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KonflikteUkraine

Aktuell: Selenskyj fordert modernes Kriegsgerät von der EU

15. Dezember 2022

Beim Gipfel in Brüssel rief der ukrainische Präsident die EU auf, Panzer und Flugabwehr westlicher Bauart zu liefern. Mehr als jeder dritte Kriegsflüchtling will laut Studie für Jahre in Deutschland leben. Ein Überblick.

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Deutschlannd Informationslehrübung der Bundeswehr
Ein Schützenpanzer vom Typ Marder wie dieses Exemplar der Bundeswehr ist, was Selenskyj gerne hätteBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj dringt auf die Lieferung moderner Panzer
  • Studie: Viele Geflüchtete aus der Ukraine planen keine baldige Rückkehr
  • Bericht über Kinder-Folterkammern in Cherson
  • EU-Parlament stuft Holodomor als Genozid ein 
  • Cherson nach russischen Angriffen "völlig ohne Strom"

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU-Staaten eindringlich zur Lieferung moderner Panzer für die Verteidigung gegen die russischen Angreifer aufgerufen. "Es gibt keinen rationalen Grund, warum die Ukraine sie nicht jetzt schon bekommen sollte", sagte er beim EU-Gipfel, zu dem er per Video zugeschaltet wurde.

"Ich bitte Sie darum, Führung zu zeigen. Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der größten Verteidiger der Freiheit unserer Zeit im Gedächtnis bleiben." Dasselbe gelte für weitreichendere Artillerie- und Raketensysteme, die das Ende der russischen Aggression schneller herbeiführen könnten.

Die Ukraine bittet ihre Verbündeten seit langem um Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart. Nach ukrainischen Angaben laufen derzeit Gespräche mit der Bundesregierung über die Lieferung von deutschen Fabrikaten der Typen Leopard 2 und Marder. Bundeskanzler Olaf Scholz will solche Panzer nicht liefern, solange sie auch von anderen Bündnispartner nicht geliefert werden. Es werde keinen deutschen Alleingang in dieser Frage geben, hat der SPD-Politiker immer wieder betont. 

Cherson nach russischen Angriffen "völlig ohne Strom"

Russische Angriffe auf Cherson im Süden der Ukraine haben zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung in der Stadt geführt. Die Stadt sei "völlig ohne Strom", teilte Regionalgouverneur Jaroslaw Januschewitsch mit. Eine Infrastruktur-Einrichtung am Hafen werde weiterhin bombardiert. Nach Angaben des stellvertretenden Leiters des ukrainischen Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, wurden zwei Menschen getötet.

Ukraine Krieg l Videostill zeigt Zerstörung nach russischem Raketeneinschlag in Cherson
Auch die Räume der Stadtverwaltung von Cherson wurden von russischen Raketen verwüstetBild: Cover-Images/IMAGO

Die Stadt Cherson wird seit ihrer Rückeroberung durch die Ukraine vor einem Monat immer wieder von Russland angegriffen. Ukrainischen Medien zufolge wurde sie am Donnerstag drei Mal bombardiert. In der gesamten Region Cherson wurden Tymoschenko zufolge am Mittwoch drei Zivilisten getötet und 13 verletzt.

Bericht über Kinder-Folterkammern in Cherson

In der kürzlich befreiten Stadt Cherson sind ukrainischen Angaben zufolge unter russischer Besetzung auch Kinder misshandelt worden. "Wir haben in der Region Cherson zehn Folterkammern gefunden, vier davon in der Stadt Cherson", berichtete Dmytro Lubinets, der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments. "In einer der Folterkammern fanden wir einen separaten Raum, eine Zelle, in der Kinder festgehalten wurden." Selbst die Besatzer hätten den Raum "Kinderzelle" genannt.

Die Zelle unterscheide sich von den angrenzenden Räumen nur dadurch, dass die Besatzer dünne Matten auf den Boden gelegt hätten. Lubinets legte zunächst keine Beweise für seine Behauptungen vor. Diese konnten bisher auch nicht unabhängig überprüft werden.

Ukraine schließt Waffenruhe über Neujahr aus

Das ukrainische Militär schließt eine Waffenruhe mit Russland über Neujahr aus. "Einen totalen Waffenstillstand wird es nur geben, wenn kein einziger Besatzer auf unserem Land bleibt", sagt Brigadegeneral Olexjy Gromow vor der Presse auf eine entsprechende Frage.

Zuvor hatte Russland eine Waffenruhe über die Feiertage ausgeschlossen.

 

EU-Parlament stuft Holodomor als Genozid ein

Das Europaparlament hat die gezielt herbeigeführte Hungersnot vor 90 Jahren in der Ukraine als Völkermord eingestuft. Die Abgeordneten verurteilen die Taten, die damals den Tod von Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern zur Folge hatten, wie es in einer am Donnerstag in Straßburg verabschiedeten Resolution heißt. Zurzeit würden erneut grausame russische Verbrechen gegen das ukrainische Volk verübt - wie zum Beispiel die gezielte Zerstörung der zivilen Energieinfrastruktur im Winter, beklagten die Parlamentarier.

Ukraine | Holodomor Denkmal in Kiew
Holodomor - Gedenkstätte in KiewBild: Bryan Smith/ZUMA Press/picture alliance

Unter der Verantwortung des sowjetischen Diktators Josef Stalin waren dem sogenannten Holodomor ("Mord durch Hunger") in den Jahren 1932 und 1933 allein in der Ukraine bis zu vier Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Das Plenum forderte Russland als Nachfolger der Sowjetunion auf, sich für die Verbrechen zu entschuldigen. Auch der Bundestag hatte den Holodomor vor knapp zwei Wochen als Völkermord eingestuft.

Viele Geflüchtete wollen lange in Deutschland bleiben

Mehr als jeder dritte Kriegsflüchtling aus der Ukraine will laut einer Studie für Jahre oder dauerhaft in Deutschland leben. Bei einer repräsentativen Befragung gaben 26 Prozent an, für immer in Deutschland leben zu wollen. Elf Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge wollen mehrere Jahre bleiben. An der Befragung nahmen mehr als 11.000 Ukrainerinnen und Ukrainer teil. Rund ein Drittel der Geflüchteten (34 Prozent) will Deutschland nach Kriegsende wieder verlassen. 27 Prozent der Befragten waren unentschieden. Nur zwei Prozent der Ukraine-Flüchtlinge planen, innerhalb eines Jahres wieder auszureisen.

Dringend gesucht: Wohnraum für Geflüchtete

Von den Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter hatten zum Zeitpunkt der Befragung 17 Prozent einen Job. Die meisten von ihnen - 71 Prozent - gingen laut Studie einer Tätigkeit nach, die einen Hochschul- oder Berufsabschluss voraussetzt. Zwei Drittel der nach Deutschland Geflüchteten stammen aus Regionen der Ukraine, die besonders stark vom Krieg betroffen sind.

An der Studie "Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland - Flucht, Ankunft und Leben" haben unter anderem das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mitgewirkt. Die Befragung lief von August bis Oktober. Am Stichtag 21. November waren im Ausländerzentralregister 1.026.599 Menschen erfasst, die seit Kriegsbeginn am 24. Februar nach Deutschland eingereist sind. Die erwachsenen Geflüchteten aus der Ukraine sind zu rund 80 Prozent Frauen, von denen fast jede Zweite mit minderjährigen Kindern im Haushalt lebt.

UN-Flüchtlingshilfe: Alle haben gleiche Rechte

Auf gleiche Rechte für alle Schutzsuchenden pocht der Geschäftsführer der UN-Flüchtlingshilfe in Deutschland. "Allen Menschen, die auf der Flucht vor Gewalt und Vertreibung sind, müssen wir Schutz gewähren. Alle haben die gleichen Rechte, die unter anderem von der Genfer Flüchtlingskonvention garantiert sind", sagte Peter Ruhenstroth-Bauer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Millionen Kinder, Frauen und Männer aus der Ukraine benötigten Solidarität. Diese Unterstützung stehe aber "gleichermaßen allen geflüchteten Menschen zu, egal woher sie kommen", betonte Ruhenstroth-Bauer. Gerade in den Wintermonaten sei die Notlage besonders dringend.

US-Sanktionen gegen russischen Oligarchen Potanin

Die USA haben weitere Vertraute von Präsident Wladimir Putin mit Sanktionen belegt. Auch der kremltreue Oligarch Wladimir Potanin sei mit Reisesperren belegt worden, teilten Außen- und Finanzministerium in Washington mit. Vermögenswerte wurden eingefroren. Eine Jacht wurde als gesperrtes Eigentum deklariert.

11th Investment Forum  Russia Calling Vladimir Potanin
Wladimir Potanin ist einer der reichsten Männer Russlands (Archivbild)Bild: Sergei Karpukhin/dpa/TASS/picture alliance

Zudem wurden eines seiner Unternehmen, eine ihm gehörende Bank und weitere russische Kreditinstitute sanktioniert. "Mit dieser Maßnahme vertiefen wir Russlands Isolierung von den globalen Märkten", sagte US-Finanz-Staatssekretär Brian Nelson. Potanin ist laut dem Magazin "Forbes" mit einem Vermögen von mehr als 26 Milliarden Dollar der zweitreichste Mann Russlands und war einst Vize-Regierungschef des Landes.

Darüber hinaus gibt es neue Sanktionen gegen Gouverneure, die sich am Krieg beteiligt haben sollen, wie das Washingtoner Außenministerium mitteilte. Auch vom Kreml eingesetzte Behörden in der Ukraine wurden mit Strafen belegt.

Präsident Selenskyj sieht "bedeutenden Fortschritt" bei Flugabwehr

Nach neuen russischen Drohnenangriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew setzt Präsident Wolodymyr Selenskyj auf modernere und effektivere Flugabwehrsysteme aus dem Westen. "Diese Woche haben wir einen bedeutenden Fortschritt in der Frage der Flugabwehr gemacht", berichtete Selenskyj in einer Videobotschaft. Die Ukraine baue ihre Luftverteidigung immer weiter aus. Details nannte er nicht.

Portraitbild Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj: "Wir tun alles, um mehr moderne und effektivere Systeme für die Ukraine zu bekommen"Bild: Ukraine Presidency/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa/picture alliance

Die US-Regierung plant laut Medienberichten eine Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems an die Ukraine. Es kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen oder Raketen auch in größerer Entfernung abwehren.

Die russische Botschaft in Washington wertete das US-Vorhaben als Provokation. Das könne zu unabsehbaren Folgen führen, warnte die Botschaft im Kurznachrichtendienst Telegram. Und sie betonte: "Es sind die Vereinigten Staaten, die für die Verlängerung und Eskalation des Ukraine-Konflikts verantwortlich sind."

NATO-Länder einigen sich auf Budget für 2023

Die NATO-Staaten haben sich angesichts der neuen Sicherheitslage durch Russlands Krieg gegen die Ukraine auf eine deutliche Erhöhung der Gemeinschaftsausgaben verständigt. Nach Angaben des Bündnisses wird das zivile Budget im kommenden Jahr um rund 28 Prozent auf 370,8 Millionen Euro steigen, das Militärbudget um rund 26 Prozent auf 1,96 Milliarden Euro.

Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die Entscheidung: "Dies ist ein konkreter Ausdruck des höheren Ehrgeizes", kommentierte der Norweger. Nur gemeinsam könne man den Menschen in den NATO-Staaten Sicherheit in einer gefährlicheren Welt bieten.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer Pressekonferenz
Führt die NATO bereits seit 2014: Jens StoltenbergBild: Johanna Geron/REUTERS

Aktuell belaufen sich die militärischen und zivilen Budgets der NATO zusammen auf etwa 1,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den Verteidigungsausgaben der einzelnen Mitgliedstaaten ist die Summe sehr niedrig. Allein die der USA lagen laut Bündnisdokumenten zuletzt bei 822 Milliarden US-Dollar (769 Milliarden Euro), die von Deutschland bei 55,6 Milliarden Euro.

Scholz richtet eindringlichen Appell an Putin

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht nach dem ersten Gipfeltreffen der Europäischen Union mit den ASEAN-Staaten in Brüssel ein klares Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: "Das brutale Töten muss ein Ende haben, Putin muss den Krieg sofort beenden", sagte Scholz nach dem Spitzentreffen.

Die EU und der Verbund südostasiatischer Länder hätten "unmissverständlich deutlich gemacht", dass die Charta der Vereinten Nationen "für alle und überall" gelte. "Mit seinem furchtbaren Überfall auf die Ukraine hat Russland genau diese Prinzipien in Frage gestellt", so Scholz weiter. "Kein Staat hat das Recht, einen anderen zu überfallen. Und nukleare Drohungen sind nicht akzeptabel."

Zu einer gemeinsamen Verurteilung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kam es in Brüssel allerdings nicht. In der Abschlusserklärung des Gipfels wurde lediglich festgehalten, dass "die meisten" Teilnehmerstaaten die Aggression auf das Schärfste verurteilen. Als Grund nannten Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten großen Abstimmung zu einer Russland-kritischen UN-Resolution enthalten.

Ukraine will "komplette Isolation" russischer Sportler

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich strikt gegen eine Teilnahme von Athletinnen und Athleten aus Russland an den Olympischen Spielen 2024 in Paris ausgesprochen - auch unter neutraler Flagge. In einem Gespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach forderte er "die komplette Isolation des terroristischen Staates auf der internationalen Bühne. Und dazu gehören auch internationale Sportveranstaltungen."

"Man kann nicht versuchen, neutral zu sein, wenn die Grundlagen friedlichen Lebens zerstört und universelle menschliche Werte ignoriert werden", sagte Selenskyj. "Seit Februar sind als Folge der russischen Handlungen 184 ukrainische Sportler gestorben."

Selenskyj reagierte damit auf Aussagen der Präsidentin des Olympischen und Paralympischen Komitees der USA (USOPC). Wenn Athleten aus Russland und Belarus nicht die Möglichkeit erhielten, als Neutrale zu starten, sei das "Gefüge" der olympischen Bewegung gefährdet, hatte USOPC-Chefin Susanne Lyons erklärt. Das Startverbot sei "für die Bewegung schwer zu tolerieren". Man wolle eine Rückkehr zu Boykotten wie während des Kalten Kriegs vermeiden.

uh/AR/kle/se/wa/cw (dpa, afp, rtr, kna, sid)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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