Ukraine: Interkulturelle Berater betreuen deutsche Unternehmer
17. August 2006Die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern ist mehr als nur business as usual – es ist eine interkulturelle Herausforderung. Immer wieder stellen Experten fest, dass viele Geschäftsleute im Ausland scheitern, weil sie die Bedeutung der lokalen Gewohnheiten unterschätzen oder die Spielregeln nicht verstehen.
Vertrauen ist Voraussetzung
Während in Deutschland das sachbezogene Geschäft von Anfang an im Vordergrund der Zusammenarbeit steht, geht es beispielsweise in der Ukraine in erster Linie darum, Vertrauen aufzubauen, sagt Fritz Audebert – Vorstandsvorsitzender der ICUnet AG - eines der führenden Unternehmen, die deutsche Firmen bei ihren weltweiten Tätigkeiten beraten. In der Ukraine ist ICUnet besonders engagiert, dort werden unter anderem Firmen wie Bosch oder die Deutsche Post betreut. Fritz Audebert erläutert: "Wenn die ukrainische Firma ein gutes Produkt liefert, ist es mir gleich, ob ich den Generaldirektor mag oder nicht – ich kaufe es. In der Ukraine ist es so, wenn ich den deutschen Vorstand arrogant empfinde, dann verzichte ich mal auf das Geschäft, weil ich sag‘: mit dem will ich gar nicht zusammenarbeiten".
Ein Businesslunch erfordert Zeit
Damit der erste Kontakt zum ukrainischem "Businessman" gelingt, empfiehlt Fritz Audebert viel Zeit mitzubringen. Ein Businesslunch in der Ukraine sieht anders aus, als in Deutschland, sagt der interkulturelle Berater. Während der Deutsche bereits nach zwanzig Minuten am liebsten schon zur Sache kommen und über das Geschäft reden würde, sieht das der Ukrainer ganz anders: "Der Ukrainer würde mindestens zweieinhalb Stunden über Sachen sprechen wie: Na, wie geht es Ihrer Familie? Sind Sie verheiratet? Wo kommen Sie her? Ach, den Ort kenne ich! Haben Sie schon mal ukrainisch gegessen? In der Ukraine gehört es dazu zu wissen: hat er Kinder, wie alt sind die Kinder, was machen die Kinder, in welche Schule gehen sie. Sie können sich vorstellen, dass das Gespräch viel länger braucht um von der Beziehung in die Geschäftsebene zu gehen".
Traditionelle Hierarchien beachten
Während es in Deutschland ein starkes mittleres Management mit hohen Entscheidungsbefugnissen gibt, ist die mittlere Ebene in den meisten Unternehmen der GUS-Länder fast überhaupt nicht vertreten. Es geht also auch darum zu verstehen, wie Entscheidungen getroffen werden: "Der Generaldirektor im GUS-Bereich ist weit über dem Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Unternehmens. Er ist die Integrationsfigur des Unternehmens. Er ist wirklich der, der als einziger bestimmt, ob der Vertrag zustande kommt oder nicht. Man muss es irgendwann mitbekommen haben, sonst hat man keine Chance. Das heißt: mit einem mittleren Manager kann ich in die Sauna gehen, mit dem kann ich reiten gehen, mit dem kann ich alles machen, deswegen habe ich den Vertrag aber noch nicht. Also muss ich sehen, wie komme ich an den Generaldirektor".
Korruption sensibles Thema
Viele Unternehmer beklagen die Bestechlichkeit der Behörden - aus kleinen Formalitäten können manchmal große Schwierigkeiten werden, wenn man eben nicht schmiert. Wie soll man als ausländische Firma damit umgehen? Seinen Kunden empfiehlt Fritz Audebert: "In dem Moment, wo du merkst: du kommst nicht mehr weiter, und du würdest vielleicht glauben, du kommst weiter indem du Geld zahlst, ist es besser, diese lokale Angelegenheit einem Ukrainer zu überlassen. Weil er weiß: was muss er zahlen, muss er überhaupt zahlen? Um was geht’s eigentlich? Und es ist fatal, sich überhaupt auf dieses Spiel einzulassen. Man wird immer der Verlierer sein."
Zwischen Business und Politik
Die Verflechtung zwischen Geschäftswelt und Politik ist in der Ukraine sehr stark – die meisten Politiker sind auf irgendeine Weise geschäftlich verbunden, haben Interesse an dieser oder jener Branche. Und: Fast jeder einflussreiche Beamte ist von einem Geschäftsmann oder Politiker abhängig. Da ist es schwer, den Überblick nicht zu verlieren. Am liebsten übernimmt ihr ukrainischer Geschäftspartner gleich die ganze "Lobbyarbeit". "Und wenn das Vertrauen aufgebaut ist, dann geht er mit Ihnen durch dick und dünn", - resümiert Fritz Audebert.
Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 17.8.2006, Fokus Ost-Südost