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Literatur

Literatur aus der Ukraine: Fünf Lesetipps

Elizabeth Grenier
7. September 2022

Viele ukrainische Autorinnen und Autoren sind nicht nur literarisch erfolgreich, sondern engagieren sich auch politisch für ihr Land. Beim Literaturfestival Berlin sollen ihre Stimmen zu Gehör kommen.

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Eine Frau steht vor einem nebeligen Hintergrund.
Die ukrainische Autorin Yevgenia Belorusets wurde mit ihrem Kriegstagebuch berühmt Bild: Yevgenia Belorusets

Am 7. September soll eine weltweite Lesung ukrainischer Literatur stattfinden. Dazu haben das Internationale Literaturfestival Berlin, das vom 7. bis 17. September 2022 stattfindet, zusammen mit der Frankfurter Buchmesse und dem PEN-Zentrum aufgerufen. Angesprochen sind Kultureinrichtungen aus der ganzen Welt.

Die Lesungen sollen ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine während des Krieges sein und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, Autorinnen und Autoren aus dem Land zu entdecken. Wir stellen fünf von ihnen vor.

Yevgenia Belorusets

"Heute morgen wachte ich auf und sah acht verpasste Anrufe auf meinem Handy. Sie kamen von meinen Eltern und einigen Freunden. [...] Ich hatte ein ungutes Gefühl und rief meine Cousine an, denn ihre wunderbare Stimme hat immer eine beruhigende Wirkung auf mich, und sie ist mutig und rational. Sie aber sagte nur: 'Kiew ist beschossen worden. Ein Krieg ist ausgebrochen.'"

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Diese Worte schrieb Yevgenia Belorusets (Artikelbild) am 24. Februar 2022 nieder, es war ihr erster Eintrag in ihr Kriegstagebuch. Die Aufzeichnungen der bekannten Künstlerin und Fotografin wurden auf der Biennale von Venedig als Teil des ukrainischen Pavillons ausgestellt. Zudem wurden sie in der Wochenzeitung "Der Spiegel" veröffentlicht.

Belorusets hat vor ihrem Tagebuch schon mehrere Bücher veröffentlicht. Ihre Kurzgeschichtensammlung "Glückliche Fälle" ist 2018 in der Ukraine erschienen, die deutsche Übersetzung wurde 2020 mit dem Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt ausgezeichnet. Im März 2022 wurde es in englischer Übersetzung veröffentlicht. Die Autorin porträtiert vor allem Frauen aus der Donbass-Region. Hier herrscht bereits seit 2014 Krieg, viele flohen schon damals.

Juri Andruchowytsch

In der Ukraine gründete Andruchowytsch in den 1980er-Jahren zusammen mit anderen Autoren eine literarische Performance-Gruppe namens Bu-Ba-Bu (Burleske, Rummel, Possenreißer). Diese setzte sich für eine experimentelle und unangepasste Poesie ein, die sich gegen die offizielle Doktrin des sozialistischen Realismus sowie gegen jede dogmatische Ernsthaftigkeit im literarischen Genre auflehnte.

Juri Andruchowytsch, Porträt.
Juri AndruchowytschBild: Sabine Gudath/IMAGO

Andruchowytschs Romane, darunter "Moskowiada", "Perversion" oder "Karpatenkarneval", wurden vielfach übersetzt. In seinen Essays setzt er sich mit kulturellen Identitäten und pro-ukrainischen und pro-europäischen Ansichten auseinander. Er hat auch mehrere Werke der Weltliteratur ins Ukrainische übersetzt, von Shakespeare über Rilke bis hin zu Gedichten der US-amerikanischen Beat-Generation.

Juri Andruchowytsch ist im deutschsprachigen Raum für sein Engagement bekannt, die Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union voranzubringen; das brachte ihm in Deutschland mehrere renommierte Auszeichnungen ein, darunter die Goethe-Medaille und den Hannah-Arendt-Preis.

Oksana Sabuschko

Als 1996 Oksana Sabuschkos provokanter feministischer Roman "Feldstudien über ukrainischen Sex" erschien, löste er eine Kontroverse unter Kritikern und Lesern aus. Das Buch stand ein Jahrzehnt lang an der Spitze der Bestsellerlisten des Landes und wurde laut einer Umfrage aus dem Jahr 2006 in den 15 Jahren der Unabhängigkeit zum "einflussreichsten ukrainischen Buch".

Es erzählt die Geschichte einer Frau, die sich von den Konventionen, die ukrainischen Frauen auferlegt werden, befreien will. Dabei beleuchtet Sabuschko auch die kulturelle Identität ihrer Heimat in Zeiten des Umbruchs durch die Unabhängigkeit des Landes. Das Buch gehört heute zu den am meisten übersetzten Werken neuer ukrainischer Prosa in der Welt. 

Oksana Sabuschko spricht in ein Mikrofon, im Hintergrund das EU-Emblem.
Oksana Sabuschko vor dem EU-ParlamentBild: FREDERICK FLORIN/AFP

Von 1995 bis 2010 war Sabuschko Vizepräsidentin des ukrainischen PEN-Zentrums. Am 8. März 2022 sprach sie vor dem Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg - as erste erste Nicht-EU-Bürgerin.

Serhij Zhadan

Serhij Zhadan, Autor von zwölf Gedichtbänden und sieben Romanen, gilt als "Rockstar unter den ukrainischen Dichtern". Sein neuestes Prosawerk, "Internat", handelt von Zivilisten, die in einem Konfliktgebiet im Osten der Ukraine leben. Weitere gefeierte Romane von Zhadan sind "Depeche Mode" und "Die Erfindung des Jazz im Donbass".

Buchcover | "Die Erfindung des Jazz im Donbass", ein kleiner Holzverschlag steht in der Steppe.
Ein ukrainisches Roadmovie: "Die Erfindung des Jazz im Donbass" von Serhij ZhadanBild: Suhrkamp

Zhadan ist nicht nur für sein literarisches Werk bekannt, sondern auch für sein politisches Engagement. Seine Stiftung leistet humanitäre Hilfe in den Städten an der Front, und auch nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine organisiert er weiterhin Hilfe in seiner Heimatstadt Charkiw. Sein Einsatz wurde mit renommierten Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mit dem Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und dem Hannah-Arendt-Preis.

Ilya Kaminsky

1977 in einer jüdischen Familie geboren, verlor Ilya Kaminsky nach einer Mumps-Erkrankung im Alter von vier Jahren den größten Teil seines Gehörs. In der Ukraine war die Familie antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, und so suchte sie 1993 in den Vereinigten Staaten Asyl. Kaminsky war damals noch ein Teenager. Er verfasste später auf Englisch Gedichte, die ihm hohe Anerkennung einbrachten, darunter die Lyrikbände "Dancing in Odessa" (2004) und "Deaf Republic" (2019). Letzterer wurde von mehreren Publikationen zum besten Buch des Jahres 2019 gewählt und war außerdem Finalist für den National Book Award - neben dem Pulitzer-Preis der renommierteste Literaturpreis der USA. Im selben Jahr wurde Kaminsky von der BBC unter die "12 Künstler, die die Welt verändert haben" gewählt.

Autor Ilya Kaminsky lächelt für ein Porträt.
Ilya KaminskyBild: Greg Allen/Invision/AP/picture alliance

Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch