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KonflikteUkraine

Ukraine: NATO macht Kiew Beitritts-Hoffnungen

11. Juli 2023

Die NATO will die Ukraine aufnehmen - nachdem gewisse Bedingungen erfüllt sind. Im August soll das Training ukrainischer Kampfpiloten mit F-16 starten. Russland will auf Nutzung von Streubomben reagieren. Ein Überblick.

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NATO-Gipfel in Litauen
Bild: Andrew Caballero-Reynolds/Pool Photo via AP/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • NATO macht Kiew Beitritts-Hoffnungen
  • Berlin stellt insgesamt 70 Panzer sowie Patriot-Startgeräte zur Verfügung  
  • Glückwünsche für Schweden nach türkischem Einlenken im Beitrittsstreit
  • NATO-Staaten billigen offenbar neue Abwehrpläne gegen Russland
  • Erneute Drohnenangriffe auf Kiew

 

Die NATO will der Ukraine eine Einladung zum Beitritt aussprechen, sobald einige Bedingungen erfüllt sind. Das geht aus einer in Vilnius beschlossenen Erklärung hervor, aus der die Deutsche Presse-Agentur zitiert. "Die Zukunft der Ukraine ist in der NATO", heißt es demnach wörtlich in dem Papier. Als Beispiel für die zu erfüllenden Vorbedingungen wurden "zusätzliche erforderliche Reformen im Bereich der Demokratie und des Sicherheitssektors" genannt. Unklar wird in der Erklärung gelassen, ob ein Beitritt erst dann erfolgen kann, wenn alle von Russland besetzten Gebiete wieder befreit sind oder Gebietskonflikte vertraglich beigelegt worden sind. Das kann als Formulierung gedeutet werden, die einen möglichen NATO-Beitritt auch bei einem dauerhaft eingefrorenen Konflikt nicht ausschließt.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Vilnius: "Wir haben auch deutlich gemacht, dass wir eine Einladung an die Ukraine aussprechen werden, sobald die Verbündeten übereinkommen und die Bedingungen erfüllt sind. Das ist ein starkes Paket für die Ukraine und ein klarer Weg hin zur Mitgliedschaft in der NATO."

Ukrainische Piloten sollen ab August auf F-16 geschult werden

Dänemark und zehn Partnerstaaten wollen im August mit dem Training für ukrainische Kampfpiloten auf Flugzeugen vom Typ F-16 beginnen. Ein Ausbildungszentrum soll dafür in Rumänien errichtet werden, sagte der dänische geschäftsführende Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen in Vilnius. "Hoffentlich sehen wir die Resultate Anfang nächsten Jahres", sagte er.

Polen NATO Manöver 2022 F-16 Kampfjet
Eine F-16 über Polen - der Vorteil des Jets ist, dass viele Länder ihn nutzenBild: Omar Marques/Getty Images

Neben Dänemark nehmen auch die Niederlande in der sogenannten "Kampfjet-Koalition" eine Führungsrolle ein. Allerdings hat sich noch keines der Länder öffentlich zu einer Abgabe von F-16-Flugzeugen bekannt. Bisher haben lediglich die NATO-Mitglieder Polen und die Slowakei aus ihren Beständen Kampfflugzeuge geliefert, und zwar vom sowjetischen Typ MiG-29.

Berlin stellt insgesamt 70 Panzer sowie Patriot-Startgeräte zur Verfügung 

Zum NATO-Gipfel hat die Bundesregierung ein neues Rüstungspaket zur militärischen Unterstützung der Ukraine angekündigt. Es hat laut Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius einen Wert von "knapp 700 Millionen Euro". Deutschland wird demnach der Ukraine weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 zusätzliche Leopard-1-Kampfpanzer sowie fünf Bergepanzer 2 aus Industriebeständen liefern. Bei der Luftabwehr gibt die Bundeswehr zwei zusätzliche Startgeräte für das Patriot-Verteidigungssystem ab. Hinzu kommen 20.000 Artilleriegeschosse und 5000 Geschosse Nebelmunition.

Darüber hinaus werde Deutschland "ein umfangreiches Paket an Aufklärungs- und Drohnenabwehr-Mitteln" sowie ein Luna-Aufklärungs-Drohnensystem bereitstellen, hieß es weiter. Hinzu kommen demnach noch ein "Pionierpaket" gegen Minen, außerdem Sanitätsausrüstung sowie Teile eines Feldlazaretts. Insgesamt gehe es bei dem "Vilnius-Paket" um 31 verschiedene Einzelposten, erklärte das Ministerium in Berlin.

Ein Marder-Schützenpanzer auf einem Bundeswehr-Übungsplatz im niedersächsischen Munster
Auch 40 Schützenpanzer vom Typ Marder gehören laut Bundesverteidigungsministerium zum Rüstungspaket für die UkraineBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Frankreich wiederum sagte der Ukraine Raketen längerer Reichweite zu. Präsident Emmanuel Macron kündigte in Vilnius an, sein Land werde Kiew Marschflugkörper vom Typ Scalp zur Verfügung stellen. Diese würden der Ukraine gezielte Militärschläge ermöglichen, betonte Macron. Die Raketen - ein britisch-französisches Gemeinschaftsprojekt - sind auch unter dem Namen Storm Shadow bekannt und haben eine Reichweite von über 250 Kilometern. Großbritannien hatte bereits im Mai die Lieferung solcher Raketen an die Ukraine angekündigt.

Selenskyj in Vilnius gelandet

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach Angaben eines NATO-Sprechers in Vilnius eingetroffen. Nach seiner Landung auf dem internationalen Flughafen der litauischen Hauptstadt wird Selenskyj beim Gipfeltreffen mit den NATO-Staats- und Regierungschefs erwartet.

NATO-Gipfel erörtert Weg der Ukraine in die Allianz

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine steht im Mittelpunkt des zweitägigen NATO-Gipfels, der an diesem Dienstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius begonnen hat. Im Zentrum des Treffens steht die Frage, wie die Ukraine weiter an die transatlantische Allianz herangeführt werden kann. Am Ende dieses Prozesses soll der Beitritt des Landes zu dem Militärbündnis stehen.

US NATO I Joe Biden und  Gitanas Nauseda
Angekommen in Vilnius: Litauens Präsident Gitanas Nauseda begrüßt Joe BidenBild: Susan Walsh/AP/picture alliance

Dass die Ukraine noch während Russland einen Angriffskrieg gegen das Land führt Mitglied werden könnte, schließt die Allianz aus. Wie genau der Prozess einer weiteren Annäherung ausgestaltet werden und welche Sicherheitsgarantien die Ukraine nach einem Ende des Kriegs erhalten soll, ist allerdings auch noch offen. Dies dürfte wohl nicht so schnell erfolgen. "Der Prozess der NATO-Mitgliedschaft braucht Zeit", sagte US-Präsident Joe Biden vor seinem Abflug nach Europa. Auch die Bundesregierung hält eine Beitrittseinladung für verfrüht.

Selenskyj will erneut konkrete Beitrittsperspektive

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich vor seiner Ankunft in Vilnius anlässlich des NATO-Gipfels zuversichtlich, dass das Land nach Ende des russischen Angriffskriegs Mitglied in dem Militärbündnis sein wird. "Auch wenn unterschiedliche Positionen geäußert werden, ist es immer noch offensichtlich, dass die Ukraine es verdient, im Bündnis zu sein. Nicht jetzt -  jetzt ist der Krieg, aber wir brauchen ein klares Signal", sagte Selenskyj in seiner in Kiew am Abend verbreiteten täglichen Videobotschaft. "Die Mehrheit der Allianz ist eindeutig für uns." Das müsse der Gipfel in Vilnius bestätigen.

Volodymyr Zelensky in Bulgarien
Selenskyj versteht, dass eine NATO-Mitgliedschaft vor Kriegsende kaum möglich ist, fordert aber eine klare Perspektive (Archivbild)Bild: Georgi Paleykov/NurPhoto/picture alliance

Er sieht die Ukraine, wie er betonte, faktisch bereits jetzt als Teil der Militärallianz. "Unsere Waffen sind die Waffen der Allianz. Unsere Werte sind das, woran die Allianz glaubt." Einmal mehr betonte Selenskyj auch, dass der Kampf der Ukraine im Sinne des Westens sei. Die Sicherheit der Ostflanke der NATO hänge von der Ukraine ab.

Auch nach Auffassung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sollte die Ukraine ein deutliches Signal für eine Aufnahme in die transatlantische Allianz erhalten. "Die Ukraine ist einen langen Weg gegangen", sagte Stoltenberg vor Beginn des Gipfels in Vilnius. Daher sollte das Bündnis auf den sonst üblichen Membership Action Plan (MAP) zur Heranführung von Beitrittskandidaten im Fall der Ukraine verzichten. "Die Ukraine ist sehr viel näher an der NATO, insofern sollte sich dies auch in den Entscheidungen der NATO widerspiegeln", betonte Stoltenberg.

Glückwünsche für Schweden von den NATO-Partnern

Die Türkei hat ihren Widerstand gegen einen NATO-Beitritt Schwedens aufgegeben, die Erleichterung bei den NATO-Partnern ist groß. US-Präsident Joe Biden begrüßte die Zustimmung der Türkei. Er stehe bereit, mit Präsident Recep Tayyip Erdogan und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im Euroatlantik-Raum zu verstärken. Er freue sich, Regierungschef Ulf Kristersson und Schweden als 32. NATO-Verbündeten zu begrüßen. Und er danke Generalsekretär Jens Stoltenberg für seine standhafte Führung der Allianz.

Die gemeinsamen Anstrengungen hätten sich gelohnt, twitterte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Der Weg für die Ratifizierung von Schwedens NATO-Mitgliedschaft durch die Türkei ist endlich frei." Mit dann 32 NATO-Mitgliedern seien alle zusammen sicherer.

Natogipfel in Litauen Eingung zwischen Erdogan und Ulf Kristersson
Die Dreierrunde in Vilnius - Erdogan, Stoltenberg und Kristersson (v.l.) - brachte den DurchbruchBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stieß ins gleiche Horn: "Heute wurde in Vilnius ein historischer Schritt getan. Schwedens Weg in die NATO ist frei! Das ist eine gute Nachricht für das schwedische Volk und für unsere gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Eine stärkere NATO macht Europa sicherer", schrieb er auf Twitter. Auch Schwedens Ministerpräsident Kristersson zeigte sich "sehr glücklich" und sprach von einem "guten Tag für Schweden". 

NATO-Staaten billigen neue Abwehrpläne gegen Russland

Die NATO-Staaten haben sich offenbar vorab auf neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet verständigt. Die Annahme der Dokumente erfolgte am Montag einen Tag vor dem Beginn des Gipfeltreffens in Litauen in einem schriftlichen Verfahren, wie die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Diplomaten erfuhr. Die Entscheidung soll an diesem Dienstag von den Staats- und Regierungschefs noch einmal bestätigt und dann offiziell verkündet werden.

Die insgesamt mehr als 4000 Seiten starken Verteidigungspläne beschreiben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft- und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen.

Drohnenangriffe auf Kiew und weitere Städte

Kurz vor dem Beginn des NATO-Gipfels hat Russland ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht zum Dienstag Kiew mit Drohnen angegriffen. Es handele sich um den zweiten Luftangriff auf Kiew in diesem Monat, teilte die Kiewer Militärverwaltung im Onlinedienst Telegram mit. Bei dem Angriff mit Drohnen iranischer Bauart seien geringe Schäden entstanden, alle entdeckten Luftziele in Richtung Kiew seien zerstört worden.

Trümmer auf einem Bürgersteig
Schäden des nächtlichen Angriffs auf Kiew - die Drohne soll iranischer Machart seinBild: Press service of the State Emergency Service of Ukraine/REUTERS

Auch die Hafenstadt Odessa wurde nach Angaben der örtlichen Verwaltung in der Nacht angegriffen. Die Luftverteidigung sei aktiviert worden, hieß es. Nähere Angaben machte die Verwaltung zunächst nicht. Luftalarm wurde auch in den Regionen Mykolajiw, Cherson, Kirowograd, Poltawa, Sumy und Charkiw gemeldet.

Duda sieht in Putin keinen möglichen Verhandlungspartner

Der polnische Präsident Andrzej Duda schließt unter den gegenwärtigen Umständen Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aus und wirft ihm einen menschenverachtenden Umgang mit den eigenen Truppen vor. Duda sagt in einem Interview für "Bild", "Welt" und "Politico" laut Vorabbericht: "Für mich ist Wladimir Putin jemand, der strafrechtlich verfolgt wird und mit dem keine Verhandlungen zu führen sind."

Polen Andrzej Duda
Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin, sind für den polnischen Präsidenten Andrzej Duda ausgeschlossenBild: Mindaugas Kulbis/AP/picture alliance

Ändern würde Duda seine Auffassung nicht, "bevor Russland nicht den entschiedenen Willen zeigt, bei sich internationales Recht zu achten". Derzeit sei das aber nicht der Fall, so der polnische Präsident. Russland müsse damit beginnen, "seine Armee abzuziehen aus dem Staatsgebiet der Ukraine".

ehl/uh/sti/fab/qu/fw (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.