Ukraine: Auf der Suche nach einem Image
12. Oktober 2006Der ehemalige Präsident der European Public Relations Confederation, Thomas Achelis, ist der Ansicht, dass die Ukraine in den vergangenen Jahren zu wenig unternommen hat, um positive Informationen über sich in der Welt zu verbreiten. Die Folge sei, dass zu wenig über die Ukraine bekannt sei. Und das, was bekannt sei, sorge für ein düsteres Bild: "Wenn man sich die Weltpresse anschaut, dann sind es meistens negative Aspekte: die Atomenergie, der starke Einfluss Russlands, die unprofessionelle und unflexible Regierung und die Probleme bei den institutionellen Reformen", fasst Achelis zusammen. Aber es gebe auch positive Eindrücke von der Ukraine, vor allem im Zusammenhang mit der "Orangenen Revolution".
Umstrittene Slogans
Der Politikwissenschaftler der Kiewer Mohyla-Akademie, Oleksij Haran, hat die Zeit nach den letzten Präsidentschaftswahlen analysiert. Er weist auf Fehler der neuen Staatsmacht hin. Seiner Meinung nach hätte diese nach den Wahlen die "orange Rhetorik" zwar für das westliche Publikum nutzen, aber im Inland sowie im postsowjetischen Raum von ihr Abstand nehmen sollen. "Während der Wahlen im Jahr 2004 hat Janukowytschs Team die Ukraine gespalten, Juschtschenko aber trat gerade mit den Slogans auf, die das Land einten: Kampf gegen die Korruption, Kampf gegen das verbrecherische Regime", fasst Haran zusammen. Nach den Wahlen kam dann alles genau umgekehrt.
Kritik an orangefarbenen Krawatten
Als Beispiel für einen Fehler des Teams von Präsident Wiktor Juschtschenko in der Außenpolitik bezeichnet der Politologe Haran den Besuch einer offiziellen ukrainischen Delegation unter Leitung von Innenminister Jurij Luzenko in Minsk. Während eines Treffens mit Präsident Aleksandr Lukaschenko trug Luzenko eine orangefarbene Krawatte. Keine modische Vorliebe, sondern ein Signal in die falsche Richtung, wie Hasan erklärt. "Die ukrainische Diplomatie und offizielle ukrainische Vertreter sollten prinzipiell nicht orange, sondern blau-gelb als ihre Farbe wählen", sagt Haran.
"Ausgehend vom Versprechen, dass Juschtschenko Präsident aller Ukrainer sein will, muss die ukrainische Diplomatie gesamtnationale Interessen widerspiegeln und nicht nur die der Sieger." Deshalb war die orangefarbene Krawatte fehl am Platz. Er und seine Kollegen hätten zwar entsprechende Empfehlungen während der Sitzungen des Konsultativ-Rates der Nichtregierungsorganisationen beim Außenministerium der Ukraine geäußert, aber die Politiker hätten ihnen kein Gehör geschenkt, erinnert sich Haran.
Ukraine muss "Markenzeichen" werden
Der Leiter des Zentrums für soziale Studien "Sofia", Wolodymyr Lupazij, ist der Ansicht, dass die Ukraine drei wichtige Aufgaben zu bewältigen hat: Sie muss ihre Ziele in der Welt bestimmen, ihr internationales Image überarbeiten und das Land "Ukraine" zu einem Markenzeichen machen. Die Unabhängigkeit eines Landes, das nicht in der Lage sei, sein eigenes Markenzeichen zu schaffen, könne man heutzutage nur als unvollständig bezeichnen, so Lupazij. "Wenn sich ein Land strategisch nicht positionieren und seine internationalen Ziele nicht bestimmen kann, wozu braucht dann die Welt oder Europa dieses Land?" fragt er provokant. "Wozu sollen dann irgendwelche außenpolitischen Initiativen und humanitären Projekte gestartet werden?" Lupazij stellt außerdem fest, dass es die Ukraine derzeit nicht schafft, auf dem internationalen Nachrichten-Markt ausreichend präsent zu sein.
Vorschlag für drei mögliche Image-Kampagnen
Ausgehend vom heutigen Entwicklungsstand hat dem Exekutivdirektor des Zentrums für soziale Studien zufolge die Ukraine materiell zu wenig zu bieten. Mit anderen Worten: Die ukrainischen Straßen können nicht mit den deutschen konkurrieren, und ein Tawrija ist kein Mercedes. Deswegen dürften die Projekte, die das Markenzeichen "Ukraine" tragen und das Land interessant machen könnten, nicht materieller Art sein. Lupazij macht Alternativvorschläge: Die Ukraine könnte ihre Rolle als regionaler Leader festigen oder ihre Rolle als "Zentrum der Slawen" ausbauen. Oder sie könnte sich als ein Land präsentieren, das die Spaltung des europäischen Christentums überwinden möchte und in der Lage ist, zum Dialog und zur Verständigung zwischen verschiedenen Konfessionen anzuregen.
Iwan Hajwanowytsch, Kiew
DW-RADIO/Ukrainisch, 9.10.2006, Fokus Ost-Südost