesparplan zeigt Wirkung. In der vergangenen Woche sei der Stromverbrauch im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um fast neun Prozent zurückgegangen, berichtete der staatliche Fernsehsender RTVE unter Berufung auf Angaben der Regierung in Madrid.

Seit dem 10. August dürfen in Spanien alle öffentlichen Einrichtungen sowie Kaufhäuser, Kinos, Büros, Geschäfte, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen ihre Räumlichkeiten auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen. Im Winter sollen Innenräume auf höchstens 19 Grad geheizt werden dürfen. Die Beleuchtung nicht genutzter Büros, von Schaufenstern und auch einiger Denkmäler muss nach 22 Uhr ausgeschaltet werden.

Lesen Sie dazu auch: Scholz beschwört Energiepartnerschaft mit Kanada

fab/rb/wa/cw (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.