Umwelt spielt nur eine geringe Rolle
31. Oktober 2012
Wirtschaft und Soziales beherrschen die politische Diskussion im Wahlkampf um die Präsidentschaft in den USA - weder Wähler noch Kandidaten geben dem Thema Umwelt viel Raum. Laut einer Umfrage des "Pew Research Council" Forschungszentrums in Washington waren im Januar 43 Prozent der Wähler der Meinung, Umweltthemen hätten für den Präsidenten und den Kongress "oberste Priorität", im Vergleich zu 57 Prozent im Januar 2007. Heute haben die Wirtschaft, Arbeit und das Haushaltsdefizit oberste Priorität.
"Die US-Wirtschaft steht für beide Kandidaten im Zentrum ihres Wahlkampfes", so Daniel Kammen. Das passiere oft in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, erklärte der Politologe der "Energy and Resources Group" an der Universität von Kalifornien in Berkeley gegenüber der Deutschen Welle.
Umweltschutz muss Arbeitsplätze schaffen
Wenn Präsident Obama und sein Herausforderer, Mitt Romney, die Umwelt erwähnen, dann nur im Zusammenhang mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Unabhängigkeit der USA von Energieimporten. 12 Millionen neue Arbeitsplätze will der Kandidat der Republikaner schaffen. Bis 2020 werde Nordamerika unabhängig von Energieimporten sein, da man die Erdöl-, Kohle- und Gasvorkommen sowie erneuerbare Energiequellen ausschöpfen werde, so Romney beim Nationalen Kongress im August.
Den einen oder anderen Wähler, zermürbt von Jahren relativ hoher Arbeitslosigkeit, mag das zwar umstimmen, meint Kammen, aber als langfristige Umweltpolitik taugen solche Ankündigungen nicht. "Romney hat sehr wenig bis gar kein Interesse daran gezeigt, saubere Energie auf seine Fahnen zu schreiben", erklärt der Politologe aus Kalifornien. Hauptbestandteile seines Wahlprogramms seien eher "mehr Erdgas fördern und ansonsten weiter wie bisher."
Das Fracking-Problem
Sowohl die Republikaner als auch Obama befürworten ein "all-of-the-above"-Vorgehen im Energiebereich, also eine Strategie, die unterschiedliche nationale Energiequellen einbezieht. Der US-Präsident plädiert außerdem für eine verstärkte Förderung von Erdgas als sauberer Alternative zu Erdöl oder Kohle. Laut dem US-Energieministerium verfügen die USA über etwa 862 Billionen Kubikfuss an Schiefergasreserven.
Das Gas erreicht man allerdings nur durch Fracking: eine umstrittene Methode zur Förderung von Erdgas, bei der unter hohem Druck eine Mischung aus Wasser, Chemikalien und Sand in ein Bohrloch gedrückt wird, damit das Gestein aufbricht und das eingeschlossene Gas frei wird. Umweltschützer kritisieren die Methode, da große Mengen Wasser benötigt werden und sie befürchten, das Gemisch könne das Grundwasser verseuchen und sogar Erdbeben auslösen.
Zugang zu Rohstoffreserven
Fracking ist jedoch ein boomendes Geschäft in entscheidenden Bundesstaaten wie Ohio und Pennsylvania. Nicht zuletzt, weil er die Fracking-Technik unterstützt, ist Obama bei Gewerkschaftlern dort beliebt. "Ich bin ein großer Freund von Erdgas als Chance, unsere Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen zu reduzieren und Jobs zu schaffen", erklärte Obama in einem Radio-Interview in Ohio Anfang September. Entscheidend sei, dass es sicher ausgeführt werde.
Auch Romney ist ein Fracking-Fan. Obamas Herausforderer zitiert jedoch den Ruf des Präsidenten nach behördlicher Überwachung als Beweis für dessen Ambivalenz gegenüber der Technik.
Romneys Umweltprojekte: Seegebiete vor der Küste von North und South Carolina und Virginia sollen für Erdölbohrungen freigegeben werden sowie den Bundesstaaten die Kontrolle über Energieproduktion auf Bundesland erlaubt werden. Steuergutschriften für Windenergie-Parks will Romney nicht erneuern. Das würde 40.000 Jobs kosten, warnt Courtney Hight, stellvertretende politische Geschäftsführerin der Naturschutzorganisation "Sierra Club", und die Chancen der USA mindern, "führend im Sektor der sauberen Energien zu sein."
Romneys Wirtschaftspolitk reduziere sich auf "mehr bohren, mehr deregulieren und mehr verseuchen", so Hight gegenüber der Deutschen Welle. "Das amerikanische Volk hat jetzt ganz klar die Wahl."
Mittelmäßiger Erfolg
Obamas Umweltpolitik sei nicht sehr erfolgreich gewesen, meint Daniel Kammen. Der Präsident habe zwar unter anderem höhere Effizienzstandards für neue Kraftfahrzeuge durchgesetzt, das sollte aber eigentlich Teil eines umfassenden Umweltpakets sein, kritisiert Kammen.
Der Politologe aus Berkeley bezeichnet als größte umweltpolitische Niederlage das Scheitern des Gesetzesentwurfes 2009 "American Clean Energy and Security Act", der die Einführung eines Emissionshandelssystems zur Reduzierung von Treibhausgasen vorsah. Das Gesetz wurde zwar im Repräsentantenhaus angenommen, im Senat kam es jedoch zu keinem Beschluss.
"Es war zu umfangreich, zu kompliziert, zu sperrig und es hatte zu viele ungeplante Auswirkungen", erklärt Jim DiPeso, Leiter von ConservAmerica; es wurde nicht einmal von Umweltorganisationen unterstützt. Solch ein Gesetz müsse einfacher sein, unbürokratischer, es müsse die Kräfte des Marktes nutzen, meinte der konservative Umweltexperte gegenüber der Deutschen Welle. Und als Alternative zu bestehenden Strategien brauche das Land auch konservative Lösungen, so DiPeso weiter. "Es nützt dem amerikanischen Volk wenig, nur einen Satz Lösungen zu haben."