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Ukraine: Die Grenze, die es nicht gibt

Inna Kuprijanowa24. Juli 2015

Die Ukraine will den Personenverkehr in die abtrünnigen Gebieten um Donezk und Luhansk neu regeln. Das Ergebnis: Kilometerlange Schlangen, frustrierte Bürger. Eine Reportage von einer Grenze, die es offiziell nicht gibt.

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Grenzkontrolle zwischen den Kriegsgebieten Luhansk und Donetsk (Foto: DW/Inna Kuprijanova)
Grenzkontrolle zwischen den Kriegsgebieten Luhansk und DonetskBild: DW/I. Kuprijanova

Ein glühend heißer Sommertag. Eine Schlange aus Autos und Menschen mit Taschen und Reisekoffern zieht sich mehrere Kilometer auf einer Landstraße. Solche Bilder kannten die Ukrainer bisher nur aus Fernsehberichten über Kriege oder Naturkatastrophen. Nun ist es Alltag an der Trennlinie zwischen den prorussischen Separatistengebieten im Osten und der "Kernukraine", wie sie manche nennen. Es ist eine faktische Grenze, die es eigentlich nicht gibt. Der Übergang in Saizewo nördlich der Separatistenhochburg Donezk heißt im Bürokratie-Ukrainisch "militärischer Punkt der Ein- und Ausreise". Im Gebiet Donezk gibt es insgesamt drei solche Übergänge.

Eine junge Frau, die sich Olha nennt, steht mit ihrem einjährigen Kind seit zweieinhalb Stunden in einer Autoschlange. Dabei soll es eigentlich zügig vorangehen, denn es ist eine Sonderschlange für Familien mit Kindern oder ältere Menschen. Das Kind fühlt sich unwohl und Olha bringt es zu einem Erste-Hilfe-Zelt am Straßenrand. Das Zelt wurde erst vor einigen Tagen von Freiwilligen der internationalen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" aufgebaut. "Es kommen meistens Eltern von Kleinkindern und ältere Leute zu uns", erzählt ein Mitarbeiter. Allein an diesem Tag habe es bereits drei Notfälle bei Menschen mit hohem Blutdruck gegeben."Doch wir können hier nur erste Hilfe leisten."

Grenzkontrolle zwischen den Kriegsgebieten Luhansk und Donetsk (Foto: DW/Inna Kuprijanova)
Wasserkanister am Übergangspunkt ZaytsewoBild: DW/I. Kuprijanova

E-Passierschein soll Korruption eindämpfen

Außer dem Erste-Hilfe-Zelt gibt es auch eine Box mit Trinkwasser und eine Toilette, die jedoch nicht ausreicht. Die meisten Wartenden sind gezwungen, hinter dem Gebüsch am Straßenrand ihre Bedürfnisse zu verrichten. "Wir verstehen schon, dass es für Bürger unbequem ist", sagt Oleh Slobodja, Pressesprecher des ukrainischen Grenzschutzes, der DW. "Doch man muss verstehen, dass das hier eigentlich gar keine Grenze ist und es keine entsprechende Infrastruktur gibt."

Zelt der Ärzte ohen Grenze (Foto: DW/Inna Kuprijanova)
Nothilfe für Bedürftige in einem Zelt von "Ärzte ohne Grenzen"Bild: DW/I. Kuprijanova

Heute werden jedoch Papiere und Gepäck kontrolliert wie an einer echten Grenze. Ein Visum braucht man zwar nicht, doch die ukrainische Seite fordert von den Reisenden eine Art Passierschein. Antragsteller müssen erklären, warum und wohin sie in die Separatistengebiete oder umgekehrt reisen wollen. Bis vor kurzem gab es solche Passierscheine in Papierform. Am 7. Juli führte der ukrainische Sicherheitsdienst SBU elektronische Passierscheine ein. "Das Wichtigste ist, dass es nun weniger Korruption gibt", sagt Slobodjan vom Grenzschutz. Ob das stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Tatsache ist, dass es einen Schwarzmarkt für Passierscheine aus Papier gab.

Günstigere Lebensmittel in Regierungsgebieten

Die Schlangen an den Übergängen sind jedenfalls nicht kleiner geworden. Nach offiziellen Angaben überqueren jeden Tag bis zu 700 Autos und über 2000 Menschen hier die Trennlinie. Bewohner aus den Separatistengebieten reisen in die von der Kiewer Regierung kontrollierten Orte, um dort ihre Renten ausgezahlt zu bekommen und günstiger einzukaufen. So sind Lebensmittel und Medikamente in der "Kernukraine" zwei bis dreimal billiger als in den selbst ernannten "Volksrepubliken".

Grenzkontrolle zwischen den Kriegsgebieten Luhansk und Donetsk (Foto: DW/Inna Kuprijanova)
Kilometerlange Schlangen an einer Grenze, die es offiziell nicht gibtBild: DW/I. Kuprijanova

Die ukrainischen Behörden versprechen, die Übergänge in der Zukunft besser auszustatten. So sollen in "Grenznähe" neue Lebensmittelläden und Apotheken eröffnet werden. Außerdem sollen Geldautomaten aufgestellt werden.

Ob es auch öffentliche Verkehrsmittel wie Busse geben wird, die über die "Grenze" fahren, ist noch unklar. Heute sind viele auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen. Für private Autobesitzer ist es ein lukratives Geschäft. Eine kurze Fahrt über den Übergang kostet umgerechnet rund 10 Euro. Das ist fast genauso viel wie für ein Zugticket, mit dem man die halbe Ukraine durchqueren kann. Manche schimpfen, andere nehmen die Strapazen und die hohen Preise hin. Seit über einem Jahr leben Millionen Ukrainer faktisch im Kriegszustand - jetzt freuen sie sich schon alleine darüber, dass nicht mehr so viel geschossen wird.