Was vom Preis bleibt
9. Oktober 2009Als der PLO-Führer Jassir Arafat 1994 zusammen mit Jitzhak Rabin den Friedensnobelpreis erhielt, stieß das nicht nur unter Juden auf herbe Kritik. Der Mann, zu dessen Markenzeichen das Palästinensertuch und der Pistolengurt wurden, war für seine Bemühungen um einen Nahostfrieden ausgezeichnet worden. Dabei ließ sein Engagement in späteren Jahren durchaus Zweifel zu. So gab US-Präsident Clinton, als die Verhandlungen über einen unabhängigen Palästinenserstaat in Camp David scheiterten, Arafat die alleinige Schuld daran. Dubios war auch Arafats Position als Führer der palästinensischen Autonomiebehörde. Nach Meinung des Internationalen Währungsfonds (IWF) verschwanden unter seiner Leitung Millionen von Hilfsgeldern durch Korruption oder wurden sogar zur Unterstützung terroristischer Aktivitäten zweckentfremdet. Arafat selbst distanzierte sich zumindest in seinen späteren Jahren öffentlich immer vom Terror.
Kissingers Loyalitätsproblem
Als Person weniger umstritten, in der Sache jedoch kaum minder kontrovers war die Verleihung des Friedensnobelpreises an Henry Kissinger. Dem Sicherheitsberater von Präsident Nixon wurde die Ehre 1973 für die Beendigung des Vietnam-Krieges zuteil. Dabei war der Krieg unter der Nixon-Administration in den Jahren zuvor noch einmal deutlich eskaliert und hatte viele Tote gerade auch unter Zivilisten gefordert. Mit Kissinger zusammen ausgezeichnet wurde der Nord-Vietnamese Le Duc Tho, der den Preis jedoch bezeichnenderweise mit der Begründung ablehnte, in seinem Land herrsche noch kein Frieden.
Als Diplomat und Sicherheitspolitiker blieb Kissinger auch in späteren Jahren ein angesehener Politiker, wenngleich ihm seine Loyalität zu Nixon und dessen Verwicklung in den Watergate-Skandal stets als Makel anhaftete. Kissingers Urteil über Nixon fiel auch in späteren Jahren positiv aus: "Nixon verstand mehr von Außenpolitik als jeder andere amerikanische Präsident der Nachkriegsperiode", sagte Kissinger später einmal und ließ dabei seine Enttäuschung durchklingen, dass sein Ratschlag als Diplomat für spätere Präsidenten der Republikanischen Partei wie Reagan oder Bush nur wenig zählte.
Wangari Maathais Verschwörungstheorie
Wangari Maathai war im Jahr 2004 die erste afrikanische Frau, die den Friedensnobelpreis erhielt. Die Umweltaktivistin hatte gegen die Abholzung der letzten geschlossenen Waldgebiete nahe der kenianischen Hauptstadt Nairobi und gegen die Korruption in ihrer Heimat gekämpft.
"Wenn es uns tatsächlich um die Beendigung der Korruption ginge, weil es schlecht für unser Land und unser Image ist, warum tun wir es dann nicht? Wir brauchen dazu kein Geld, nur eine nationale Kraftanstrengung." Das forderte Wangari vor allem auf internationaler Bühne vehement. Im westlichen Ausland brachte ihr das große Sympathien ein. Harsche Kritik erntete die Friedensnobelpreisträgerin dagegen für Äußerungen, wonach der Aidsvirus in westlichen Labors zur Ausrottung der Schwarzen gezüchtet worden sei. In ihrer Heimat Kenia blieb Wangari trotz der hohen Auszeichnung ungeliebt. Bei der Präsidentenwahl im Dezember 2007 fiel sie in ihrem Wahlkreis glatt durch, und ihre politische Karriere kam weitgehend zum Stillstand.
Die Last der Verantwortung
Auch um andere Friedensnobelpreisträger der jüngeren Vergangenheit ist es vergleichweise ruhig geworden. Jody Williams wurde zusammen mit der Kampagne zum Verbot von Landminen 1997 mit dem Preis ausgezeichnet.
Zwei Jahre später hatte das zivilgesellschaftliche Engagement der Amerikanerin zwar insofern Erfolg, als in Ottawa eine Konvention zum Verbot von Landminen unterzeichnet wurde. Aber ihr Heimatland USA hat den Vertrag ebenso wie Russland bis heute nicht unterzeichnet. Desillusioniert bezeichnete Williams den Nobelpreis später einmal als "unglaubliche Last". Auch der Preisträger des vergangenen Jahres, der finnische Diplomat Marthi Ahtisaari, weiß, wovon er spricht, wenn er in einem Interview der Deutschen Welle sagt: "Tendenziell gibt es nicht ein einziges Problem auf der Welt, bei dem man als Nobelpreisgewinner nicht gebeten wird, seinen Namen unter einen Aufruf zu setzen." Die Last der Verantwortung, darin dürfte sich die meisten Preisträger einig sein - sie bleibt in jedem Falle.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Martin Schrader