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KonflikteUkraine

Strafgerichtshof eröffnet Büro in Kiew

15. September 2023

Der Internationale Strafgerichtshof hat seinen Hauptsitz in Den Haag in den Niederlanden. Jetzt ist er aber auch in Kiew präsent. Ein russisches Militärgericht verhängt eine harte Strafe gegen Deserteur. Der Überblick.

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Ukraine, Kiew | PK von Karim Ahmad Khan und Andriy Kostin
Chefankläger Karim Ahmad Khan (r.) bei der Eröffnung des Strafgerichtshof-Büros in KiewBild: Hennadii Minchenko/Avalon/Photoshot/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Strafgerichtshof eröffnet Büro in Kiew
  • Harte Haftstrafen wegen Desertion und "Hochverrat"
  • Baerbock setzt auf Unterstützung der US-Republikaner
  • Evakuierungen im südukrainischen Cherson
  • Klitschko-Brüder hoffen auf weitere Waffenlieferungen

 

Zur Aufklärung mutmaßlicher russischer Kriegsverbrechen hat der Internationale Strafgerichtshof ein Büro in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eröffnet. Es handele sich um die größte Außenstelle des Gerichtshofes außerhalb seines Hauptsitzes im niederländischen Den Haag, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Donnerstag.

Die internationalen Ermittlungen trügen dazu bei, "Gerechtigkeit für die Ukraine und für unser gesamtes Volk" wiederherzustellen, fügte er hinzu. Zuvor hatte bereits die Pressestelle des Strafgerichtshofs auf der Plattform X (früher Twitter) Fotos von der Büro-Eröffnung geteilt. Zu sehen ist darauf auch Chefankläger Karim Khan. Er hatte im vergangenen März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehle gegen Kremlchef Wladimir Putin sowie gegen die russische Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa erlassen. 

13 Jahre Strafkolonie für Russen wegen Fahnenflucht

Wegen seiner Weigerung, in der Ukraine zu kämpfen, ist ein Soldat in Russland zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Laut einer Erklärung des Militärgerichts der Stadt Juschno-Sachalinsk wurde Maxim Kotschetkow der schweren Fahnenflucht "in einer Phase der militärischen Mobilmachung" für schuldig befunden. Seine Strafe muss er demnach in einer Strafkolonie unter "strengen Haftbedingungen" verbüßen. Das Gericht erklärte, der Angeklagte habe sich am 10. Mai nicht bei seiner Einheit in Sachalin gemeldet, "um nicht seinen militärischen Pflichten nachzukommen", "um zu vermeiden, in das Gebiet der militärischen Spezialoperation" in der Ukraine geschickt zu werden und "um sich dem Müßiggang hinzugeben". Am 9. Juli sei er dann von der Polizei festgenommen worden.

Ein weiterer Russe wurde zudem laut der Nachrichtenagentur Interfax von einem Gericht in der Stadt Twer nordwestlich von Moskau des "Hochverrats" für die USA für schuldig befunden. Sergej Kabanow soll "einen Schmuggelkanal organisiert" haben, um auf Anweisung des US-Geheimdienstes Bauteile zu verschicken, "die bei der Herstellung von Raketen der russischen Armee verwendet werden", zitierten die Agenturen den russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Dabei habe es sich um Komponenten für "russische Boden-Luft-Raketensysteme und Radarwaffen" gehandelt. Seine Haftstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten muss auch dieser Mann in einer Strafkolonie mit "strengen Haftbedingungen" verbüßen.

Die Nachrichtenagentur Ria Nowosti vermeldete unter Berufung auf die russische Staatsanwaltschaft im von Russland besetzten Teil der ukrainischen Region Donezk, dass ein 28-jähriger ukrainischer Soldat des Asow-Regiments zu 26 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit "strengen Haftbedingungen" verurteilt worden sei. Die russische Justiz wirft ihm demnach vor, im Frühjahr 2022 zwei Einwohner der Stadt Mariupol getötet zu haben.

Im Gespräch bei der Friedenskonferenz in Münster: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (l.) und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius
Im Gespräch in Münster 375 Jahre nach dem Westfälischen Frieden: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (l.) und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Bild: Guido Kirchner/dpa/picture alliance

Pistorius: Über Verhandlungen entscheidet nur Kiew

Über den Beginn von Verhandlungen im Ukraine-Krieg entscheidet nach Ansicht von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius allein Kiew. Dies gelte zumindest so lange, wie Russlands Präsident Wladimir Putin seine Truppen nicht aus der Ukraine zurückziehe, sagte Pistorius bei der ersten Westfälischen Friedenskonferenz in Münster. Für einen langfristigen Frieden zwischen Russland und der Ukraine dürften zudem auch internationale Sicherheitszusagen erforderlich sein.

Der SPD-Politiker sicherte der Ukraine weitere militärische Unterstützung zu, "solange dies nötig ist". Er verteidigte zugleich aber das Zögern der deutschen Regierung zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Dies habe unter anderem technische Gründe wie die Umprogrammierung von deren Reichweite. Er sei stolz, dass Deutschland inzwischen nach den USA zweitgrößter Unterstützer der Ukraine sei, so Pistorius weiter. Auch deswegen müsse jede Entscheidung zu weiteren Waffenlieferungen sorgsam abgewogen werden. Weder er noch der in Münster ebenfalls anwesende Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko wollten dies aber als Misstrauen gegen die Ukraine verstanden wissen. Mit der Konferenz in Münster wurde an den Friedensschluss dort 1648 zum Ende des 30-jährigen Krieges erinnert. 

Baerbock hofft auf Unterstützung der US-Republikaner

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei ihrer USA-Reise Hoffnungen geäußert,dass auch die oppositionellen Republikaner weiter an einer Unterstützung der Ukraine festhalten. Baerbock räumte nach Gesprächen im Kongress in Washington ein, dass es bei der Oppositionspartei "unterschiedliche Sichtweisen" gebe. So habe sie "republikanische Stimmen gehört, die viele Fragen hatten mit Blick auf die Ukraine-Unterstützung".

"Ich habe von vielen aber auch gehört, dass ihnen klar ist, wie wichtig die weitere Unterstützung der Ukraine ist - für uns Europäer, für die Ukraine natürlich selber, aber gerade auch in diesen geopolitisch so herausfordernden Zeiten", sagte Baerbock. Viele Republikaner hätten deutlich gemacht, "dass für sie die Unterstützung der Ukraine zentral und wichtig ist, weil es eben auch die Unterstützung der regelbasierten internationalen Ordnung ist".

USA | Annalena Baerbock in Washingtion
Außenministerin Baerbock vor dem Kapitol in WashingtonBild: Andrew Caballero-Reynolds/AFP/Getty Images

Bei den Republikanern gibt es zahlreiche kritische Stimmen mit Blick auf die milliardenschwere US-Unterstützung für die Ukraine. So hat der frühere Präsident und favorisierte Präsidentschaftsbewerber Donald Trump gefordert, die Europäer müssten mehr zur Unterstützung der Ukraine tun. Unter Präsident Joe Biden von der Demokratischen Partei sind die USA der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland.

Nachschub für russische Marine

Die russische Marine erhält nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu noch bis Jahresende zwölf neue Schiffe. Zwei habe sie bereits bekommen. Das sind in Summe allerdings weniger als Präsident Wladimir Putin im Juli angekündigt hatte. Damals hatte er davon gesprochen, dass die Marine 30 Schiffe bis Ende 2023 bekommen sollte. Schoigu geht darauf nicht ein. Bei der staatlichen Nachrichtenagentur Tass wird er mit den Worten zitiert, dass Russland neue Atom-U-Boote sowie Unterwasserdrohnen entwickele.

Russland will Wasserdrohnen abgewehrt haben

Infolge von Angriffen mit Wasserdrohnen hat die ukrainische Armee eigenen Angaben zufolge zwei russische Schiffe unweit der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim beschädigt. Es seien insgesamt zwei russische Patrouillenboote angegriffen worden, gab die Abteilung für strategische Kommunikation der Armee bekannt. "Es gibt einige Schäden." Unabhängig überprüfen ließ sich das nicht.

Russland, Noworossiysk | Wasserdrohne nahe dem russischen Hafen Noworossiysk
Eine ukrainische Wasserdrohne nahe dem russischen Hafen NoworossiyskBild: REUTERS

Russland hat bislang lediglich einen Angriff auf die "Sergej Kotow", eines der Patrouillenboote seiner Schwarzmeerflotte, eingeräumt - behauptet jedoch, alle fünf von der Ukraine eingesetzten Wasserdrohnen abgewehrt zu haben. Angriffe hatte es in der Nacht auch auf die bereits seit 2014 von Russland annektierte Krim selbst gegeben.

Nahe der Großstadt Jewpatorija soll ukrainischen Angaben zufolge ein modernes Flugabwehrsystem vom Typ S-400 Triumf getroffen worden sein. Die Ukraine verteidigt sich seit mittlerweile mehr als anderthalb Jahren gegen einen russischen Angriffskrieg. Im Zuge einer laufenden Gegenoffensive will Kiew besetzte Gebiete befreien - darunter auch die Krim.

Ukrainische Drohnenangriffe auf die annektierte Krim

Erneut verlässt Schiff Hafen von Odessa

Erneut hat ein Frachtschiff nach ukrainischen Angaben den Hafen von Odessa verlassen, obwohl Russland das Getreideabkommen zum sicheren Transport über die von ihm kontrollierten Routen durch das Schwarze Meer ausgesetzt hat. Nach dem Ausstieg Russlands aus dem Abkommen versucht Kiew, den Export trotz des Risikos durch Moskauer Angriffe zu organisieren. Russland hatte gedroht, Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen, als Träger militärischer Fracht anzusehen. 

Evakuierungen im südukrainischen Cherson

Ukrainische Behörden haben Evakuierungen in der teilweise von Russland kontrollierten Region Cherson im Süden des Landes angeordnet. Der regionale Verteidigungsrat habe entschieden, dass Familien mit Kindern aus Orten "unter ständigem feindlichen Beschuss" evakuiert werden müssten, erklärte Gouverneur Oleksandr Prokudin im Onlinedienst Telegram.

In der Region Cherson kontrollieren russische Truppen seit ihrem Rückzug aus der gleichnamigen Hauptstadt im vergangenen Jahr Gebiete südlich des Flusses Dnipro. Die Stadt Cherson wird regelmäßig bombardiert. Wegen einer russischen Offensive hatten die ukrainischen Behörden im August bereits die Evakuierung von einem Dutzend Ortschaften in der Region Charkiw im Nordosten des Landes empfohlen. Diese Evakuierungen waren jedoch nicht verpflichtend.

Nach Angaben des Gouverneurs bereiten sich die Regionalbehörden auch auf "Notstände" bei der Energieversorgung im kommenden Herbst und Winter vor. Russland hatte im Winter 2022 die ukrainische Infrastruktur massiv bombardiert, was zu regelmäßigen Stromausfällen führte. 

Faeser will längeren Schutz für Ukraine-Flüchtlinge

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich für eine Verlängerung des Schutzstatus für ukrainische Kriegsflüchtlinge in der EU ausgesprochen. "Ich unterstütze sehr, dass wir als Europäische Union den Schutzstatus der Geflüchteten aus der Ukraine verlängern", sagte Faeser den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie werde darüber in Kürze mit den anderen EU-Innenministerinnen und -Innenministern beraten und entscheiden.

Berlin Tegel Ankunftszentrum Ukraine-Flüchtlinge
Vier Millionen Menschen aus der Ukraine sollen nach EU-Angaben seit Kriegsbeginn im Februar 2022 in der EU Zuflucht gefunden haben. Bild: Emmanuele Contini/IMAGO

Am Mittwoch hatte EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen angekündigt, dass die Kommission vorschlagen werde, die Regeln für den vorübergehenden Schutz für Ukrainer in der EU zu verlängern. Nach dem Willen von der Leyens sollen die Kriegsflüchtlinge mindestens bis März 2025 problemlos in der EU bleiben können. Sie sprach von vier Millionen Menschen, die seit Kriegsbeginn im Februar 2022 in der EU Zuflucht gefunden hätten. 

sti/uh/fab/rb/haz/wa (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.