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KonflikteUkraine

Aktuell: 2,5 Millionen Menschen aus Ukraine geflohen

11. März 2022

Mehr als 100.000 Flüchtlinge sind nach Deutschland gekommen. Die Vereinten Nationen beraten auf Antrag Russlands über angebliche Biowaffen in der Ukraine. Die USA verschärfen Sanktionen gegen Russland. Ein Überblick.

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Ukrainerinnen und Ukrainer warten im Bahnhof von Kiew auf die Züge, die sie aus dem Grauen bringen sollen
Ukrainerinnen und Ukrainer warten im Bahnhof von Kiew auf die Züge, die sie aus dem Grauen bringen sollenBild: Dimitar Dilkoff/AFP/Getty Images

Das Wichtigste in Kürze:

- Mehr als 1,5 Millionen Menschen allein nach Polen geflohen

- Vereinte Nationen: Keine Kenntnis über Biowaffen in der Ukraine

- Kein russischer Wodka mehr in die USA

- G7 für offene Märkte und Hilfen für ukrainische Bauern

- Russland blockiert Instagram

 

Seit Beginn des Krieges sind nach Angaben des UN-Migrationsbüros mehr als 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Damit seien seit dem letzten Bericht vom Donnerstag rund 200.000 weitere Flüchtlinge hinzugekommen, teilte die Internationale Organisation für Migration mit. Die meisten Menschen fliehen nach Polen. Bislang kamen dort nach Auskunft des Grenzschutzes schon mehr als 1,5 Millionen Ukrainer an. Allein seit Mitternacht seien 24.500 Menschen aus dem Nachbarland eingetroffen.

Mehr als 109.000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen

Innerhalb der Ukraine seien zudem mindestens 1,85 Millionen Menschen auf der Flucht, teilte das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten mit.

Die Zahl der in Deutschland eingetroffenen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine hat die Marke von 100.000 Menschen überschritten. Laut einem Sprecher des Bundesinnenministeriums wurden bis Freitagvormittag 109.183 Flüchtlinge registriert. Dies seien 13.270 mehr als am Donnerstag. Die tatsächliche Zahl könne aber "bereits wesentlich höher" sein, erläuterte der Sprecher. Es gebe zwar verstärkte Kontrollen der Bundespolizei, aber keine festen Grenzkontrollen. Insgesamt kommt weiterhin nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Menschen nach Deutschland.

Infografik Wohin die Menschen aus der Ukraine fliehen (11.3.2022) DE

Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu Biowaffen

Die Vereinten Nationen haben bekräftigt, nichts über in der Ukraine produzierte Biowaffen zu wissen. "Mir sind Medienberichte über Vorwürfe von Biowaffenprogrammen bekannt. Den UN sind keine Biowaffenprogramme bekannt", sagte Izumi Nakamitsu, die Leiterin des UN-Büros für Abrüstungsfragen, bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Hintergrund ist Russlands Vorwurf an die USA und die Ukraine, biologische Waffen zu entwickeln. Internationale Faktenchecker haben entsprechende Behauptungen teilweise entkräftet.

"Die russische Vertretung hat um ein Treffen des Sicherheitsrates für den 11. März gebeten, um die militärisch-biologischen Aktivitäten der USA auf dem Territorium der Ukraine zu erörtern", schrieb der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanski am Donnerstag auf Twitter. 

Der UN-Sicherheitsrat soll sich noch an diesem Freitag mit dem Biowaffen-Streit beschäftigen
Der UN-Sicherheitsrat soll sich noch an diesem Freitag mit dem Biowaffen-Streit beschäftigen (Archivbild)Bild: John Minchillo/AP Photo/picture alliance

USA: Moskau will vielleicht selbst B- und C-Waffen einsetzen  

Die Vereinigten Staaten sehen die russischen Behauptungen als "Propaganda" und möglichen Vorwand, selbst Massenvernichtungswaffen im Ukraine-Krieg einzusetzen. "Russland hat diese neuen falschen Behauptungen aufgestellt. Wir haben gesehen, dass China diese Propaganda unterstützt hat. Und deshalb sollten wir Ausschau halten, ob Russland möglicherweise chemische oder biologische Waffen in der Ukraine einsetzt oder eine Operation unter falscher Flagge startet", erklärte der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Jeffrey Prescott.

Derweil meldet die Nachrichtenagentur Reuters, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe der Ukraine empfohlen, hochgefährliche Krankheitserreger in ihren Laboren zu zerstören. Die Bombardierung der Städte erhöhe die Gefahr, dass Krankheitserreger, an denen in den Laboren geforscht werde, durch eine Zerstörung der Gebäude freigesetzt würden und sich in der Bevölkerung verbreiteten, zitiert Reuters aus einer Erklärung der WHO. Eine etwaige Forschung an Krankheitserregern wäre keineswegs automatisch gleichzusetzen mit der Entwicklung von Biowaffen.

Charkiw ständig unter Beschuss 

Die ostukrainische Großstadt Charkiw steht ihrem Bürgermeister zufolge inzwischen unter ständigem Beschuss. 48 Schulen seien dort zerstört worden, sagte Ihor Terechow in einem Fernseh-Interview. Russische Waffen trafen nach Angaben von Regionalgouverneur Oleh Synegubow in Charkiw auch ein psychiatrisches Krankenhaus mit 330 Menschen. Synegubow sprach von einem brutalen Angriff auf Zivilisten. Ukrainischen Rettungskräften zufolge kamen bei der Attacke keine Menschen zu Schaden. Die Patienten seien zuvor im Keller des Gebäudes in Sicherheit gebracht worden. 

Luftangriffe auf zivile Ziele in Dnipro

Bei Luftangriffen auf zivile Ziele in der Stadt Dnipro in der Zentralukraine wurde nach Angaben der Rettungsdienste mindestens ein Mensch getötet. Am frühen Morgen "gab es drei Luftangriffe in der Stadt, die einen Kindergarten, ein Apartmenthaus und eine zweistöckige Schuhfabrik trafen", teilten die Rettungskräfte mit. Dnipro, eine Stadt mit etwa einer Million Einwohnern - war bislang von größeren russischen Angriffen verschont geblieben.

Neue Erfolgsmeldungen aus Moskau

Russland gibt einem Medienbericht zufolge eine komplette Einschließung der südlichen ukrainischen Hafenstadt Mariupol bekannt. Alle Brücken und alle Straßen in die Stadt sei nun zerstört oder von ukrainischen Streitkräften vermint worden, meldet die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.

Prorussische Separatisten brachten nach Moskauer Militärangaben die Stadt Wolnowacha im Osten der Ukraine unter ihre Kontrolle. Die Stadt war nach russischen Angaben seit dem 28. Februar eingekesselt. Die Truppen der "Volksrepublik Donezk" hätten zudem vier weitere Ortschaften eingenommen und seien insgesamt sechs Kilometer weit in ukrainisches Gebiet vorgedrungen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Nach den Kämpfen im Dorf Sopino in der Region von Wolnowacha in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk"
Nach den Kämpfen im Dorf Sopino in der Region von Wolnowacha in der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" Bild: Alexey Kudenko/SNA/Imago

Russischer Einsatz von Streumunition

Dem UN-Menschenrechts-Kommissariat liegen nach eigenen Angaben glaubwürdige Berichte über mehrere Fälle vor, in denen russische Soldaten Streumunition in bewohnten Gebieten in der Ukraine verwendet haben. "Wir erinnern die russischen Behörden daran, dass gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte sowie das sogenannte Flächenbombardement in Städten und Dörfern und andere Formen wahlloser Angriffe nach dem Völkerrecht verboten sind", sagt eine Sprecherin. Dabei könne es
sich um Kriegsverbrechen handeln.

Neue US-Sanktionen gegen Russland

US-Präsident Joe Biden kündigt weitere Maßnahmen gegen Russland an. Unter anderem wird der Status als Handelspartner so geändert, dass der Weg für Strafzölle auf russische Güter frei wird. Zudem sollen Importe von Luxusgütern verboten werden, darunter Diamanten, Meeresfrüchte und Wodka, sagt Biden weiter. Umgekehrt werden Exporte von Luxusgütern nach Russland untersagt. Die Maßnahmen würden in Absprache mit den Verbündeten getroffen. Das US-Präsidialamt kündigt zudem einen Erlass Bidens an, wonach alle zukünftigen US-Investitionen in jeden Sektor der russischen Wirtschaft untersagt werden.
 

Das Foto von Juli 2021 zeigt die Weizenernte in einem Gebiet westlich von Luhansk.
Das Foto von Juli 2021 zeigt die Weizenernte in einem Gebiet westlich von Luhansk. Wie wird es in diesem Jahr sein?Bild: Alexander Reka/dpa/TASS/picture alliance

G7 für offene Märkte und Hilfe für ukrainische Landwirte

Wegen der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine haben sich die Landwirtschaftsminister der G7-Staaten auf offene Märkte für Getreide und andere Agrarprodukte verständigt. So sollten etwa Ausfuhrverbote verhindert und die Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse genau beobachtet werden, teilte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Freitag vor Journalisten mit. Zudem sollten Hilfsorganisationen dabei unterstützt werden, weiterhin Getreide beschaffen und verteilen zu können.

Konkret einigten sich die Minister unter anderem darauf, auch die Ernährung in der Ukraine sicherzustellen und die ukrainischen Landwirte dabei zu unterstützen, ausreichend Lebensmittel zu produzieren. Künstlich überhöhte Preise wollen die G7-Staaten nicht dulden und deshalb gegen jedes spekulative Verhalten, das die Ernährungssicherheit gefährdet, vorgehen. Zusammen mit anderen internationalen Organisationen wollen die G7 zudem dafür sorgen, dass die globale Ernährung sichergestellt wird, auch mit humanitärer Hilfe.

"Dann hat die Welt ein Nahrungsproblem"

Der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten, Oleg Ustenko, warnte vor einer Hungersnot, sollte der Krieg in der Ukraine andauern. "Uns bleibt maximal eine Woche für die Saat. Wenn der Krieg bis dahin nicht aufhört, dann hat die Welt ein Nahrungsproblem", sagte der Ökonom der "Wirtschaftswoche". Die Ukraine ist wie Russland ein großer Weizenexporteur. Der Krieg belastet die globalen Getreidemärkte und hat dort schon zu deutlichen Preissprüngen geführt. "Die Welt muss entscheiden, wie sie die Menschen ernähren will, besonders in afrikanischen Ländern", so Ustenko weiter.

Flugverbote im Süden Russlands verlängert

Wegen des Krieges verlängern Russlands Behörden die Flugverbote im Süden des eigenen Landes bis zum 20. März. Insgesamt elf Flughäfen blieben weiterhin gesperrt - darunter in der Großstadt Krasnodar, in Kursk und in Woronesch, teilte die Luftfahrtbehörde Rosawiazija laut Agentur Interfax mit. Auch die Flughäfen von Gelendschik, Rostow am Don sowie Simferopol auf der 2014 annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind demnach weiter von den Luftraumbeschränkungen betroffen. In der bei Touristen beliebten Stadt Sotschi am Schwarzen Meer läuft der Flugbetrieb weiter.

Disney-Konzern stellt Russlandgeschäft ein

Der US-Medien- und Unterhaltungsriese Walt Disney will wegen des Krieges gegen die Ukraine vorerst gar keine Geschäfte mehr in Russland machen. Die Entscheidung erfolge "angesichts des unerbittlichen Angriffs auf die Ukraine und der eskalierenden humanitären Krise", erklärte das Unternehmen.

Der Disney-Konzern (hier ein Denkmal von Gründer Walt Disney in Orlando) stellt sein Russland-Geschäft ein
Der Disney-Konzern (hier ein Denkmal von Gründer Walt Disney in Orlando) stellt sein Russland-Geschäft einBild: Bryan Smith/ZUMA Wire/ZUMAPRESS/picture alliance

Disney hatte vergangene Woche bereits angekündigt, zunächst keine Filme mehr in Russland rauszubringen. Nun stoppt der Konzern alle Aktivitäten - von seinen Fernsehsendern und der Vermarktung von TV-Inhalten über das Lizenzgeschäft bis hin zu Kreuzfahrten und der Magazinmarke "National Geographic". Teilweise gehe dies wegen vertraglicher Verpflichtungen zwar nicht per sofort, doch Disney arbeite daran.

Schneller Preisanstieg in den USA

US-Finanzministerin Janet Yellen rechnet wegen des Ukraine-Kriegs mit einer noch stärkeren Preisbeschleunigung. Man werde wahrscheinlich ein weiteres Jahr erleben, in dem die Inflationszahlen unangenehm hoch blieben, sagte Yellen in einem CNCB-Interview. Sie erwarte keine Rezession in den USA. Vielmehr gehe sie von einer weichen Landung der Konjunktur aus, da die US-Notenbank Fed die Zinsen anheben dürfte.

Australien JP Morgan Bank
Auch die Bank J. P. Morgan zieht sich aus Russland zurückBild: Mark Baker/AP Photo/picture alliance

Nach der US-Investmentbank Goldman Sachs zieht sich auch der amerikanische Bankenprimus J. P. Morgan aus Russland zurück. J. P. Morgan werde sein Geschäft im Einklang mit den regulatorischen Bedingungen abwickeln, gab die Wall-Street-Bank bekannt. Man habe auch keine neuen Geschäfte in Russland mehr angestrebt.

Facebook lässt heftige Russland-Kritik zu

Die US-Internetplattform Facebook will wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bei Hass und Gewaltaufrufen gegen die russische Regierung und ihre Streitkräfte ein Auge zudrücken. "Aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine sind wir nachsichtig mit politischen Ausdrucksformen wie 'Tod den russischen Invasoren', die normalerweise gegen unsere Regeln zu gewalttätigen Äußerungen verstoßen würden", sagte der Sprecher der Facebook-Muttergesellschaft Meta, Andy Stone am Donnerstag. Er schränkte allerdings ein: "Wir werden weiterhin keine glaubwürdigen Aufrufe zur Gewalt gegen russische Zivilisten zulassen."

Russland hat inzwischen reagiert. Nach Facebook und Twitter wird nun auch Instagram in Russland blockiert. Auf der Social-Media-Plattform würden Gewaltaufrufe gegen russische Bürger und Soldaten verbreitet, hieß es zur Begründung in einer Mitteilung der russischen Medienaufsicht Roskomnadsor. Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft Roskomnadsor aufgefordert, den Zugang zu Instagram einzuschränken - und kündigte auch die Löschung ihres eigenen Instagram-Accounts an.

Russlands Generalstaatsanwaltschaft will den gesamten Facebook-Konzern Meta als "extremistische Organisation" verbieten lassen. Ein entsprechender Antrag sei bereits bei Gericht eingereicht worden.

ARD und ZDF berichten wieder aus Moskau

ARD und ZDF nehmen ihre Berichterstattung aus Moskau wieder auf. In den kommenden Tagen werde aus den Studios in der russischen Hauptstadt wieder "über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in Russland" berichtet - nicht aber über die militärische Situation in der Ukraine, teilten der bei der ARD zuständige Westdeutsche Rundfunk und das ZDF mit. Über die militärische Auseinandersetzung werde von anderen Standorten aus informiert.

Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten nach der Verabschiedung des neuen russischen Mediengesetzes die Berichterstattung aus ihren Moskauer Studios vorläufig ausgesetzt. Das russische Parlament hatte vor dem Hintergrund der Ukraine-Invasion ein Gesetz verabschiedet, das drakonische Haftstrafen von bis zu 15 Jahren für eine missliebige Berichterstattung über die russische Armee vorsieht. Auch ausländische Medien sind von dem Gesetz betroffen.

sti/mak/jj/ack (afp, dpa, rtr, ape)