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Umstrittener Schutzschild

Andreas Leixnering19. Februar 2007

Polen und Tschechien begrüßen den US-Raketenschild auf eigenem Boden. Experten warnen, das Projekt sei technisch unausgereift und politisch riskant.

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Nicht immer erfolgreich: Raketenabwehrtest in White Sands in New Mexico
Nicht immer erfolgreich: Raketenabwehrtest in White Sands in New MexicoBild: dpa
Und über ihm der Abwehrschild: Mirek Topolanek, Ministerpräsident der Tschechischen Republik
Und über ihm der Abwehrschild: Mirek Topolanek, Ministerpräsident der Tschechischen RepublikBild: AP

"Wir waren uns einig, dass unsere Antwort auf das US-Angebot höchstwahrscheinlich positiv ausfallen wird" - ein umständlich formuliertes, aber letztlich klares Bekenntniss des tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek. Am Montag (19.2.07) besuchte er seinen polnischen Kollegen Jaroslaw Kaczynski in Warschau. Es ging um die Anfrage der USA, in beiden Ländern ein Raketenschild stationieren zu dürfen, um damit Angriffe der "Schurkenstaaten" Iran und Nordkorea abzuwehren. Der polnische Regierungschef versicherte, die Abwehrraketen würden sich keinesfalls gegen "normale" Länder richten. Vielmehr gehe es um Länder, "die die Regeln der modernen Welt nicht befolgen wollen", beschwichtigte Kaczynski.

Wie wehrt man die Abwehr-Kritiker ab?

Ob das reicht, um den Hagel an Kritik abzuwehren? Vergangene Woche hatte sich Russlands Präsident Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz über den Raketenschild empört. Moskau sieht sich bedroht. Der russische Generalstabschef Juri Balujewski spekulierte lauthals darüber, das INF-Abkommen von 1987 zu kündigen, das die Abrüstung von Mittelstreckenraketen ermöglicht hatte. Der deutsche Außenminister und der deutsche Verteidigungsminister mahnten am Wochenende, die USA hätten vorher mit Moskau reden sollen. Außerdem besäße der Iran noch keine Interkontinentalraketen, die die USA erreichen könnten, so Frank-Walter Steinmeier.

Die US-Behörde zur Raketenabwehr ist nicht überall beliebt
Die US-Behörde zur Raketenabwehr ist nicht überall beliebt

Auch bei den Stationierungskandidaten wird inzwischen heiß debattiert. Zwei Drittel der Bürger der tschechischen Republik sind gegen eine Raketenbasis, hätten aber wenig gegen eine Radarstation. Der polnische Vizepräsident Andrzej Lepper lehnt das Projekt komplett ab. Die Polen hätten keine ausreichenden Informationen über das Vorhaben. Das Land dürfe zudem nicht die Befürchtungen Russlands, Weißrusslands und der Ukraine ignorieren. Er fordert eine Volksabstimmung.

Das Erbe Ronald Reagans

In Polen würden die Vereinigten Staaten gerne zehn Silos für Abfangraketen bauen. In Tschechien soll ein Frühwarnradar dazu Aufklärungsdaten liefern. Das National Missile Defense System (NMD) ist das Überbleibsel der Strategic Defense Initiative, auch "Krieg der Sterne" genannt, mit der der frühere US-Päsident Ronald Reagan anfliegende Feindraketen im Weltraum abschießen wollte. Wegen technischer Hürden und exorbitanter Kosten blieb das Projekt ein Wunschtraum. 1999 nahm ausgerechnet der liberale Bill Clinton das Projekt wieder auf, jetzt allerdings von der Erde aus. Nicht erst seit dem 11. September 2001 widmet sich schließlich George W. Bush dem NMD-Programm mit Hingabe.

Mit mindestens zehn Milliarden Dollar das teuerste Militärprojekt aller Zeiten, sollen die NMD-Raketen feindliche Langstreckenflugkörper bereits in der Erdatmosphäre oder im Weltall zerstören. In Kalifornien und Alaska haben die USA bereits Stützpunkte für das System, von hier aus sollen Raketen aus Nordkorea abgefangen werden können. Polen und Tschechien, die möglichen ersten NMD-Basen außerhalb der USA, wären die Vorposten gegen Interkontinentalgeschosse aus dem Mittleren oder Nahen Osten - das heißt aus dem Iran. Ab 2011 soll das System einsetzbar sein. Von bisher etwa einem Dutzend Tests soll aber gerade die Hälfte erfolgreich verlaufen sein. Sogar US-Verteidigungsminister a.D., Donald Rumsfeld, hatte Mängel zugegeben. Erstmals werde somit ein Abwehrsystem nach dem Motto "we buy while we fly" gebaut, sagen Spötter.

Technisch nicht ausgereift, politisch riskant

"Sons of Star Wars" lautet der Spitzname des National Missile Defense System
"Sons of Star Wars" lautet der Spitzname des National Missile Defense SystemBild: www.space4peace.org

Auch in der politischen Wirkung steckt das NMD-Programm voller Risiken. Otfried Nassauer, Direktor des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit, kann die Unmut seitens Russlands nachvollziehen. Die geplante Raketenabwehr könnte durchaus "Teile der möglichen Flugbahnen von Interkontinentalraketen abdecken, die in Süd- und Südwestrussland stationiert sind", so der Rüstungsexperte im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Bei ihrer Osterweiterung habe die NATO Russland garantiert, keine wichtigen militärischen Fähigkeiten dauerhaft auf dem Boden der neuen Mitgliedländer zu stationieren. "Jetzt fühlt sich Moskau verraten, weil der größte NATO-Staat sich daran nicht gebunden fühlt und einfach nationale statt NATO-Fähigkeiten stationieren will." Auch Steinmeier sehe die Gefahr, dass das unilaterale Ausscheren der USA das politische Klima zwischen der EU und Russland belasten könnte.

Schutz für alle NATO-Staaten?

In einem gemeinsamen Beitrag für die polnische Zeitung Rzeczpospolita brachen der polnische und tschechische Regierungschef am Montag (19.1.07) dann nochmals eine Lanze für das umstrittene Projekt. "Eine Teilnahme an dem Raketen-Abwehrsystem wird allen Mitgliedern der transatlantischen Gemeinschaften eine passiven Schutz bieten." Eine kühne These. Der deutsche Außenminister Steinmeier betonte dagegen, die derzeitige Diskussion drehe sich nur um das Projekt zum Schutz des US-Territoriums. Und so sieht es wohl auch die NATO. Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hatte das Abwehrsystem in der vergangenen Woche als rein bilaterale Angelegenheit zwischen den USA und Tschechien beziehungsweise Polen bezeichnet.